Braunschweig. In seinen Songs gibt er sich knallhart, ansonsten als liebender Papa. Wie passt das zusammen? Das sagt der Gangsta-Rapper im Interview.

Er ist der prominenteste und schillerndste aller deutschen Rapper. Vor 20 Jahren machte Anis Ferchichi alias Bushido mit Alben wie „Vom Bordstein bis zur Skyline“ den Gangsta-Rap in Deutschland populär. Harte Beats, düstere Sounds und aggressive Texte übers Durchsetzen auf der Straße, Kriminalität, die Lust an Reichtum, weil alles außer materiellen Werten nichts zählt, Austeilen gegen andere Rapper, Schwule, „Bitches“ und vor allem das Preisen der eigenen Härte und Omnipotenz wurden genreprägend. Bushido machte den Berliner Clan-Chef Arafat Abou-Chaker zu seinem Manager und war fortan ziemlich unangreifbar in der Szene.

2018 dann die Wende: Bushido löste sich von seinem Geschäftspartner. 2020 begann vor dem Berliner Landgericht ein Prozess gegen Abou-Chaker und drei seiner Brüder wegen angeblicher Bedrohung des Rappers; Bushido trat als Nebenkläger auf. Das aufsehenerregende Verfahren endete Anfang des Jahres mit einem weitgehenden Freispruch für die Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Revision eingelegt. Bushido, der während des Prozesses in Deutschland unter Polizeischutz stand, lebt mit seiner Frau Anna-Maria und den acht Kindern des Paares seit anderthalb Jahren in Dubai. Ende vergangener Woche begann in Berlin seine erste Tournee seit acht Jahren. Am 16. August tritt der 45-Jährige open air im Braunschweiger Raffteichbad auf. Wir sprachen per Videotelefonat mit ihm.

Anis, in letzter Zeit sind gleich mehrere Doku-Serien über Sie, Ihr Familienleben in Dubai und den Prozess gegen Ihren früheren Manager Abou-Chaker erschienen, dazu noch eine Autobiographie. Warum gehen Sie mit Ihrem Privatleben so stark in die Öffentlichkeit?

Ich bin eine Person der Öffentlichkeit. Es ist schwer, irgendetwas zu unternehmen, das nicht in der Öffentlichkeit landet. Wenn ich heute in Braunschweig ein Restaurant besuchen würde, würde vermutlich irgendjemand ein Foto machen, das dann in den sozialen Medien oder auch in der Lokalzeitung landet. Ich habe praktisch kaum Kontrolle darüber. Bei den Dokus bin ich Herr über die Inhalte aus meinem Leben. Natürlich gibt es Dinge, die ich nicht zeige – es ist eine Balance zwischen Offenheit und dem, was wir in der Familie für uns behalten wollen, weil es eben unser Leben ist.

Sie machen Dinge öffentlich, die so gar nicht zu ihrem künstlerischen alter ego Bushido passen. Sie heben die Rolle Ihrer Frau Anna-Maria bei der Trennung von Ihrem Ex-Manager Abou-Chaker hervor, die mutiger als Sie gewesen sei. Sie zeigen Verletzlichkeit, sprechen von Ihrer Therapie, vom Wert der Familie. War das schwierig für Sie?

Ich stehe dazu, dass all das jetzt eine wichtige Rolle in meinem Leben spielt. Ich gehe einmal wöchentlich zur Traumatherapeutin, und es tut mir gut. Meine Frau tut mir gut, meine acht Kinder tun mir gut. Mein Leben hat sich verändert, und mit 45 Jahren habe ich auch einen anderen Zugang zur Kunstfigur Bushido als im Jahr 2000 oder 2010. Das Leben auf der Bühne hat irgendwann ein Ende. Ich weiß, dass ich nach dieser Zeit mit mir als Mensch, als Vater und Ehemann klarkommen will, und ich habe kein Problem damit.

Stolz präsentiert Rapper Bushido mit Ehefrau Anna-Maria Ferchichi im November 2021 die neugeborenen Drillings-Mädchen. Das Paar zieht sieben gemeinsame Kinder und eines aus einer früheren Beziehung Anna-Marias groß.  
Stolz präsentiert Rapper Bushido mit Ehefrau Anna-Maria Ferchichi im November 2021 die neugeborenen Drillings-Mädchen. Das Paar zieht sieben gemeinsame Kinder und eines aus einer früheren Beziehung Anna-Marias groß.   © picture alliance/dpa/Bushido | picture alliance/dpa/Bushido

Sie ändern sich, die Kunstfigur Bushido aber nicht. Warum nicht?

Ich habe mich als Mensch durch meine Frau, meine Kinder und die Umstände der letzten Jahre sehr verändert. Es hat auch etwas Verunsicherndes, alte Gewohnheiten plötzlich abzulegen. Die Musik dagegen ist eine Konstante. Ich will da gar nichts ändern, weil eh schon so viel passiert in meinem Leben, jeden Tag. Da ruft beispielsweise die Schule an: Ihre Tochter ist gestürzt, hat sich den Arm gebrochen. Mann, so etwas kann jederzeit passieren, auf ganz viele Dinge bezogen, und deswegen finde ich es persönlich entspannend und vielleicht auch als Rückhalt, dass sich Bushido nicht ändert.

Waren Sie enttäuscht davon, wie die Rapszene im Prozess gegen Abou-Chaker und seine Brüder aufgetreten ist? Sie war nicht gerade solidarisch.

Ich will hier nicht über den Prozess sprechen, abgesehen davon ist mir das völlig egal.

Bushido beim Auftakt-Konzert zu seiner Tournee „König für immer“ am 21. März in der Berliner Mercedes-Benz-Arena.
Bushido beim Auftakt-Konzert zu seiner Tournee „König für immer“ am 21. März in der Berliner Mercedes-Benz-Arena. © dpa | Hannes P Albert

Capital Bra, der zeitweise bei Ihrem Label EGJ unter Vertrag stand, hat gestichelt, Bushido macht jetzt gemeinsame Sache mit der Polizei, er ist nicht mehr unser Mann. Das hat Sie offenbar so geärgert, dass Sie den Disstrack „Dark Knight“ über ihn produziert haben, in dem Sie ihn als drogensüchtige kaputte Figur hinstellen. Er hat mit einem Musikvideo reagiert, in dem er einen Bushido-Darsteller an seinem SUV durch Berlin schleift. Ist das noch ein normales Battle zwischen Rappern oder geht das darüber hinaus?

Für mich ist das ein ganz normales Battle. Natürlich hat mich diese Behauptung 2019 getroffen, vor allem, weil es die Unwahrheit war. Ich habe nie kooperiert. Ich bin im Prozess meiner Pflicht als Zeuge nachgekommen. Wenn jemand behauptet, ich hätte wegen eines übergeordneten Zieles kooperiert, dann muss ich sagen, nein, das stimmt nicht. Capital Bra hat Unwahrheiten erzählt, um aus unserem Vertragsverhältnis rauszukommen. Und er schuldet mir viel Geld. Ich habe das auf sich beruhen lassen, die Sache runtergekocht. Irgendwann war es Schnee von gestern - und dann fing er wieder an, mich in der Öffentlichkeit zu beleidigen. Das war für mich ausschlaggebend zu sagen: Okay, das klären wir jetzt auf musikalischer Ebene. Für mich war, ist und wird es immer ein musikalisches Battle bleiben. Ich habe den Song und das Video als Kunst betrachtet und probiert, wirklich neutral auf seine Reaktion zu gucken, wie ein Ringrichter. Ich bin zum Ergebnis gekommen, dass ich klar nach Punkten gewonnen habe, und das gilt auch, wenn wir jetzt über Klicks bei YouTube oder im Streaming reden.

Da waren sie noch Partner: Im Oktober 2018 tritt Bushido (links) überraschend als Gast bei einer Show von Capital Bra im Braunschweiger Jolly Time auf. Kurz zuvor hatte der Ältere den Jüngeren bei seinem Label „Ersguterjunge“ unter Vertrag genommen. Anfang 2019 löste sich Capital Bra aus dem Vertrag. Mittlerweile sind die beiden spinnefeind (Archivbild).
Da waren sie noch Partner: Im Oktober 2018 tritt Bushido (links) überraschend als Gast bei einer Show von Capital Bra im Braunschweiger Jolly Time auf. Kurz zuvor hatte der Ältere den Jüngeren bei seinem Label „Ersguterjunge“ unter Vertrag genommen. Anfang 2019 löste sich Capital Bra aus dem Vertrag. Mittlerweile sind die beiden spinnefeind (Archivbild). © Lucas Rosenbaum | Lucas Rosenbaum

Sie haben Gangsta-Rap in Deutschland groß gemacht. Es ist eine brutale Musik, in der das Recht des Stärkeren zählt. Glauben Sie, dass Zwölf- bis 15-jährige tatsächlich so deutlich trennen können zwischen Fiktion und Ernsthaftigkeit der Botschaften?

Es gibt bestimmt Jugendliche, ob sie nun zwölf oder 15 sind, die das nicht können. Vielleicht sogar Menschen, die 19 oder 22 sind. Warum können sie das denn nicht? Wegen der Musik? Das ist ein Trugschluss.

Es liegt auch an der expliziten Sprache.

Ich lege großen Wert auf Sprache. Ich finde es attraktiv, wenn man sich gewählt ausdrücken kann. Hochdeutsch sollten wir alle beherrschen, egal aus welchem Bundesland wir kommen. Da können wir sprechen, wie der Dialekt uns das vorgibt. Aber wenn sich ein Bayer mit einem Sachsen trifft, sollten die schon in der Lage sein, sich hochdeutsch zu unterhalten. Ich ziehe mit meiner Frau zusammen acht Kinder groß. Menschen, die eine gute, teilweise auch freie Erziehung genießen, werden mit meiner Musik umgehen können. Wenn Menschen aber auf eine Art und Weise aufwachsen, in der sie keine Eigenständigkeit entwickeln können, sind sie vielleicht auch nicht in der Lage, zwischen Fiktion und echtem Leben zu unterscheiden. Nicht nur in der Musik. Es gibt viele Situationen im Leben, in denen man sich täuschen kann. Man sollte also darauf schauen, warum Menschen nicht in der Lage sind, Dinge differenziert einschätzen zu können.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Sie sind ein charismatischer Typ und haben enormen Einfluss auf Jugendliche, sonst würden Sie sich ja nicht so super verkaufen. Als Bushido werfen Sie mit den übelsten Kraftausdrücken um sich. Wieso spielen Ihre Werte als Privatmensch in Ihrer Musik keine Rolle?

Wer meine Musik hört, bekommt mich auch als Mensch mit und weiß, ich habe eine tolle Frau, ich habe eine Menge Kinder, ich bin gegen die AfD. Ich bin das beste Beispiel dafür, dass man harte Musik machen kann, aber als Mensch ganz anders funktioniert. Ich bin in gewissen Situationen Bushido, und wenn das vorbei ist, bin ich der, der dir sagt, mach dies nicht, mach das nicht, lass das mit Drogen, Alkohol, Rauchen und so. Dafür stehe ich. Also warum muss ich das in meiner Musik ständig rüberbringen? Die Musik, die ich mache, ist genau das, was ich liebe, wie andere ihr Lieblingsessen, Chili meinetwegen. Das muss dann auch genauso bleiben, weil es sonst eben kein Chili ist.

Sie sind zuletzt viel in Clubs aufgetreten. Auf Ihrer Abschiedstour spielen Sie in großen Hallen und am 16. August open air am Braunschweiger Raffteich. Ist das eine der größten Bühnen?

Nein, auf der aktuellen Tour habe ich einen 10.000er bis 12.000er Schnitt. Aber auf das Open Air freue ich mich besonders, das hat ein ganz eigenes Flair, wie Braunschweig sowieso. Früher habe ich da im Jolly Joker gespielt, jetzt open air – Zeiten ändern sich.

Die Raffteich-Open-Airs 2024

Bushido eröffnet am Freitag, 16. August, die Open Airs auf der Volksbank-Brawo-Bühne im Braunschweiger Raffteichbad. Karten ab 70 Euro (Stehplatz wie Tribüne) gibt es u.a. bei der Konzertkasse.

Bosse tritt am 17. August am Raffteich auf. Stehplätze gibt es ab 57, Tribünenplätze ab 66,50 Euro.

Für Pur am 18. August gibt es nur noch Stehplätze ab 65,55 Euro.

Mehr wichtige Kulturnachrichten:

Täglich wissen, was in der Region Braunschweig-Wolfsburg passiert: