Braunschweig. 1977 trat die damals noch relativ unbekannte Rockgruppe im damaligen FBZ auf. Zeitzeugen erinnern sich an den unfassbaren Auftritt.

Mehr als 150.000 Menschen werden AC/DC allein in Hannover in diesem Jahr sehen. Eine knappe Dreiviertelmillion Zuschauer sind bei allen elf „Power Up“-Tourneeshows in Deutschland dabei. Einen gigantischen Hype erlebt AC/DC auch 50 Jahre nach der Bandgründung. Springen wir in der Bandgeschichte 47 Jahre zurück: 1977 war die Band hierzulande noch ziemlich unbekannt. Vier Alben waren bereits draußen, hohe Chartplatzierungen in Europa gab es bis dato aber noch nicht. Der Durchbruch mit „Highway to Hell“ ließ noch zwei Jahre auf sich warten. Und doch stand bereits die zweite Konzertreise durch Deutschland an. Am 24. September 1977 auf dem Tourplan: Braunschweig. Das Freizeit- und Bildungszentrum (FBZ) im Bürgerpark. Es befand sich dort, wo heute das Steigenberger-Hotel steht. Wir haben uns auf Spurensuche rund um das legendäre Konzert begeben und sind dabei dem damaligen Booker Bernd Schulz und dem Zuschauer Hartmut Sperling begegnet, die hautnah dabei waren.

AC/DC in Braunschweig: Bon Scott oberkörperfrei am Mikrofon, Malcolm Young an der Rhythmusgitarre und Phil Rudd an den Drums.
AC/DC in Braunschweig: Bon Scott oberkörperfrei am Mikrofon, Malcolm Young an der Rhythmusgitarre und Phil Rudd an den Drums. © privat | Hartmut Sperling

An jenem Samstag war der Himmel über Braunschweig strahlend blau. Rund um die Veranstaltungshalle, die Platz für 700 Menschen bot, fand ein großer Flohmarkt statt. „Eine Herausforderung für die beiden Riesen-Sattelschlepper, die die Band schon damals dabei hatten“, erinnert sich Schulz, heute 68 Jahre alt. „Für damalige Verhältnisse brachte AC/DC eine riesengroße Anlage mit. Gigantische Verstärker-Türme standen beim Konzert auf der Bühne. Ihre PA-Beschallung war auf große Festivals ausgelegt. Aber das FBZ hatte keine Probleme damit. Ein Drittel des FBZ-Saales bestand ja aus der Bühne, außerdem befand sich dort eine Rampe, die für eine solche Technik natürlich eine große Hilfe war.“

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AC/DC in Braunschweig: Aufgrund der Lautstärke zersprang die Holzvertäfelung im Konzertsaal

In der Broschüre „25 Jahre FBZ Bürgerpark“, die das Kulturinstitut der Stadt Braunschweig Mitte der 1990er-Jahre herausbrachte, wird der mittlerweile verstorbene FBZ-Mitarbeiter Hans-Dieter „Flocki“ Bischoff zitiert. „Das war damals das größte Konzert, was wir hier hatten. Die kamen mit zwei Riesentrucks. Ausgeladen wurde aber nur einer, weil die nur die Hälfte auf die Bühne kriegten, Dann bauten sie die ganze Bühne vorne mit Lautsprechern voll, so dass sie in der Mitte noch ungefähr drei Meter Platz hatten. Der ganze Rest war nach beiden Seiten mit Lautsprechern vollgebaut und zwar bis unter die Decke. Und dann stellten sie bestimmt noch mal drei Meter nach hinten, also in die Bühnentiefe rein, in der gleichen Höhe Monitor-Lautsprecher auf. Dann legten sie los. Das war eine bärenmäßige Lautstärke. Gleich nach den ersten Tönen liefen die ersten Leute raus, weil sie es nicht aushielten. Nachher stellten wir fest, dass diese Holzvertäfelung im Saal von den Bässen gesprungen war.“

Der damals 22-jährige Gitarrist Angus Young beim Konzert im FBZ in Braunschweig.
Der damals 22-jährige Gitarrist Angus Young beim Konzert im FBZ in Braunschweig. © privat | Hartmut Sperling

Doch wie schaffte es Schulz, die damaligen aufstrebenden Australier, nach Braunschweig zu holen? Zu Promoter Bill Graham, der mit der Band schon damals Großes vorhatte und zwei Jahre später ja auch den Durchbruch schaffte, sowie Konzertveranstalter Rainer Hänsel bekam der Braunschweiger wenige Monate vor dem Konzert im Amsterdamer Paradiso Kontakt. Dort wurde der Grundstein für die spätere Verpflichtung gelegt.

Das Freizeit- und Bildungszentrum (FBZ) im Bürgerpark Braunschweig.
Das Freizeit- und Bildungszentrum (FBZ) im Bürgerpark Braunschweig. © n.n.

Erster FBZ-Leiter Fincke hatte konservativen Wunsch an Booker Bernd Schulz

Zwischen 1971 und 2002 hatte das FBZ geöffnet, 2009 wurde es abgerissen. Klaus Doldinger, Scorpions, Kraftwerk, Birth Control und Bap gehörten zu den Acts, die dort aufgetreten sind. Erster Leiter war Pastor Eberhard Fincke aus Hondelage. Schulz erinnerte sich an einen Wunsch des konservativen Geistlichen für das AC/DC-Konzert. „Angus Young, damals 22 Jahre alt, hatte schon immer gern seinen blanken Hintern bei den Auftritten gezeigt. Pastor Fincke wollte das tunlichst im FBZ vermeiden. Ich sollte dafür sorgen.“ Überhaupt stieß die Verpflichtung der Band nicht überall auf Wohlwollen. Doch das Konzert fand statt.

Angus Young in Aktion. Die Plattenfirma teilte damals mit, dass er etwa vier Kilometer pro Konzert zurücklegt.
Angus Young in Aktion. Die Plattenfirma teilte damals mit, dass er etwa vier Kilometer pro Konzert zurücklegt. © FMN | Hartmut Sperling

Der Saal war etwa halbvoll, die Show begann mit einstündiger Verspätung, weil sich die Aufbauarbeiten auch wegen des großen Flohmarkts stark verzögerten. Gegen 21 Uhr ging es endlich los. Eine gute Stunde rockte die Band, die damals neben Angus Young aus seinem Bruder Malcolm, Cliff Williams, Bon Scott und Phil Rudd bestand. Elf Lieder standen auf der Setlist, darunter „Whole Lotta Rosie“, „High Voltage“, „Let there be Rock“ und „T.N.T.“ Gage? Weit unter 5000 D-Mark haben die Musiker damals für das Gastspiel erhalten, erinnert sich Schulz.

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Karte für das AC/DC-Konzert in Braunschweig kostete 15 D-Mark

Zu den gut 300 Zuschauern gehörte auch Hartmut „Mulle“ Sperling, Baujahr 1962. „Ich war als 15-Jähriger damals Teil einer Clique, zu der unter anderem auch Matthias ,Mini‘ König, Ralf ,Ralle‘ Kolbe und Christian ,Locke‘ Loock gehörten. Wir alle hatten uns Karten gekauft – für 15 D-Mark. Ein Kumpel hörte im ,Schlagerderby‘ des Deutschlandfunks erstmals von AC/DC. Das Lied ‚It‘s a long Way to the Top‘, in dem Bon Scott Dudelsack spielte, hatte es ihm besonders angetan. Er infizierte uns mit dem AC/DC-Sound.“ Sicherheitsbedenken gab es bei der Veranstaltungen wenige, Ordner waren keine da. „Alles war völlig unkompliziert. Das führte dazu, dass wir vor und auch während des Konzerts vorne auf der Bühnenkante saßen. Plötzlich kam Bon Scott zu uns mit einem Wolters, ich fragte ihn, ob er mir auch eines bringen könnte. Hat er dann gemacht. So kam es, dass ich mit Bon Wolters getrunken habe.“

Die Truppe um Hartmut „Mulle“ Sperling (Mitte, blaues, zugeknöpftes Hemd) am Ringerbrunnen in Braunschweig.
Die Truppe um Hartmut „Mulle“ Sperling (Mitte, blaues, zugeknöpftes Hemd) am Ringerbrunnen in Braunschweig. © FMN | Hartmut Sperling

Sperling und seine Freunde haben das Konzert fotografisch festgehalten und die Bilder in ein Album geklebt, so dass sie auch Jahrzehnte danach noch Erinnerungen daran haben. Zur Sammlung gehört auch eine Rezension aus der „Braunschweiger Zeitung“. Interessant: Der damalige Rezensent rechnete AC/DC dem Punkrock zu. Und die unfassbare Lautstärke nahm auch er mit auf. „Mancher war gezwungen, sich zwischendurch immer wieder die schmerzenden Ohren zuzuhalten.“ Bernd Schulz erinnert sich an seinen Kumpel Walter Büttner, der damals am Front of House, dem Ort für Licht- und Tontechniker, stand und ihm von einem aufgebrachten Fan erzählte, der wegen der lauten Musik fast schon handgreiflich wurde.

Bernd Schulz (rechts) und Walter Büttner waren bei dem AC/DC-Konzert 1977 in Braunschweig dabei.
Bernd Schulz (rechts) und Walter Büttner waren bei dem AC/DC-Konzert 1977 in Braunschweig dabei. © FMN | Privat

Und dann das damalige BZ-Zeugnis: „Die Australier fügen der Rockszene nichts wesentlich Neues hinzu.“ Im Anschluss ging es für die Musiker noch in Braunschweigs Innenstadt, doch da verlaufen sich die Spuren. Schulz war damals mit dem Abbau beschäftigt, Sperling zog mit seinen Jungs um die Häuser.

Der Konzertbericht aus der „Braunschweiger Zeitung“.
Der Konzertbericht aus der „Braunschweiger Zeitung“. © privat | Repro: Sperling

Während Schulz auf die „Power Up“-Rockshows verzichtet, hält Sperlings AC/DC-Fieber weiter an. Bei der diesjährigen Tour hat er sich Karten für ein Konzert auf Schalke gesichert.