Braunschweig. Der Braunschweiger Domchor singt im ausverkauften Dom eine prächtige und rührende Johannespassion von Johann Sebastian Bach.

Selbstbewusst und zweifelsfrei stellt Johann Sebastian Bach die Johannespassion als Gnadenweg zum ewigen Leben dar. Prächtig bestimmen gleich eingangs die Chöre das Konzert zum Erbauungswerk, und so prächtig singt der Domchor das unter Elke Lindemanns Leitung im ausverkauften Braunschweiger Dom auch. Volltönig in allen Stimmen, stets präzise und wohlartikuliert, das lässt in den dramatisch eingreifenden Chören des Volkes wie in den betrachtenden Chorälen an Gemeinde Statt nichts zu wünschen übrig.

Lindemann gestaltet dabei deutlich, aber übertreibt auch nicht, so behalten die herausgehobenen Stellen ihre Bedeutung. Am schönsten spürbar am Schluss in dem schönen Choral „Ach, Herr, lass dein lieb Engelein“. Da werden zunächst die Seelen von Engeln ruhig geborgen. Aber zweimal lässt sie den Chor dynamisch aufdrehen: „Alsdenn vom Tod erwecke mich“, wenn am Jüngsten Tag die Seelen die Herrlichkeit des Herrn schauen werden, und im Schlusswort „Ich will dich preisen ewiglich“, womit sich erfüllt, was am Beginn versprochen wurde. So vermeidet sie alle Engel-Süßlichkeit und lässt in den Hörenden nach der durchlittenen Passion die Erlösungsidee nachhallen.

Ariose Betrachtung über „Es ist vollbracht“

Ähnlich führt sie im Choral „Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn“ die dynamische Betonung auf „Dein Kerker ist der Gnadenthron“ hin, Sentenz dieses Evangeliums, in dem die Passion ihren Sinn in der Befreiung der Menschen findet, weshalb auch der leidende Christus selbst sich hier in kraftvollen Worten als Heilsbringer begreift. Michael Humann singt ihn mit in Würden in sich ruhendem Bass. Das ist tatsächlich ganz anders als der zaudernde, mit sich und Gott ringende Christus der Matthäuspassion, der uns näher, als problematisches Ich moderner ist.

Mit wohlig weichem Alt entfaltet Charlotte Quadt die Betrachtung über das „Es ist vollbracht“, unterbrochen von der kämpferischen Stretta „Der Held aus Juda siegt mit Macht“. Sophia Körber lässt ihre substanzvolle Sopranstimme so himmlisch in Leid zerfließen, dass es schon wieder tröstet. Gotthold Schwarz trifft besonders die satten Pilatus-Worte und gestaltet schön das Arioso „Mein teurer Heiland“ im Wechsel mit dem Choral.

Prägnante Evangelistenworte

Markus Brutscher singt mit prägnantem Tenor die Evangelistenworte. In den Arien wirft er die hohen Töne manchmal etwas zu heftig raus. Seine bildhaft-schmerzliche Arie „Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken“ zerfällt dann aber doch zu sehr durch die sich merkwürdig verselbständige Begleitung von Geigen und Continuo des Göttinger Barockorchesters. Ansonsten folgt es stimmig dem klaren Dirigat Lindemanns, das gerade in den Chorälen und Arien Rührung im ruhigen Bekenntnis schafft. Still gehen die Menschen auseinander.