Braunschweig. Jetzt steht es fest: Bis Ende Januar 2024 schließt das Karstadt-Haupthaus in Braunschweig. So reagieren Politik, Gewerkschaft und Bewohner.
Der Schock sitzt tief: Das Kaufhaus Galeria Karstadt Kaufhof in der Schuhstraße in der Braunschweiger Innenstadt schließt seine Pforten endgültig. Bis Ende Januar 2024 soll der Betrieb noch laufen – dann ist für immer Schluss. Das gab die Konzernleitung am Montag bekannt.
OB von Braunschweig sieht Zäsur
Die Entscheidung des Konzerns Galeria rief eine Reihe von Reaktionen hervor. Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) sprach von einer Zäsur: „Für die Einkaufsstadt Braunschweig, für unsere Innenstadt und insbesondere für die vielen Beschäftigten bedeutet diese traurige Nachricht einen drastischen Einschnitt“, so der OB.
In Braunschweig ende damit innerhalb weniger Jahre eine Ära. „Der Verlust dieses zentralen Ankers unserer Innenstadt so kurz nach der Schließung der Häuser am Bohlweg und am Gewandhaus macht deutlich, wie dynamisch der Strukturwandel im Handel und in den Innenstädten voranschreitet.“
Vergeblich habe die Stadt Gespräche mit dem Galeria-Konzern gesucht und auf die positive Entwicklung der Passantenfrequenzen und die zahlreichen Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt aufmerksam gemacht: „Es ist sehr enttäuschend, dass das Unternehmen nicht am Standort Braunschweig mit seinem großen Einzugsgebiet innerhalb der Region festhält“, so Kornblum.
Verdi Niedersachsen: „Ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen“
Deutliche Worte fand auch die Gewerkschaft Verdi in Niedersachsen: „Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle betroffenen Kolleginnen und Kollegen“, sagt Verdi-Landesfachbereichsleiterin Sabine Gatz in einer Presseerklärung. Verdi kritisiert, dass in Niedersachsen an gleich fünf Standorten und nach mehr als 18 Jahren der Sanierung die Existenzen von mehr als 630 Beschäftigte auf dem Spiel stünden. Davon etwa 185 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Braunschweig.
Die Gewerkschaft kündigte an, alles dafür zu tun, den Beschäftigten in dieser Situation zu helfen. Für die Gewerkschafterin Gatz sind die Fehler, die zur aktuellen Lage geführt habe, hausgemacht. Management um Management habe sich bei dem Konzern die Klinke in die Hand gegeben. Das durch die Verdi-Bundestarifkommission und die Betriebsräte geforderte Zukunftskonzept für den Verbleib der restlichen Warenhäuser wurde von der Unternehmensleitung verschleppt: „Und schon wieder zahlen die alleinerziehende Verkäuferin und die Familienväter mit ihren geringen Einkommen für die Fehler des Managements“, so Gatz.
Mitglied des Bundestages: „Echter Schlag“
Für Carsten Müller (CDU), Mitglied des Bundestages aus dem Wahlkreis Braunschweig, stellt die Entscheidung des Galeria-Konzerns ebenfalls eine Enttäuschung dar. In einer Mitteilung schreibt er am Montagnachmittag: „Für mich als Braunschweiger, der auch in der Innenstadt aufgewachsen ist, ist die nun bekannt gewordene Schließung des dritten von drei ursprünglichen Karstadt-Häusern in Braunschweig ein echter Schlag. Doch ganz besonders hart sind die heutigen Nachrichten für die vielen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Müller will die Schließung nutzen, um generelle Projekte zur Gestaltung der Innenstädte der Region zu diskutieren. Diese müssten nun endlich Chefsache werden. Es bedürfe eines belastbaren Wiederbelebungskonzepts mit dem Fokus auf Attraktivität, Erreichbarkeit und Sauberkeit. Für ihn schließe das Thema Wiederbelebung auch das Thema eines Konzerthauses ein, für dass es immer noch kein Konzept zur Finanzierung gäbe.
Bestürzung und Enttäuschung in Braunschweig
Auch bei Braunschweiger Passantinnen und Passanten überwogen am Montag Enttäuschung. Mit dem Verlust des Kaufhauses würde aus der Sicht der Einwohnerinnen und Einwohner Braunschweig weiter an Attraktivität verlieren.
Karstadt in Braunschweig – Erinnerungen in Schwarz-Weiß
Der 74 Jahre alte Detleff Schiel aus Braunschweig sagte unserer Zeitung am Montag: „Ich bin alter Braunschweiger und bin das eigentlich gewohnt, dass Karstadt im Zentrum ist. Ich finde das erschreckend. Die Stadt verliert unglaublich viel, wenn Karstadt und andere große Läden verschwinden.“
Und eine ebenfalls 74-Jährige aus Salzgitter empfand Bestürzung: „Ich finde es furchtbar. Karstadt war unser Anlaufpunkt. Wir konnten hier alles kaufen. Ich dachte immer die Filialen bleibt offen. Leider ist das nicht so.“ Ihr schließt sich Bern Breitbach aus Braunschweig an. Der 76-Jährige fürchtet um den Standort Braunschweig: „Es ist wieder ein Negativ-Aspekt hier in Braunschweig. Es gab immer Anlaufpunkt zum Einkaufen. Früher hatten wir Herti, Karstadt, Leckermann. Jetzt ist Karstadt auch noch am Ende. Ich bedaure das sehr. Gerade für die Innenstadt sehr negativ. Braunschweig wird fast zur Provinz.“
Minister Heil: Verdammt bittere Nachricht
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzt darauf, dass nach der erwarteten Schließung von mehr als 50 Warenhäusern des Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof möglichst viele Mitarbeiter eine neue Beschäftigung finden. Es gebe die Möglichkeit, eine Transfergesellschaft einzurichten, um die Menschen bei einer beruflichen Neuorientierung zu unterstützen, sagte Heil am Montagabend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“.
„Ich hätte mir gewünscht, dass man betriebsbedingte Kündigungen vermeiden kann. Wenn das nicht der Fall ist, ist das das richtige Instrument.“ Heil sagte zu den Schließungsplänen: „Das ist eine verdammt bittere Nachricht, auch für viele Innenstädte.“ Manchmal müssten Beschäftigte unternehmerische Fehlentscheidungen aus der Vergangenheit ausbaden. „Aber ich sage von dieser Stelle auch an die Beschäftigten: Wir werden mit den Möglichkeiten, die wir haben, wenn eine solche Vereinbarung für eine Transfergesellschaft zustande kommt, mit der Bundesagentur für Arbeit mithelfen, dass auch – wo immer es geht – Menschen Anschluss finden.“
Galeria Karstadt Kaufhof will nach Angaben des Gesamtbetriebsrats vom Montag 52 der noch verbliebenen 129 Warenhäuser schließen. Demnach werden im Zuge des Insolvenzverfahrens „weit über 5000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren“. Es würden nicht nur Stellen in den Schließungsfilialen wegfallen. Geplant seien auch Flächenreduzierungen und ein Personalabbau in den verbleibenden Häusern und in den Zentralfunktionen. Das Unternehmen selbst sprach von mehr als 4000 Betroffenen. Sie sollen das Angebot erhalten, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, um sich für eine neue Stelle weiter zu qualifizieren.
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