Berlin. Das “Klimaticket Deutschland“ soll bald auf das 9-Euro-Ticket folgen. 49 Euro soll es kosten. Doch es gibt immer noch viele Fragen.

Der Name des Kindes steht bereits fest, der Preis wohl auch. Wenn sich die Verkehrsminister aus Bund und Ländern auf einer am Donnerstag endenden Sonderkonferenz einig werden, gibt es bald einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket. Die Länder haben es das "Klimaticket Deutschland" getauft. Es soll 49 Euro kosten.

Das geht nach Angaben mit der Sache vertrauter Kreise aus einem Eckpunktepapier zur Verkehrsministerkonferenz (VMK) hervor. In trockenen Tüchern ist der Tarif aber noch nicht. Über die Finanzierung streiten Bund und Länder heftig.

Das neue Ticket soll bundesweit gelten und nicht übertragbar sein. Umsonst mitfahren dürfen nur Kinder bis zu einem Alter von sechs Jahren. Es kann sowohl digital als auch an Automaten oder Fahrkartenschaltern gekauft werden. Geplant ist ein Jahresabo, wobei die Ausgestaltung noch offen ist, also ob es monatlich oder einmal jährlich bezahlt wird.

Um mehr neue Kunden von der Idee zu begeistern, sieht der Vorschlag der Länder ein "Schnupperabo" zum Preis von 69 Euro vor. Offen ist auch der Zeitpunkt, an dem das Klimaticket eingeführt werden kann. Eigentlich soll es am 1. Januar nächsten Jahres an den Start gehen. Das wird zeitlich aber knapp, weil auch Bundestag und Bundesrat ein Wörtchen mitreden und die Verkehrsunternehmen Zeit zur Vorbereitung brauchen.

Klimaticket: Länder wollen weitere 1,65 Milliarden

Ob auf der VMK überhaupt über die Idee geredet wird, hängt maßgeblich von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ab. Er hat zwar 1,5 Milliarden Euro dafür zugesagt. Das Geld soll die Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen durch den günstigen Tarif ausgleichen. Das reicht den Ländern jedoch nicht.

Sie pochen auf weitere 1,65 Milliarden Euro für die Nahverkehrsanbieter, die den Betrieben durch die gestiegenen Energiekosten fehlen. Auch wollen sie erreichen, dass die Regionalisierungsmittel des Bundes für den ÖPNV angehoben werden. Kurz: Wissing soll viel mehr zahlen, als ihm Finanzminister Christian Lindner erlaubt hat.

Sollte der Bund bei seiner Haltung bleiben, wollen die Länder erst gar nicht über eine Nachfolgeregelung für das Billigticket des Sommers sprechen.

Kommt der Nachfolger des 9-Euro-Tickets?
Kommt der Nachfolger des 9-Euro-Tickets? © Boris Roessler/dpa

Klimaticket: Verkehrsunternehmen sind dafür

Die Verkehrsunternehmen stecken vielerorts schon in einer brenzligen Lage. Statt der erwünschten Erweiterung des Angebots stellen sich einzelne Unternehmen nach Angaben aus Branchenkreisen auf weniger Fahrten von Bussen und Bahnen ein.

Das Klimaticket wollen sie unter bestimmten Bedingungen aber einführen. "Wir stehen bereit, wenn die wichtigen Punkte zu Liquiditätshilfen und Regionalisierungsmitteln geklärt werden", sagt der Sprecher des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Eike Arnold.

Bundesweit wurden 50 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft

Eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket haben Bund und Länder versprochen. Denn der im Sommer erprobte Billigtarif war zumindest von der Zahl der verkauften Tickets für den ÖPNV her ein großer Erfolg. Über 50 Millionen der bundesweit geltenden Fahrscheine wurden verkauft.

Allerdings blieb die Zahl der Pendler, die vom Auto auf Bus oder Bahn umstiegen, gering. Auch führten übervolle Bahnsteige und Züge insbesondere in den Feriengebieten zu Stress und Ärger für die Bahnmitarbeiter. Ein hoher Krankenstand war die Folge.

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    Klimaticket: Nichts für den ländlichen Raum

    Fachleute begrüßen die Pläne für das Klimaticket, sehen zugleich aber kritische Punkte. "Man wird einige neue Kunden gewinnen", glaubt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn, "aber die Revolution wird es nicht sein."

    Er sieht das große Manko im Angebot des Nahverkehrs. Die Hälfte der Bevölkerung lebe in ländlichen Regionen ohne gute Nahverkehrsanbindung. "Es geht um eine Verbesserung des Angebots", sagt Naumann.

    Naumann verweist für einen guten Nahverkehr auf das Vorbild Wien. Die österreichische Hauptstadt hat erst über viele Jahre das Angebot an Bussen und Bahnen ausgebaut und dann erst einen günstigen Tarif dafür eingeführt.

    In Wien kostet das Jahresticket 365 Euro. Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt nutzt die Stadtverwaltung für weitere Ausgaben für den ÖPNV. "Man muss in das System investieren", sagt Naumann.

    Verkehrswissenschaftler will bundesweites 29-Euro-Ticket

    Das sieht auch der Verkehrswissenschaftler Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) so. "Wenn man einen richtigen Effekt erzielen will, muss man klotzen, nicht kleckern", sagt er und macht einen ebenso teuren wie radikalen Vorschlag. Knie fordert ein bundesweit geltendes Ticket zum Preis von 29 Euro. Es soll auch im Fernverkehr der Bahn oder auf dem Land in Sammeltaxis für den Weg von der nächsten Haltestelle nach Hause gelten.

    Der Deutsche Städtetag warnt vor einer Unterfinanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. "Das Ticket darf wichtige Investitionen in den Nahverkehr nicht ausbremsen, etwa weil es zu Lasten der Grundfinanzierung oder des Angebotsausbaus geht", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy unserer Redaktion.

    "Je niedriger die Ticketeinnahmen sind, desto höher muss deshalb der Ausgleich durch Bund und Länder sein, der infolge der absehbaren Kostensteigerungen auch dynamisiert werden muss."

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    Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.