Braunschweig. Im Salon der Vulven war die Autorin Teresa Bücker mit ihrem Roman „Alle Zeit“ zu Gast. Darin spricht die Feministin über demokratische Teilhabe.

„Du bist vulvabar“, „fight the patri archy“ und „Pagina & Venis“ sind Aussprüche, die in der Ausstellung beim „Salon der Vulven“ im Aquarium im Kleinen Haus am Mittwochabend zu lesen sind. Designt hat die Plakate das feministische Frauenkollektiv „Wir sind valente“ aus Braunschweig.

Eingebunden sind darin auch Zitate aus dem Buch „Alle Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit“ von Teresa Bücker, die auf Einladung von den Initiatorinnen Türkân Deniz-Roggenbuck und Manja Liehr nach Braunschweig gekommen ist. Die 39-jährige Journalistin und Autorin hat 2022 ihr neuestes Werk veröffentlicht, das sie ein „Plädoyer für eine radikale Umverteilung von Zeit“ nennt.

Bevor sie aus Auszüge aus dem 400-seitigen Buch liest, gibt es an diesem Abend Musik und eine Aufforderung von Deniz-Roggenbuck: „Wir möchten, dass ihr euch so frei wie möglich bewegt. Wir experimentieren heute“, erklärt sie dem Publikum. Und damit sind auch Experimente mit der Zeit gemeint. Jeder könne sich Getränke holen, wann er möchte, und auch gehen wann er will. Bekannte Zeitstrukturen zählen an diesem Abend nicht, der auch dementsprechend lang wird.

Salon der Vulven: Organisiert haben ihn die Braunschweigerin Türkân Deniz-Roggenbuck (siehe Bild) und Manja Liehr.
Salon der Vulven: Organisiert haben ihn die Braunschweigerin Türkân Deniz-Roggenbuck (siehe Bild) und Manja Liehr. © Braunschweiger Zeitung | Bernward Comes

Zur Einstimmung auf die Lesung kommt ein Mann, Ioannis Kaklamanos, auf die Bühne und legt genüsslich eine Schallplatte auf. „I’m a high school lover and you’re my favourite flavour“ ertönt es aus den Boxen, während zum Seventies-Sound an die Wand projizierte Vulven tanzen. Er sitzt dabei auf dem Teppich, genießt kopfnickend die Musik, und geht nach Ende des Liedes wieder. Die Darbietung ist eine von zwei Performances im Aquarium an diesem Abend. Die zweite Mini-Inszenierung ist eine Tanzdarbietung von Alya Al-Kanani, die den von ihr kreierten „Flamenco-Punk“ aufführt. Dabei tanzt sie – passenderweise – um eine vergoldete Vulva aus Fimo-Masse herum, die von der freischaffenden Künstlerin Tanjowski gefertigt wurde. Leidenschaftlich und mit wilder Mähne zeigt Al-Kanani körperbetonten Ausdruckstanz. Eine schöne Idee!

Salon der Vulven: Hier Flamenco-Punk von Alya Al- Kanani.
Salon der Vulven: Hier Flamenco-Punk von Alya Al- Kanani. © Braunschweiger Zeitung | Bernward Comes

Mehr Kultur-Nachrichten aus Braunschweig:

Nach dem szenischen Einstieg in die Vulven-Soirée wird es ruhiger und nachdenklicher. Die Autorin, die eher schüchtern daherkommt, muss an eine Selbstpräsentation erinnert werden. Feministin, deutlich links. Und aus dem Wahlkreis von Friedrich Merz komme sie – lebe aber seit 20 Jahren in Berlin. In den darauffolgenden Stunden liest Brücker ruhig und in zurückgenommener Weise vor. Dabei könnte sie ruhig selbstbewusster auftreten: Ihre Biografie und die Journalistenpreise zeugen von Erfolg. Ihre Thesen sind wichtig und treffen den Nerv der Zeit, wenn sie im ersten Kapitel fragt: „Warum empfinden wir, dass die Zeit niemals reicht? Können Menschen diesem Gefühl entkommen, wenn sie Zeit managen und ihren Alltag optimieren?“ Und weiter: „Ist der gekonnte Umgang mit Zeit nur ein weiterer Skill, den man heute braucht?“ Selbstoptimierung als Druck, den vor allem junge Frauen spüren würden.

Bis in die Nacht wird bei diesem ersten analogen Salon der Vulven von Deniz-Roggenbuck und ihren Mitstreiterinnen diskutiert und philosophiert. Ein feministisches Format, dass nach Wiederholung schreit. Ob mit lauten oder leisen Ladys des zeitgenössischen Feminismus.

Mehr Premium-Inhalte unserer Zeitung für die Region Braunschweig-Wolfsburg:

Täglich wissen, was in der Region Braunschweig-Wolfsburg und der Welt passiert: Hier kostenlos für den täglichen Desk-Newsletter anmelden!Hier kostenlos für den täglichen Desk-Newsletter anmelden!

Salon der Vulven: Bis in die Nacht hinein diskutieren und philosophieren die Frauen rund um Autorin Teresa Bücker (mittig) an dem Abend.
Salon der Vulven: Bis in die Nacht hinein diskutieren und philosophieren die Frauen rund um Autorin Teresa Bücker (mittig) an dem Abend. © Braunschweiger Zeitung | Bernward Comes