Moskau. Russlands Präsident Wladimir Putin hat in seiner Rede zur Nation den USA gedroht. Das bedeuten die wichtigsten Sätze von Putins Rede.

Russlands Präsident Wladimir Putin gab sich sehr selbstsicher. Viele Angriffe auf den Westen, viele Versprechungen an die Bevölkerung. Russland first, alles wird gut – der russische Präsident gab sich bei seiner alljährlichen Rede zur Nation im Wahlkampfmodus. In fast genau einem Jahr findet die Präsidentschaftswahl statt. Die wichtigsten Sätze der Putin-Rede – und was sie bedeuten.

„Die Situation nach 1945 hat sich verändert. Aber es ist inakzeptabel, die US-Weltordnung in ihren eigenen egoistischen Interessen umzugestalten. Jetzt stellen sie Ultimaten. Unter diesen Bedingungen muss ich erklären, dass Russland seine Teilnahme am Start-Vertrag aussetzt.“

„New Start“-Vertrag wurde 2010 in Prag unterzeichnet, trat 2011 in Kraft und wurde 2021 unmittelbar nach Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden um weitere fünf Jahre verlängert. Er begrenzt die Zahl der strategischen Atomsprengköpfe, die die USA und Russland in ihren Arsenalen haben. Zusammen besitzen Russland und die USA rund 90 Prozent der weltweiten Atomsprengköpfe. Die Aussetzung von „New Start“ begründete Putin vor allem damit, dass etwa Frankreich und Großbritannien ihre Atomwaffenarsenale weiterentwickeln würde.

„Wenn die USA die Tests durchführen, werden wir das auch tun.“

Atomtests, ob ober- oder unterirdisch, schienen ein Gespenst der Vergangenheit, des Kalten Krieges zu sein. Nun wird wieder damit gedroht. Bis heute haben weltweit insgesamt 2058 Atomtests stattgefunden. 85 Prozent davon haben die USA und die Sowjetunion durchgeführt. Fachleute gehen davon aus, dass durch die Spätfolgen der dabei freigesetzte Radioaktivität 300.000 Menschen starben. Putins Ankündigungen in Sachen Atomwaffen werden auch in Russland die Ängste vor einem Weltkrieg schüren. Gemäß einer Umfrage des unabhängigen Levada-Instituts befürchten dies bereits jetzt 56 Prozent der Befragten.

„Die westlichen Eliten halten ihr Ziel nicht verborgen: Russland eine strategische Niederlage zuzufügen, das heißt, uns ein für alle Mal zu erledigen.“

Für die Eskalation des Ukraine-Konflikts machte Putin den Westen „voll“ verantwortlich. Der russische Präsident hob ausdrücklich hervor: „Die Verantwortung für das Schüren des Ukraine-Konflikts, für seine Eskalation, für die vielen Opfer (...) liegt voll bei den westlichen Eliten.“ Er wiederholte auch seinen Vorwurf, dass der Westen in der Ukraine neo-nazistische Kräfte unterstütze, um dort einen anti-russischen Staat zu etablieren. Russland werde aber seine Offensive „sorgfältig und systematisch“ fortsetzen. Die Ziele des Militäreinsatzes werde man so „Schritt für Schritt“ erreichen.

Russlands Präsident Wladimir Putin macht den Westen für den Ukraine-Krieg verantwortlich.
Russlands Präsident Wladimir Putin macht den Westen für den Ukraine-Krieg verantwortlich. © AFP | Ramil Sitdikov

„Russland ist ein offenes Land, aber gleichzeitig eine unverwechselbare Zivilisation. Es wurde uns von Vorfahren übergeben, und wir müssen es bewahren und an die Nachkommen weitergeben. Wir werden uns auf unsere Traditionen und Werte stützen.“

Dieser Teil der Rede Putins zielt auf den Umbau der russischen Gesellschaft in eine Art Sowjetunion 2.0. Dabei geht es nicht nur um die Annexion von Territorien, die aus der Sicht des Kremls russisches Kernland sind. Putin geht es um eine umfassende Umgestaltung in Politik, Wirtschaft, Bildung und Kultur. Das Land soll wieder eine Großmacht sein, eine in der Welt gefürchtete und respektierte Atommacht. Keine bedeutungslose Regionalmacht, wie der damalige US-Präsident Barack Obama 2014 spottete.

„Wir müssen die Qualität der Kurse in Geschichte und Geografie verbessern. Damit junge Menschen mehr über Russland, unsere Kultur und Traditionen erfahren.“

Die tiefgreifende ideologische Umorientierung soll bereits bei den Kleinsten beginnen. Zu Beginn jeder Schulwoche soll die Nationalflagge gehisst und die Hymne gesungen werden. Geschichtsunterricht wird es ab der ersten Klasse geben, gelehrt werden soll auch eine neue Geschichtssicht.

„Die Zukunft sollte nur hier in Russland sein. Und dann werden wir sicher eine solide Wirtschaft schaffen, die sich nicht vor der Welt verschließt. Der Westen hat eine wirtschaftliche Front gegen uns entwickelt. Aber nirgendwo hat er etwas erreicht und wird es nicht erreichen.“

Viele westliche Experten hatte wegen der Sanktionen einen dramatischen Einbruch der russischen Wirtschaft befürchtet. Dieser ist bislang ausgeblieben. Allerdings steht die russische Wirtschaft vor einer Vielzahl von Problemen. Vieles ist teurer geworden. Offiziell liegt die Inflationsrate in Russland bei 11,9 Prozent. Sehr teuer sind Waren aus dem Westen, die wegen der Sanktionen über Drittstaaten wie Kasachstan oder die Türkei importiert werden müssen. Aber die Sanktionen zwingen Russland wirtschaftlich nicht in die Knie – auch wenn sie in manchen Bereichen spürbar sind.

So haben einige Städten die Ausstellung von Reisepässen vorübergehend eingestellt. Der schlichte Grund: Es fehlen die erforderlichen Mikrochips. Genauso wie Ersatzteile für Flugzeuge und Maschinen, die aus dem Westen importiert wurden. Im ersten Jahr der Kämpfe in der Ukraine 2022 ist das Bruttoinlandsprodukt um 2,2 Prozent gesunken. Westliche Experten hatten aufgrund der westlichen Sanktionen mit einem Einbruch um mindestens zehn Prozent gerechnet. Der russischen Zentralbank zufolge hat sich die russische Wirtschaft, die schon seit Jahren mit Sanktionen leben muss, aber rasch an die neue Lage angepasst. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt für dieses Jahr ein Wachstum von 0,3 Prozent voraus, dem 2024 ein Plus von 2,1 Prozent folgen soll.

„Es ist unsere Pflicht, Familien zu unterstützen, die ihre Lieben und Lieben verloren haben. Die Familie jedes Teilnehmers an der Militäroperation sollte von Sorgfalt umgeben sein. Ich schlage vor, einen speziellen staatlichen Fonds zu schaffen, dessen Aufgabe die gezielte Unterstützung sein wird.“

Russland lässt seine Soldaten nicht allein, dass ist einer der Kernsätze von Wladimir Putin, der befürchten muss, dass die Zustimmung zur „Spezialoperation“ unter der Bevölkerung zu schwinden droht. Durch die Teilmobilisierung von Reservisten im vergangenen Jahr ist das Thema in den Köpfen der meisten präsent. Rund 700.000 zumeist gut ausgebildete junge Russinnen und Russen haben das Land inzwischen verlassen.