Braunschweig. Der langjährige Chefchoreograph des Staatstheaters Braunschweig war ein respektierter Garant des klassischen Stils und Repertoires.

Die großen Klassiker des Ballettrepertoires hatte er alle im Programm: „Giselle“, „Romeo und Julia“, die drei Tschaikowsky-Märchen „Nussknacker“, „Dornröschen“, „Schwanensee“, aber auch Hans Werner Henzes zeitgenössische Komposition der „Undine“. Imre Keres, einst selbst Tänzer, leitete das Ballett des Staatstheaters Braunschweig 14 Jahre lang mit großem Publikumszuspruch. Und er übernahm auch alle Choreographien selbst. Am 9. Februar ist er im Alter von 93 Jahren in seinem Ruhesitz in Völkenrode verstorben.

Seine Frau Ulrike Keres kümmerte sich auch in den letzten Jahren einer schweren Krankheit um ihn. Sie hatte ihn schon als zwölfjährige Elevin im Ballett Wiesbaden kennengelernt, das Imre Keres auch 14 Jahre lang geleitet hatte, bevor er nach Braunschweig kam. 1969 haben sie geheiratet, sie tanzte auch hier in vielen seiner Choreographien.

Eigene Choreographien zu allen großen Ballett-Klassikern

Besonders in Erinnerung: „Die Spinne“, eine moderne Choreographie auf Musik des Neutöners Edgar Varèse, zu der Ulrike Keres und Jason Oliver eine hocherotische Geschichte von Verlockung, Liebesspiel und Tod mit teils fast akrobatischen Bewegungen ausführten.

Oder „Der wunderbare Mandarin“, Béla Bartóks großartige sogenannte Pantomime über einen keuschen Mandarin, der sich – noch über alle Misshandlungen – seinem Begehren an ein als Lockvogel missbrauchtes Mädchen hingibt. Hier bestach neben Ulrike Keres der sonstige Primoballerino Edgardo Lattes in kantiger Strenge. 1993, in Imre Keres’ letzter Saison am Staatstheater, haben die beiden dieses Erfolgsstück von 1982 sogar nochmal selbst getanzt.

Erotische Spannung zu Varèse und der „Spinne“

Diese Ausflüge ins Neoklassisch-Moderne waren Imre Keres‘ Spezialität, und doch blieb er immer der Klassiker, der seine Compagnie mit strenger Hand auf dem Niveau der klassischen Form zu halten suchte. „Maestro“ würden viele seiner ehemaligen Tänzer, die sich aus Anlass seines Todes gemeldet haben, noch immer respektvoll zu ihm sagen, berichtet Ulrike Keres, Premiers Danseurs wie Gesine Poussin, Leslie Carnegie, Mircea Suciu. Und auch bei den jährlichen Erinnerungstreffen in Wiesbaden, wohin sie wieder reisen werde, sei das immer der Fall.

Imre Keres, eigentlich Keresztes, war als Pfadfinder mit zwölf zum Volkstanz gekommen, begann mit 16 seine Ballettausbildung und bestand mit 19 sein Tänzerdiplom an der Budapester Akademie. 1956 floh er nach Paris, arbeitete dann als Tänzer in Hannover und wurde später Ballettdirektor in Lübeck. Als reifer Mann und eigentlich längst Choreograph ließ er sich die traditionelle Travestierolle der Witwe Simone im „Schlecht behüteten Mädchen“ nicht entgehen, und noch 1981 war er in seiner „Nussknacker“-Version in einer kleinen Rolle als Hauslehrer in Braunschweig zu erleben.

Als der neue Intendant Jürgen Flügge ihn 1993 nicht mehr verlängerte, war das das Ende der Ära des klassischen Balletts in Braunschweig. Wie zeitgleich an vielen deutschen Theatern. Andere Themen und andere Formen drängten auf die Bühne. Die Arbeit mit Gastchoreographen wurde üblich. Beides entsprach sicher nicht Keres’ Stil. Er hatte stets alle Stücke selbst choreographiert! Viele Zuschauer werden sich an zauberhafte Abende zwischen Varèses Spinnenbeinen und Tschaikowsky erinnern.