Braunschweig. 185 Beschäftigte sind betroffen, Oberbürgermeister spricht von einer „Zäsur“. Bundesweit setzt Galeria zum Kahlschlag an, 52 Häuser sollen schließen.
Galeria Karstadt Kaufhof in Braunschweigs Innenstadt schließt Ende Januar 2024. Das teilte das insolvente Unternehmen am Montag mit. Damit macht das letzte Warenhaus in unserer Region seine Pforten dicht. Betroffen sind von der Schließung nach aktuellen Angaben der Gewerkschaft Verdi rund 185 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und wohl die gesamte Innenstadt, die einen Einkaufsmagneten verliert.
52 Filialen bundesweit betroffen
Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende Oktober zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren Rettung in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren gesucht. Als Grund für die bedrohliche Lage nannte das Unternehmen, das zur Signa-Gruppe des österreichischen Milliardärs René Benko gehört, die explodierenden Energiepreise und die Konsumflaute in Deutschland.
Deutschlandweit sollen nun 52 der noch 129 verbleibenden Kaufhäuser in zwei Wellen schließen, teilte Galeria am Montag mit. Die Bekanntmachung, welche Standorte schließen sollen, war seit Wochen erwartet worden. Das Aus dutzender Häuser betrifft laut Galeria 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Filialen. 300 Stellen sollen zudem in der Essener Galeria-Verwaltung und im Service-Bereich wegfallen. 77 Filialen und 11.000 Arbeitsplätze sollen bestehen bleiben.
Niedersachsen stark betroffen
Allein in Niedersachsen schließen mit Braunschweig, Oldenburg und Hildesheim drei Häuser, ein weiterer großer Standort zudem in Bremen. Bestehen bleiben die Galeria-Standorte in Goslar, Göttingen, Hannover und Lüneburg. Sie sollen in den kommenden drei Jahren umfassend saniert werden, kündigte das Unternehmen an. Die übrigen 77 Galeria-Standorte sollen ein Sortiment bekommen, das „stärker auf die lokalen und regionalen Bedürfnisse ausgerichtet ist“, erklärte die Warenhauskette in einer Mitteilung. Die Filialen sollen dafür mehr Eigenständigkeit und Entscheidungsgewalt bekommen. Es solle zudem eine „kundenfreundliche Verzahnung von Mobile-, Online- und Filialkaufmöglichkeiten“ geben, hieß es von Galeria.
Lesen Sie außerdem:Aus für Karstadt in Braunschweig – so reagiert die Stadt
Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) sprach von einer „Zäsur“ und zeigte sich enttäuscht von der Ankündigung des Unternehmens. „Wir haben das Gespräch mit dem Galeria-Konzern gesucht und auf die positive Entwicklung der Passantenfrequenzen und die zahlreichen Maßnahmen zur Belebung unserer Innenstadt aufmerksam gemacht. Es ist sehr enttäuschend, dass das Unternehmen nicht am Standort Braunschweig mit seinem großen Einzugsgebiet innerhalb der Region festhält“, erklärte Kornblum.
Brawo machte große Zugeständnisse bei Miete
Die Volksbank Braunschweig-Wolfsburg (Brawo) ist Eigentümerin und Vermieterin der Galeria-Immobilie – und deutliche Kritikerin des Galeria-Unternehmens. Sie erklärte am Montag, dem Warenhaus-Unternehmen „aufgrund der hohen Bedeutung dieses Standorts für die Innenstadt und den lokalen Einzelhandel“ ein neues Angebot gemacht zu haben. Dieses Angebot habe eine Reduktion des Mietzinses – also der Miete – von über einem Drittel beinhaltet sowie zusätzliche Instandsetzungszusagen in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro. „Damit sind wir einen sehr großen Schritt auf den Mieter zugegangen“, sagte ein Brawo-Sprecher. „Aus unserer Sicht ist der Standort Braunschweig, mit nur noch einem Kaufhaus, in Verbindung mit unserem deutlichen Entgegenkommen hundertprozentig für den Fortbetrieb des Mieters geeignet“, erklärte er weiter.
Lesen Sie mehr:
- P&C meldet Insolvenz an – Braunschweig und Peine nicht betroffen
- Zahl der Leerstände in der Braunschweiger Innenstadt ist gesunken
- Discounter plant 2000 Filialen- Konkurrenz für Kik und Tedi?
Laut Oberbürgermeister Kornblum bedeutet das Galeria-Aus für die Einkaufsstadt einen „drastischen Einschnitt“. Tatsächlich schloss 2020 schon der „Kaufhof“ am Braunschweiger Bohlweg und steht seitdem leer. 2021 wurde die Karstadt-Filiale im Gewandhaus dicht gemacht und ist seitdem ungenutzt. Letzten Sommer verabschiedete sich die Karstadt-Lebensmittelabteilung im Untergeschoss des jetzt von der Schließung betroffenen letzten Standorts. „Unsere Innenstadt verändert ihr Gesicht“, sagte Kornblum und gab sich zugleich zuversichtlich: „Zusammen mit vielen engagierten und kreativen Köpfen haben wir bereits zahlreiche Maßnahmen initiiert und gezeigt, dass wir den Strukturwandel aktiv mitgestalten und mit neuen Konzepten die Aufenthaltsqualität und Anziehungskraft unserer Innenstadt stärken können“, sagte er.
Verdi: Schlag ins Gesicht
Verdi kritisierte die Schließungen als „Schlag ins Gesicht der Betroffenen“. In Niedersachsen und Bremen schlössen fünf Häuser mit über 630 Beschäftigten. „Die Mitglieder der Verdi-Bundestarifkommission und die Betriebsräte haben nichts unversucht gelassen, um das Schlimmste noch zu verhindern“, sagte Sabine Gatz vom niedersächsischen Landesbezirk der Gewerkschaft. „Die Fehler sind hausgemacht, die Corona-Krise wirkte dabei als Brandbeschleuniger“, erklärte Gatz.
Der Insolvenzverwalter und Galeria-Generalbevollmächtigter Arndt Geiwitz erklärte laut Mitteilung: „Das ist zweifellos heute für uns alle ein schwerer Tag.“ Und weiter: „Wir haben in den vergangenen Wochen intensiv um jeden einzelnen Standort gerungen und sind in harte interne wie externe Gespräche gegangen.“ Das Warenhaus-Unternehmen bräuchte insgesamt eine höhere Flächenproduktivität. Die verbleibenden Filialen hätten eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive, betonte der Verwalter.
Handels-Professor Hurth: Mit Schloss-Arkaden begann das Ende
Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Niedersachsen-Bremen, erklärte, die Schließung des Warenhauses zehre auch an der Konstitution des übrigen stationären Einzelhandels. Es sei eine schwierige Situation für die Innenstadt und den Einzelhandel. Laut Handels-Professor Joachim Hurth von der Ostfalia ist die Schließung auch eine Spätfolge der Eröffnung der Schloss-Arkaden. „Der Umsatz der Warenhäuser wird heute oft in den Shopping-Centern gemacht“, sagte Hurth.
Karstadt in Braunschweig – Erinnerungen in Schwarz-Weiß
Galeria will den Mitarbeitenden anbieten, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, in der sie sich weiter qualifizieren können sollen. Die Gewerkschaft Verdi kündigte Unterstützung für die betroffenen Beschäftigten an mit Infoveranstaltungen und Rechtsberatungen. Außerdem will die Gewerkschaft „weiter für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze kämpfen“. Gibt es also noch Hoffnung für einzelne Standorte?
Am Dienstagmorgen gibt es eine weitere Betriebsversammlung für die Beschäftigten von Galeria in Braunschweig. Danach öffnen sich die Glastüren des Warenhauses zunächst wieder für die Kunden.