Braunschweig. Beim Sommerfestival treten große Namen der Pop-Szene auf – zum Einheitspreis von 25 Euro. Andere Veranstalter sehen ihre Geschäftsgrundlage bedroht.

Für die Musikfans der Region – gerade für die mit einem kleineren Budget – war es letzte Woche eine tolle Nachricht: Die Autostadt holt im Juli und August 22 deutsche und internationale Stars nach Wolfsburg. Und verkauft die Tickets spektakulär günstig zum Einheitspreis von 25 Euro.

Super für die Gäste – aber was sagen andere Veranstalter der Region dazu, die für vergleichbare Konzerte mit Ticketpreisen kalkulieren, die mehr als doppelt so hoch liegen?

Ein Beispiel: Am 20. August geben Die Fantastischen Vier das letzte Konzert des Autostadt-Sommerfestivals. Ihre 25-Euro-Show war schnell ausverkauft. Zeitgleich tritt im Braunschweiger Raffteichbad der Rapper Cro auf und am Goslarer Rammelsberg die populäre Metalband Beyond the Black. Hier kosten Karten 70 bzw. 42 Euro – ungleiche Voraussetzungen im Wettbewerb um Besucher.

Undercover: Wir sind jedem Fan dankbar für den Ticketkauf zu marktüblichen Preisen

Michael Schacke, Chef des größten Braunschweiger Veranstalters Undercover, bleibt in seinem Statement dennoch gelassen. „Cro wird in der nächsten Woche mit 8500 Besuchern ausverkauft sein, und wir sind jedem Fan dankbar für den Ticketkauf zu den bundesweit marktüblichen Preisen“, erklärt er auf Anfrage unserer Zeitung.

Das Team des Goslarer Veranstalters Miner’s Rock hofft dagegen sehr, für Beyond the Black noch einige hundert Tickets zu verkaufen. Anders als bei den Konzerten des Autostadt-Sommerfestivals läuft der Vorverkauf für beide Shows übrigens schon seit Monaten.

Für zwei weitere Open Airs, mit der Rammstein-Coverband Völkerball (18. August) und Wolfgang Niedeckens BAP (19. August) gingen die Tickets ordentlich weg, sagt Miner’s-Rock-Geschäftsführer Christian Burgart. Aber zurücklehnen könne man sich noch nicht. „Wenn die Autostadt das Konzept des Sommerfestivals künftig jedes Jahr durchzieht, ist sie in ein paar Jahren vielleicht der einzige Veranstalter der Region“, meint Burgart.

Finanzielle Rückendeckung des VW-Konzerns

Er sagt das ganz ruhig, ohne Schaum vorm Mund. „Klar, als Konzertbesucher würde mich das Angebot der Autostadt auch freuen. Wenn man beispielsweise mit der Familie ein Konzert zu normalen Preisen anschauen und noch etwas trinken und essen will, geht das schon ins Geld.“

Aber ohne die finanzielle Rückendeckung des VW-Konzerns könne man solche Preise eben nicht bieten. Zumal Kosten für Infrastruktur, Techniker und Helfer seit dem Corona-Knick, aber auch wegen des Mindestlohns deutlich gestiegen seien.

Immerhin sind Burgart und sein Team auf einen nennenswerten Gewinn nicht angewiesen. „Wir betreiben Miner’s Rock nebenberuflich, aus Leidenschaft. Mehr als eine Aufwandsentschädigung kommt nicht heraus – wenn es gut läuft“, so der 40-Jährige, der hauptberuflich für eine Helmstedter Wirtschaftsfördergesellschaft arbeitet.

Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar:

Konzerte sollten kein Hauptgeschäft der Autostadt werden

Paul Kunze: Extrem undankbare Ausgangslage

Der Braunschweiger Paul Kunze will und muss dagegen vom Erlös der Veranstaltungen seiner Applaus-Kulturproduktionen leben und fünf Angestellte bezahlen. Er rechnet mal grob vor, wie Ticketpreise kalkuliert werden: „15 bis 20 Prozent des Umsatzes bekommen die Ticketagenturen und Vorverkaufsstellen. Etwa 6 bis 9 Prozent – je nach Veranstaltungsgröße – die Gema. Von der verbleibenden Summe muss man die Kosten für Miete, Infrastruktur, Technik, Personal abziehen. Und natürlich die Künstler-Gage. Im Wolters-Applaus-Garten haben wir 500 Plätze. Verkaufen wir bei einem bekannten Künstler gut 400, sind die Kosten in der Regel gedeckt. Dann beginnen wir zu verdienen.“ Allerdings, räumt Kunze ein: Der Sponsor Volksbank-Brawo federe Verlustrisiken ab.

Zur den Kampfpreisen der Autostadt sagt Kunze bündig: „Für alle, die vom Veranstalten leben müssen, ist diese Ausgangslage extrem undankbar.“

Michael Schacke: Festival-Zeitraum verkürzen

Michael Schacke von Undercover holt etwas weiter aus: „Die Autostadt präsentiert ja seit mehr als 20 Jahren Livekultur zu vergünstigten Preisen, wenn auch nicht in der Intensität wie in diesem Jahr.“ Sie habe „offenbar gute Gründe für diese (Marketing-)Investitionen“.

Immerhin sei bei den Subventionen kein Steuergeld im Spiel. „Als seit 33 Jahren in der Region verwurzelter Veranstalter stellen wir uns diesem ambitionierten Wettbewerb seither und suchen nach Möglichkeit auch die Kooperation.“ Bei vier Konzerten des Sommerfestivals sei man mit eigenen Acts beteiligt.

Dennoch sagt auch Schacke: „Wir wären natürlich froh, wenn die Anzahl der Shows in der Autostadt eher sinken, der Zeitraum verkürzt und abgestimmt würde und die Preise tendenziell steigen würden.“

Beate Wiedemann: Dumping-Preise auch für Künstler problematisch

Kritisch, aber gelassen äußert sich Beate Wiedemann, Veranstalterin des Braunschweiger Festivals „Kultur im Zelt“. Sie findet die „Dumpingpreise“ auch für die Künstler problematisch. „Ein Bäcker verkauft seine Brötchen ja auch nicht für fünf Cent.“ Anderswo müssten die Fans das Dreifache für denselben Star hinlegen.

Zudem sei die Atmosphäre bei Shows, die sich nicht zuletzt wegen des Schnäppchen-Charakters füllten, eine andere als bei anderen Konzerten. „Die Intensität ist nicht vergleichbar“. Genau deshalb mache sie sich aber auch wenig Sorgen um ihr „Kultur im Zelt“-Festival. Zumal der Träger ein Verein sei, der ohnehin keine nennenswerten Gewinne machen dürfe.

Die Autostadt argumentiert mit Familienfreundlichkeit

Und was sagt die Autostadt zu ihren Ultragünstig-Preisen? Sprecher Eric Felber argumentiert vor allem mit „Familienfreundlichkeit“: „Uns ist wichtig, dass sich möglichst viele Menschen ein Festivalerlebnis in der Autostadt leisten können. Denn sie ist ein Ort für die ganze Familie mit einem vielfältigen Angebot, das über die Auftritte der Musik-Acts hinausgeht. Aus diesem Grund unterscheidet sich unsere Preisgestaltung von der reiner Konzertveranstalter.“

Felber hebt hervor: „Wir machen bei der Preisgestaltung keinen Unterschied, ob es sich um einen Weltstar handelt oder einen regionalen Act: Alle Festivaltickets für Konzerttage sind zu denselben Konditionen erhältlich.“

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