Braunschweig. Eine charmante Kabinettausstellung Hinter Aegidien zeigt, wie alltagsnah sich künstliche Bildwelten bereits gestalten lassen.

Heike Pöppelmann, Direktorin desBraunschweigischen Landesmuseums, hatte einige Mühe, mit dem K.I.-Programm Midjourney eine ihr annähernd gleichende Museumsleiterin zu erzeugen. Bei den ersten, in der Fachsprache „Prompts“ genannten Eingaben in das Bilderzeugungsprogramm – Museumsdirektorin, schlank, lockig, mittleren Alters – habe die Software einen Mann generiert, erzählt Pöppelmann. Damit, dass eine Frau ein Museum leitet, rechnet die K.I. offenbar noch nicht – im Wortsinn.

„Künstliche Intelligenz wird mit Milliarden von Bilddateien aus dem Internet gespeist und erzeugt auf dieser Basis das Bild, das mit der größten Wahrscheinlichkeit zu den Eingaben passt, die man macht“, erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin Maren Burghard. Dabei halte die K.I. es offenbar für wahrscheinlicher, dass die Eingabe Museumsdirektorin ein Tippfehler sei, als dass wirklich eine weibliche Museumsleitung gemeint ist. Immerhin: Die K.I.lerne schnell...

Künstlich erzeugte Bildwelten: Genauses Hinsehen ist wichtig

Maren Burghard hat gemeinsam mit dem Nürnberger Museum für Kommunikation die Kabinettausstellung „New Realities“ entwickelt, die der Frage nachgehen will, wie Künstliche Intelligenz uns abbildet. Das Braunschweige Landesmuseum zeigt sie jetzt in zwei Räumen der Außenstelle Hinter Aegidien. Sie sind eingerichtet worden wie die Rezeption und die Lobby eines schicken Hotels – des „Hotels Marenki“, so die Setzung der Ausstellung: petrolblaue Polstermöbel mit Beistelltischchen, Empfangspult, Schlüsselbord. Drumherum an den Wänden: Fotos aus dem Hotelalltag, in Groß- und Kleinformaten, elegant gerahmt wie in einem besseren Haus.

Allerdings sind die Bilder des Personals und der schick eingerichteten Räume eben nicht in einem konkreten Hotel aufgenommen, sondern per K.I. erzeugt worden. Bei genauem Hinsehen erkennt man das in einigen Bildern an Details: Der Schmetterling, der im Vordergrund durch die Lobby schwebt, ist zu gestochen scharf und exotisch. Und liegt da nicht eine Krake im Bouquet mit frischen Blüten?

Das Irreale der K.I.-Bilder ist schwer zu greifen

Die kleine Bilderwelt der Ausstellung hat etwas unterschwellig Irreales, das allerdings schwer zu greifen ist. Ein leichtes Befremden wird schon durch die kurze Eingangs-Filmsequenz einer Rezeptionistin ausgelöst, die uns ungewöhnlich ernst, geradezu besorgt entgegenblickt. Übrigens ist es gar keine Filmsequenz, sondern ein K.I.-generiertes Bild, das durch eine weitere K.I. – Runway – animiert wurde, erläutert Kommunikationswissenschaftlerin Maren Burghard, die all diese Bilder erzeugt hat. Sie habe sich mit dem Hotelszenario bewusst für ein realitätsnahes Setting entschieden, um die Möglichkeiten von K.I. im Alltag deutlich zu machen, anstatt wilde Phantasiewelten zu kreieren.

Den besorgten Gesichtsausdruck der Rezeptionistin habe sie nach mehreren Versuchen übrigens durch den Prompt „ist kurz davor, eine Hiobsbotschaft zu verkünden“, hinbekommen, sagt Burghard. Bilder, in denen sich auf diese Weise gleichsam eine Geschichte versteckt, vermuteten wir eher als K.I.-generiert als das benachbarte „Foto“ einer lächelnden jungen Frau - eben weil das so eine freundliche Allerweltspose darstelle.

Wirken auch durch die Präsentation wie Allerwelts-Abzüge, doch die Motive sind künstlich erzeugt: Schatullen mit K.I.-Bildern im
Wirken auch durch die Präsentation wie Allerwelts-Abzüge, doch die Motive sind künstlich erzeugt: Schatullen mit K.I.-Bildern im "Hotel Marenki" im Landesmuseum.  © MKN | Tanja Elm

K.I. im Landesmuseum: Kleiner Aufschlag zu großem Thema

Die kleine Kabinettausstellung ist charmant gestaltet. Allerdings ist man schnell durch. Und sie bietet, neben ein paar allgemeinen Informationen zur Bilderzeugung via K.I., nur bei Führungen die Möglichkeit, selber mit solchen Programmen zu experimentieren. Man erfährt bei den gezeigten Bildern auch nicht, mit welchen Prompts, also Texteingaben, sie generiert wurden. An einem Bildschirm wird allerdings beispielhaft vorgeführt, wie Burghard ein Bild erzeugt. Ein kleiner Aufschlag zu einem großen Thema also. Gut, dass im Eintritt auch der Besuch der interaktiven Wissenschafts-Ausstellung „Unsichtbare Welten“ im Obergeschoss inbegriffen ist.

Bis 4. August, Di.–So., 10-17.30 Uhr. Führungen etwa am 28. April und 26. Mai, 14 Uhr.