Braunschweig. Zwei Blumenläden in dichter Nachbarschaft. Die Jung-Unternehmerinnen in Querum setzen auf gegenseitigen Respekt und Unterstützung.

Floristin – für die einen ein Traumberuf, andere schmeißen schon nach wenigen Jahren entnervt hin. Auf der Plusseite stehen Kreativität, der Umgang mit schönen Pflanzen und Blumen, die (meist freundliche) Begegnung mit Menschen. Auf der Minusseite stehen die mitunter langen Arbeitszeiten, der Einsatz am Wochenende und an den Feiertagen, die körperliche Belastung durch langes Stehen, Kälte und Feuchtigkeit, das meist nicht so üppige Gehalt.

In Querum gibt es seit relativ kurzer Zeit gleich zwei Unternehmerinnen, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz mit je einem Blumenladen selbstständig gemacht haben. In fast direkter Nachbarschaft: Nico's Blumenwelt an der Bevenroder Straße 130 und die Blumenmanufaktur Im Fischerkamp 1.

Manuela Knopf-Zager ist die Chefin in der Querumer Blumenmanufaktur.
Manuela Knopf-Zager ist die Chefin in der Querumer Blumenmanufaktur. © Bernward Comes

Nicole Wieczorek, Chefin in Nico's Blumenwelt, hatte gar nicht vor, sich selbstständig zu machen. Gemeinsam mit Franziska Kohnert schmissen die beiden Floristinnen als ziemlich beste Freundinnen und Kolleginnen (und über drei Ecken inzwischen sogar verwandt) das Blumengeschäft von Martin Behme an der Querumer Straße. „Der Chef war Gärtner und hat vor allem Grabpflege übernommen“, erzählt Nicole Wieczorek, „da war er viel unterwegs.“

Die beiden Frauen organisierten das Ladengeschäft. Einkauf, Dekoration, Beratung – sie hatten freie Hand und volles Vertrauen. 28 Jahre lang war das ihr Berufsleben. Dann erklärte Martin Behme, dass er in den Ruhestand geht und das Geschäft schließt.

Nicole Wieczorek (rechts) und Franziska Kohnert betreiben Nico's Blumenwelt an der Bevenroder Straße in Querum.
Nicole Wieczorek (rechts) und Franziska Kohnert betreiben Nico's Blumenwelt an der Bevenroder Straße in Querum. © Bernward Comes

Ein Schock für die beiden Floristinnen. Nicole Wieczorek ließ sich vom Arbeitsamt freie Stellen nennen, zog los, stellte sich vor. „Jedes Mal, wenn sie zurückkam, sah ich schon an ihrem Gesicht: Das kommt nicht in Frage“, erinnert sich Franziska Kohnert noch genau an die Zeit der Suche, „und wenn es für Nicole nicht in Frage kommt, war mir klar, da brauche ich gar nicht erst hinzugehen.“

Der Sprung ins kalte Wasser: Eröffnung mitten im Lockdown

Sie spielten mit dem Gedanken, sich selbstständig zu machen. „Wir hörten, dass die Betreiber der Kornblume in Querum ebenfalls in den Ruhestand gehen“, erzählt Nicole Wieczorek. Und dann der Sprung ins kalte Wasser: Eröffnung von Nico's Blumenwelt am 4. Februar 2021, mitten im Lockdown. Mit 15.000 Euro Kredit aus der Verwandtschaft.

Familie und Freunde waren eingespannt, haben renoviert, gemalt, gebaut. „Wir sind gestartet mit Blumen to go durch die Eingangstür“, erzählen sie, „Sektempfang ging ja nicht, stattdessen gab es kleine Röschen und Glückskekse.“

Nicole Wieczorek ist die Inhaberin, Franziska Kohnert ihre Angestellte. Auf dem Papier. Im wirklichen Leben sind sie ein Team. Chefin Nicole fährt morgens in den Großmarkt, dazu gibt es ständig frische Lieferungen vom Holländer. Jeden Tag wird der „Papierkram“ sorgfältig erledigt. „Wir lassen keine Berge wachsen, sagen sie, „die Zeit hängen wir abends noch dran.“

Meinungsverschiedenheiten gibt es nie? „Nicht wirklich“, erzählt Franziska Kohnert, die verheiratet und Mutter eines Sohnes ist. Sie hat einen anderen Blick auf Trockenblumen als ihre Chefin. „Ich mag das“, lacht sie, „und dekoriere auch gern mal damit. Da guckt Nicole meist ein bisschen sparsam.“

Franziska Kohnert und Nicole Wieczorek lieben es gemütlich und natürlich.
Franziska Kohnert und Nicole Wieczorek lieben es gemütlich und natürlich. © Bernward Comes

Aber meist sind sie sich einig. Eher gemütlich als modern, eher Holz als Stahl, eher Natur als Plastik. Das ist in Nico's Blumenwelt schön zu sehen. Es läuft, der Plan hat funktioniert. „Unsere Stammkundschaft aus dem Laden in Gliesmarode ist mitgekommen“, freuen sich die beiden.

Der zweite Start mit einem Blumengeschäft ­– Und dann kommt Corona

Vermutlich auch ein Grund, warum es mit der Nachbarschaft so gut klappt. Denn nur zweimal um die Ecke betreibt Manuela Knopf-Zager ihre Blumenmanufaktur. Sie hat im August 2018 eröffnet. „Ich wohne seit 30 Jahren in Querum, ich wusste, dass es hier noch Bedarf gibt“, erzählt sie von ihren Überlegungen.

Nach Jahren im Angestelltenverhältnis war sie schon einmal selbstständig. Sieben Jahre lang, ebenfalls in Querum, am Westfalenplatz. Aber als ihre Tochter Marie Sophie geboren wurde, kam sie an ihre Grenzen. Erst recht, als die Ehe zerbrach. „Selbstständig mit einem Blumenladen und alleinerziehend, das geht nicht“, weiß sie heute.

Die ersten drei Jahre waren schwierig für Mutter und Kind. Dann zog sie die Reißleine. Geschäftsaufgabe und verschiedene Jobs. Bis sie in ihrem Beruf eine Anstellung bei La Flora in Volkmarode bekam. „Da war ich 15 Jahre lang, das war eine gute Zeit“, blickt sie zurück.

Sie heiratete ein zweites Mal und bekam ein zweites Kind. Sohn Sky. Als der aus dem berühmten Gröbsten raus war, wagte Manuela Knopf-Zager noch einmal den Sprung in die Selbstständigkeit. „Ich wohne seit 30 Jahren in Querum, ich bin hier verwurzelt“, erzählt sie, „mir war klar: wenn, dann nur hier.“ Und dann sah sie den leeren Laden Im Fischerkamp.

Das Ladengeschäft Im Fischerkamp hat Manuela Knopf-Zager sofort begeistert.
Das Ladengeschäft Im Fischerkamp hat Manuela Knopf-Zager sofort begeistert. © Bernward Comes

Und legte los. Auch sie startete mit geliehenem Geld. Auch bei ihr halfen Freunde und Verwandte. Sie war inzwischen wieder alleinerziehend, aber diesmal war es einfacher. Der Junge war schon 9. „Und ich hatte alles durchgeplant für ihn und mich“, erzählt Manuela Knopf-Zager, „bis 16 Uhr Schule in Volkmarode, anschließend noch zwei Stunden bei mir im Laden.“

Die Corona-Sorgen – und jetzt kommt auch noch die Energiekrise knüppeldick

Dann kam Corona. Lockdown. Schule dicht. „Wochenlang saß Sky hier im Nebenzimmer, Online-Unterricht und Hausaufgaben, alles hier nebenan“, sagt sie. „Und ich war da, wo ich schon mal war: Ich hatte wieder ein schlechtes Gewissen. Sky ist sehr oft zu kurz gekommen. Er hat nicht gemuckt, alles ertragen, mir sogar noch geholfen. Die Kinder haben Corona bezahlt, das ist mir wichtig zu sagen“, fügt sie dazu.

Das Geschäft lief bis auf wenige Wochen weiter. „Alles über WhatsApp“, sagt die Inhaberin, „wir haben kontaktlos kommuniziert. Meine Kunden und Nachbarn waren eine große Stütze für mich“, erzählt sie dankbar, „alle boten ihre Hilfe an.“

„Und auch meine Vermieterin ist großartig“, erzählt sie, „ich hatte Narrenfreiheit.“ Das Gartengrundstück nebenan hatte sie schon vorher hübsch bepflanzt, jetzt wurde noch eine kleine Hütte gezimmert, in der die bestellte Ware übergeben werden konnte. Charmante Notlösung, die bis heute steht.

Die „Corona-Hütte“ steht noch vor dem Blumengeschäft. Sicher ist sicher.
Die „Corona-Hütte“ steht noch vor dem Blumengeschäft. Sicher ist sicher. © Bernward Comes

Gerade läuft es wieder gut. Unter der Pandemie sind die Sträuße etwas üppiger geworden. „15 bis 20 Euro im Schnitt“, sagt Franziska Kohnert, „davor waren es 8 bis 10 Euro.“

„Bis zur nächsten Krise“, befürchtet Manuela Knopf-Zager mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen. „Bei Corona konnten wir Floristinnen uns wenigstens noch kreativ dagegenstemmen, aber diesmal befürchte ich, dass bei einem Energiemangel irgendwann einfach keine Waren mehr geliefert werden. Ich habe jetzt schon sechs bis sieben verschiedene Lieferanten, um immer das zu bekommen, was ich möchte.“

Kann man den Beruf der Floristin empfehlen? „Du musst zäh sein“, sagen sie

Die beiden Nachbar-Blumenläden sprechen ihre Ferienzeiten miteinander ab, sie haben sich auch schon mit Ware ausgeholfen. „Wir sitzen doch alle im gleichen Boot“, sagt Manuela Knopf-Zager, „mit Franziska Kohnert bin ich sogar zusammen zur Berufsschule gegangen.“

Und was sagen die drei dem möglichen beruflichen Nachwuchs? Ist Floristin ein Beruf, den sie empfehlen?

„Du musst zäh sein“, sind sie sich einig, „lange Arbeitszeiten, vor allem an Wochenenden und Feiertagen gehören dazu.“ „Brückentage kennen wir nicht und Work-Life-Balance auch nicht“, lachen sie. „Wir können davon leben“, sagen sie einhellig, „doch reich wirst du hier nicht.“

Aber sie sprechen auch von den schönen Seiten: Von traumhaften Hochzeitssträußen, von Themenbouquets in Blau-Gelb für einen Eintrachtfan, von Verzierungen mit Kochlöffeln, Schnapsflaschen oder Pralinen. Und vom Trost, den gut gemachte Trauerfloristik spenden kann: „Das ist sehr bewegend, wenn die trauernden Menschen beim Anblick der Blumen lächeln.“

Lesen Sie auch:

Braunschweiger Läden- Harzer Wurst füllt eine Nische

„Café am Nibelungenplatz“ in Braunschweig schließt nach 13 Jahren

Eine Holländerin in Braunschweig mit Vorliebe fürs Handwerkliche

Braunschweigs Café Schmidt- Hier versüßen auch Kakadus den Tag

Braunschweigs Ringgebiet lockt Neu-Unternehmerin

Lesen Sie hier alle Folgen der Serie "Braunschweigs kleine Läden":