Berlin. Nach Abschluss der ersten Sondierungsrunde nach der Bundestagswahl wirbt die Union für Jamaika. Sie hat es aber nicht mehr in der Hand.

Die schwarze Wand, vor der sie Position beziehen, die gefalteten Hände, vor allem aber die Mienen: Als Armin Laschet, Markus Söder, Annalena Baerbock und Robert Habeck am Dienstagmittag vor die Presse treten, sehen sie nicht unbedingt aus wie vier, die gerade den Grundstein für einen Aufbruch gelegt haben. Die Stimmung ist ernst.

Gut zwei Stunden Sondierungsgespräch haben Union und Grüne da gerade hinter sich. Ein Treffen, das vor allem für die Union den Charakter eines Vorstellungsgesprächs hat: „Die CDU hat diese Wahl nicht gewonnen“, sagte Laschet.

Laschet: Gegensätze nicht unüberwindbar

Man könnte auch sagen, sie hat sie verloren. Die Union und vor allem er persönlich müssen deshalb jetzt hoffen, dass sie Grüne und FDP überzeugen, trotzdem mit ihnen statt mit Olaf Scholz und der SPD zu sondieren.

Laschet dankte für „die gute Atmosphäre, den offenen Austausch“ beim Gespräch. Es seien zwar Gegensätze deutlich geworden, aber die seien nicht unüberwindbar. In vielem habe man gedanklich anknüpfen können an 2017. Damals saßen CDU, CSU, FDP und Grüne ebenfalls zu Sondierungen über eine Jamaika-Koalition zusammen.

Ein solches Bündnis würde es möglich machen, das Land zu modernisieren, sagte Laschet. Es würde lohnen, die Gespräche zu vertiefen. „Aber ob der weitere Weg so geht, das entscheiden natürlich FDP und Grüne.“

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Söder: Gesprächsbedarf auf dem Feld Migration

Auch CSU-Chef Markus Söder nannte die Gespräche konstruktiv und ehrlich. Vor allem beim Klimaschutz sei man sich nähergekommen. Gesprächsbedarf gebe es dagegen zum Beispiel auf dem Feld Migration. Es sei viel „Denksport“ für alle Beteiligten, die Zukunft weiterzuentwickeln, sagte Söder. „Wenn alle bereit wären, aufeinander zuzugehen, gäbe es, glaube ich, große Chancen, so ein Gespräch fortzusetzen.“

Trotzdem, das Signal ist eindeutig, die Union stünde bereit. Auch der stellvertretende CSU-Chef Manfred Weber warb für weitere Gespräche: „Mit den Grünen gibt es interessante Schnittmengen“, sagte er dieser Redaktion.

Grüne: Gespräche „von großer Ernsthaftigkeit“ geprägt

Die Grünen dagegen gaben sich am Dienstag weiterhin bedeckt. Co-Partei-Chefin Annalena Baerbock sagte, die Gespräche seien „von großer Ernsthaftigkeit“ geprägt gewesen, es gebe auch gemeinsame Anliegen wie etwa die Digitalisierung.

Ihre Partei und die FDP wollen jetzt eine Bilanz der bisher geführten Gespräche mit allen Parteien ziehen. „Dafür werden wir uns heute und morgen Zeit nehmen“, sagte Co-Parteichef Robert Habeck. Baerbock sagte, Grüne und FDP würden jeweils intern beraten und dann „zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen, wie wir in den nächsten Tagen weiter vorgehen“.

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Argwöhnischer Blick auf die Querelen in der Union

Bei den Grünen beobachtet man argwöhnisch die Querelen in der Union. „Der ganze Laden ist offensichtlich null vorbereitet auf die Zeit nach Merkel“, so Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt vor einigen Tagen im Gespräch mit dieser Redaktion.

Die innere Aufstellung anderer Parteien würden die Grünen nicht kommentieren, sagte Habeck nun, als eine Journalistin nach genau diesen Zweifeln fragte. Er sagte allerdings auch: „Natürlich ist es immer so, dass eine Regierung dann besonders gut funktioniert, wenn die Autorität innerhalb der Parteien klar und gesetzt ist.“

FDP gereizt wegen durchgestochener Informationen

Es sind Bedenken, die die Grünen mit den Liberalen teilen. Dabei dürfte der Union nicht geholfen haben, dass ausgerechnet aus ihren Reihen wohl jemand die strenge Vertraulichkeitsvereinbarung der Parteien gebrochen hat. Nach dem Gespräch von FDP, CDU und CSU am Sonntag tauchten bald Inhalte und sogar wörtliche Zitate auf der Webseite der „Bild“-Zeitung auf.

Die FDP reagierte gereizt: „Es gab vergangenes Wochenende drei Sondierungsgespräche, an denen ich für die FDP auch teilgenommen habe“, schrieb Vizeparteichef Johannes Vogel auf Twitter. „Aus zweien liest und hört man nix. Aus einem werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!“ Parteichef Christian Lindner teilte den Beitrag. Der am Dienstag wiederum von den Grünen aufgegriffen wurde.

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Details auch von Treffen zwischen Union und Grünen

Denn am Abend erhielt die Diskussion neuen Aufwind, als die „Bild“ auf ihrer Internetseite diesmal über Details des Treffens zwischen Union und Grünen berichtete. Bei entscheidenden Themen hätten sich die Parteien nicht annähern können, hieß es.

Insbesondere bei drei Themen scheine eine Einigung nur schwer möglich. Bei den EU-Finanzen wollten die Grünen den Stabilitätspakt aufweichen, so „Bild“. Darüber hinaus wollten sie beim Thema Migration eine deutlich offenere Politik verfolgen sowie schon vor 2035 aus dem Verbrennungsmotor aussteigen.