Hannover. Das erste von fünf Helene-Fischer-Konzerten in der Hannoveraner ZAG-Arena – eine bombastische Show mit emotionalem Höhepunkt.

Man geht in dieses Konzert wie in einen Kino-Blockbuster. Es gibt Bier und Cola in 0,5-Liter-Bechern, manche nehmen sogar Popcorn mit in die Arena. Es gilt, eine Superheldin zu bestaunen: Helene Fischer, die Schlager-Überfliegerin, die noch kopfüber unter der Hallendecke baumelnd makellos aussieht und singt. Die drei Stunden energiegeladen tanzt, turnt und unterhält, ohne ein Zeichen der Erschöpfung, auch nach 38 ganz genau gleichen Shows, die sie auf ihrer aktuellen „Rausch“-Tour schon gespielt hat.

In Hannover gibt‘s die Konzerte Nummer 39 bis 43, Dienstagabend das erste. Mehr als 10.000 Fans sind in die ZAG-Arena geströmt, komplett ausverkauft ist sie nicht. Auch für die nächsten Auftritte bis Sonntag gibt es noch ein paar Karten. Und dennoch: Mehr als 50.000 Menschen insgesamt wollen Fischer allein in Hannover sehen.

Die Schlagerkönigin ist bei allen Megakräften und nahezu übermenschlichen Performance-Fähigkeiten eine Heldin alter Schule. Durchtrainiert, doch zugleich schlank und zart, zuweilen mit Erotik spielend, oft aber fast mädchenhaft anmutig. 1,58 Meter perfekte Schönheit, blond, langhaarig, frei von Mängeln und Kanten. Allerdings absolut unangefochten und stets die erste Dame unter mehr als 20 Tänzern, Akrobaten, Sängern und Musikern mindestens beiderlei Geschlechts.

Ein großer Teil auf Konzerten von Helene Fischer: die Akrobatik- und Tanz-Einlagen.
Ein großer Teil auf Konzerten von Helene Fischer: die Akrobatik- und Tanz-Einlagen. © Rüdiger Knuth

Ihre Inszenierung ist bombastisch, aber nicht geschmacklos. Die große Bühne mit verschiebbaren Elementen gehört den TänzerInnen und Körperkünstlern des Cirque du Soleil, gelegentlich auch der Band, die oft allerdings hinter einem riesigen Vorhang im Hintergrund verschwindet. Der wird mit gestochen scharfen Projektionen bespielt, zumeist gefälligen abstrakten Mustern und Illustrationen, keinen aufmerksamkeitsheischenden Filmchen – bis auf Live-Bilder der zierlichen Frontfrau, auf Riesengröße gezoomt, in anhimmelnder Untersicht zur Schlager-Göttin erhoben.

Helene Fischer: Überwältigende Inszenierung übertüncht Magerkeit der Texte

Das Überwältigende der Inszenierung, dieser Mix aus steter Aktion, eingängig wummernden Rhythmen, starken Lichteffekten, steht in bemerkenswertem Gegensatz zur musikalischen und textlichen Magerkeit der Fischerschen Schlagerhappen. Und überdeckt sie zugleich. Zeilen wie „Durch meine Venen fließt der Bass / hämmert gegen meine Sehnen / Auf das Leben ist Verlass / es hat noch viel zu geben“ oder „Reiß dich los / ich will schweben dir entgegen“ fallen in ihrer sinnbefreiten Unbeholfenheit gar nicht weiter auf. Um nicht zu sagen: „Denn egal, was passiert / Die Konstante seid ihr / Wir sind immer noch wir“.

Man bekommt das gar nicht mit, weil die Fischer, während sie das mit klarer, kräftiger, auch mal sanft vibrierender, jedenfalls ungeheuer ausdauernden Stimme singt, mit ihren Tänzerinnen durch riesige Reifen turnt, von scharlachroten Tuchstoffen umweht wird, mit den Füßen in die Achseln eines Akrobaten eingeklemmt von einem Trapez baumelt.

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Die 38-jährige Künstlerin wirkt trotz aller Anstrengungen gelöst und mit sich im Reinen. In einigen Moderationsblöcken plaudert sie eine ganze Menge, vermutlich dasselbe wie bei jedem Konzert, aber frei drauflos erzählt. „Ihr Lieben“, spricht sie ihr Publikum an, überwältigt von „so einer Freundlichkeit, die mir immer wieder entgegenkommt, wenn ich in eure freundlichen Gesichter blicke“. Sie lobt ihre Fans für ihre Toleranz und Vielfalt. So sonderlich divers schauen die allerdings nicht aus. Aber durchaus einverstanden, wenn die Fischer Kerstin Otts Queer-Hymne „Regenbogenfarben“ singt.

Erstes Hannover-Konzert: Nach ruhigem Mittelteil und Akustik-Medley folgt Party-Finale

Nach dem kräftig drauflos stampfendem Auftakt mit Hits wie „Genau dieses Gefühl“, „Herzbeben“ und „Mit keinem Andern“ folgt ein ruhigerer Mittelteil. Der emotionale Höhepunkt ist neben der Ballade „Wunder“ der ruhige Titel „Hand in Hand“. Bei ihrem jüngsten Album „Rausch“ habe sie erstmals selbst mit geschrieben, aus einem „dringende Bedürfnis heraus“, auch jenes Lied, „das einen Teil meiner selbst spiegelt“.

Es erzählt vom Silbereisen-Aus und ihrer neuen Liebe Thomas Seitel, dem Artisten, der dabei, sich mit einem Arm an ein Seil klammernd, sie mit dem anderen hält. So schweben sie beide über der Bühne, sie natürlich singend. „Wie oft wollte ich Glut / doch war da nichts mehr als Asche? / Wie oft war ich doch dankbar für all das Gute, was ich hatte? / Die Gedanken kaum still / meine innre Stimme laut / Ich hab gewartet, jetzt weiß ich, worauf.“

Im zweiten Teil gibt es dann noch ein akustisches Hit-Medley und schließlich den Partyteil mit „Atemlos durch die Nacht“, Helene einmal mehr artistisch herumgewirbelt, „Liebe ist ein Tanz“ und „Achterbahn“ mit Funkenfontainen und Konfettiwirbel. Gut drei Stunden fulminante Unterhaltung, zwei Zugaben. Die Leute gehen zufrieden und beeindruckt nach Hause. Helene ist und bleibt ihre Superheldin.

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