Braunschweig. In eindrucksvollen Bildern zeigt die Wanderausstellung der National Geographic Society, wie es dazu kam, dass Kunststoffe den Planeten ersticken.

Plastik tötet. Etwa den jungen Laysan-Albatross, der an einem hawaiianischen Strand verendete. Er war verhungert, obwohl sein Magen randvoll war: mit Plastikmüll. Sogar Feuerzeuge fanden sich darunter.

Laysan-Albatrosse sind potenziell vom Aussterben bedroht. Wie so manche Elefanten-Art. Bei den friedlichen Schwergewichten war das schon vor 150 Jahren so. Der Grund: Elfenbein. Kämme, Schmuckstücke oder auch Klaviertasten wurden daraus hergestellt. Und Billardkugeln. Bis ein New Yorker Produzent 10.000 Euro für den auslobte, der ein Ersatzprodukt erfand. Der Tüftler John Wesley Hyatt schuf daraufhin das neue Material Zelluloid aus Zellulose, einem pflanzlichen Polymer.

Wie Plastik erfunden wurde, um Elefanten zu retten

Polymere sind kettenartige Molekül-Verbindungen. Anfang des 20. Jahrhunderts gelang es Wissenschaftlern, beim Raffinerieprozess von Erdöl neue, künstliche Polymere zu erschaffen, die sich beliebig formen lassen. So wurden Kunststoffe erfunden – ursprünglich, wenn man so will, um Elefanten zu retten.

Heute droht Plastik unser Ökosystem abzuwürgen. Vor allem Meerestiere sind akut bedroht. Warum, wie, und was man vielleicht dagegen tun kann, zeigt die neue Schau „Planet or Plastic“ im Naturhistorischen Museum Braunschweig. Sie besteht im Wesentlichen aus eindrucksvollen, großformatigen Fotos und Erklärtafeln und ist eine Wanderausstellung der US-amerikanischen National Geographic Society.

Der Siegeszug des Wegwerf-Lebensstils

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Produktion von Plastikprodukten so richtig Fahrt auf. Eine Aufnahme aus dem „Life“-Magazin von 1955 zeigt eine junge Familie, die mit Plastiktellern, -besteck, -blumen, -tüten usw nur so um sich wirft. Der zugehörige Artikel „Throwaway Living“ feiert die Erleichterung von Hausarbeit durch den Siegeszug von Wegwerfartikeln.

Natürlich ist nicht alles Schund, schlecht und überflüssig, was aus Plastik hergestellt wird. „Ohne Kunststoffe wären moderne Medizin, Raumfahrt, Lebensmittelproduktion und -verteilung nicht denkbar“, sagt Dr. Mike Reich, Direktor des Naturhistorischen Museums. Auch in der Automobilindustrie würden immer mehr Kunststoffe verwendet – und sparten Abgase ein, weil sie leichter sind als Metall.

Deutschland rühmt sich seiner Fortschritte

Nur: Wohin damit, wenn sie ausgedient haben? Denn ein Problem von Polymerverbindungen ist ihre Langlebigkeit. Rund 450 Jahre dauert es, bis Plastik in seine Molekülbestandteile abgebaut wird. „Seit den 1950er Jahren sind weltweitmehr als 6,3 Milliarden Tonnen Plastikmüll angefallen. Nur rund 9 Prozent davon wurden recycelt“, konstatiert Reich.

Deutschland rühmt sich seiner Fortschritte im Kampf gegen die Plastikflut. Gut 6 Millionen Tonnen Kunststoff sind laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2019 produziert worden. 99,4 Prozent aller gesammelten Abfälle seien verwertet wurden. Mehr als die Hälfte davon wurden allerdings nicht recycelt, sondern in Müllverbrennungsanlagen „energetisch verwertet“. Die Zahl des ins Ausland exportierten Plastikmülls sei auf gut 750.000 Tonnen zurückgegangen.

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USA: Recyclingquote unter zehn Prozent

In den USA liegt die Recyclingquote dagegen immer noch unter zehn Prozent. Im Jahr 2016 seien dort rund 42 Millionen Tonnen Plastikmüll zusammengekommen – „übrigens doppelt so viel wie in China“, bemerkt Reich.

Allerdings zeigt eine Infotafel, dass vor allem aus Flüssen in Asien, Südamerika und Westafrika gewaltige Mengen Kunststoffabfälle in die Ozeane gespült werden. Die verheerenden Auswirkungen dokumentiert die Schau in eindrucksvollen Fotos: Der Strand der unbewohnten (!) Henderson-Koralleninsel im Südpazifik wird weitgehend von Plastikmüll verdeckt. Hoffnungslos hat sich eine Karettschildkröte vor der Küste von Spanien in einem Fischernetz verheddert.

Die Schau erhellen aber auch ein paar Lichtblicke. Etwa die solarbetriebenen Maschinen des Erfinders Arthur Huang, die Plastikmüll zu Bauteilen recyceln, mit denen sich Wände und Bodenfliesen herstellen lassen. Eigentlich habe man die Ausstellung auch um regionale Aspekte ergänzen wollen, sagt Museumsdirektor Mike Reich. Aber das sei mit den Vorgaben und Leihbedingungen der National Geographic Society nicht vereinbar gewesen. Nun sei im Spätsommer ein Begleitprogramm geplant, mit Aktionen wie einem Müllsammeltag und einem Fotowettbewerb zum Thema Plastikmüll in der Region.

Bis 5. November, Di.-So. 9-17, Mi. 9-19 Uhr. Eintritt 9, Kinder bis 17 4 Euro.