Berlin. Das TV-Triell sollte die Trendwende für die Union bringen. Armin Laschet gibt sich auch diesmal angriffslustig. Aber es reicht nicht.

  • Beim Triell schaltete Armin Laschet in den Angriffsmodus
  • Olaf Scholz gelang in die Defensive - und konnte die Attacken nicht einfach so an sich abtropfen lassen
  • So lief das TV-Triell am Sonntagabend

21.50 Uhr, der Abspann läuft, die Spannung weicht von den Duellanten. Das zweite von drei Kanzler-Triellen ist Geschichte. Das erste Wort hat Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, das letzte Olaf Scholz (SPD). Nach der Sendung von ARD und ZDF erklären die jeweiligen Unterstützungsteams noch im Studio in Berlin-Adlershof ihren Kandidaten zum Sieger. Das gehört zum Format und ist kein leeres Ritual, sondern Kalkül. Laut Umfragen wollen sich maximal ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger eine der Sendungen ansehen. Obwohl ein Millionenpublikum zusah, machen sich zwei Drittel der Deutschen vom Hörensagen ein Bild. Die Deutungshoheit ist wichtig. Lesen Sie hier: Patzer und Unterbrechungen: Scharfe Kritik an Moderatoren

Scholz schließt eine Koalition mit der Linkspartei nicht aus

Es dauert nur wenige Minuten, bis Armin Laschet in den Angriffsmodus schaltet – bei der ersten Frage. Maybrit Illner (ZDF) und ARD-Chefredakteur Oliver Köhr hatten gleich zu Beginn die Machtfrage gestellt: die nach einem Bündnis mit den Linken. „Es ist ein wenig unredlich, Herr Scholz, zu sagen, das entscheiden die Bürger“, ruft CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet aus. Lesen Sie auch: „Hodentöter“ – so rau ging es im Wahlkampf früher zu

SPD-Kandidat Olaf Scholz hatte eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausgeschlossen, aber klargemacht, dass sie nicht seine erste Wahl und kein politisches Herzensanliegen wäre. Er verweist darauf, dass für eine Koalition Bedingungen erfüllt werden müssten, allen voran ein Bekenntnis zur Nato und zur transatlantischen Partnerschaft. Und dabei bleibt Scholz. Mehr zum Thema: Markus Söder: "Ich habe keinen Bock auf Opposition"

Wahl-Triell: Olaf Scholz (SPD,v.l.), Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (CDU)
Wahl-Triell: Olaf Scholz (SPD,v.l.), Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (CDU) © WDR/dpa

Beim zweiten Triell ist die Konfiguration in einem Punkt neu. Diesmal arbeitet sich Laschet von vornherein hauptsächlich an seinem Hauptkontrahenten ab. Er lässt sich nicht von der Grünen Annalena Baerbock ablenken, sondern knüpft sich Scholz vor, der – eine späte Ironie dieses Wahlkampfs – mittlerweile Favorit ist und am Sonntagabend am meisten zu verlieren hat.

Scholz kommt in der ersten halben Stunde nicht aus dem Rechtfertigungsmodus raus. „Es ist ein Wunder, eine solche Schönrederei an den Tag zu legen“, poltert Laschet, diesmal geht es um eine Durchsuchung der Zollbehörde des Finanzministeriums. Es werde so wenig aufgeklärt bei der Geldwäsche, deswegen sei es unangemessen, „dass Sie abfällig über die Justiz geredet haben“. Lesen Sie hier: Umfragen zum Triell: Wer hat die Debatte gewonnen?

Das wiederum will Scholz so nicht stehen lassen. „Man sieht, wie die Dinge verdreht werden.“ Es sei absichtlich der falsche Eindruck erweckt worden, als sei das Finanzministerium Gegenstand von Ermittlungen. Die Rechnung der Moderatoren Illner und Köhr geht auf, nämlich die Kontrahenten aus der „Komfortzone“ herauszuholen. Auch interessant: TV-Trielle um Kanzlerschaft: Wann sind die nächsten Termine?

TV-Triell: Bei Corona kann Baerbock punkten

In der Corona-Politik kann Baerbock punkten. „Aus meiner Sicht kann es hier kein Rumeiern geben“ – die Grüne will eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. So weit gehen Scholz und Laschet nicht, aber immerhin sind sie dafür, dass der Arbeitgeber danach fragen darf. „Von den Kinder verlangen wir, dass sie sich testen, von den Erwachsenen nichts“ – Baerbock kann das nicht verstehen. Sie wäre für eine Testpflicht auch in den Betrieben. Der weiße Elefant im Raum: eine allgemeine Impfpflicht und wie der Staat durchgreift, wenn die Zahl der Impfverweigerer zu hoch bleibt.

Scholz, dunkelblauer Anzug, einreihig, weißes Hemd, dunkelrote Krawatte, bleibt ruhig, auch wenn er angegriffen wird, ohne große Fehler, aber auch ohne besondere Momente. Er hat einen schweren Stand. Er kann kaum für sich werben und erst zum Schluss der Sendung seine Anliegen (Bürgerversicherung, 400.000 Wohnungen) platzieren. Lesen Sie hier: Kanzlerkandidaten: Welche Rolle spielen ihre Ehepartner?

Moderatoren-Duo Oliver Köhr und Maybrit Illner.
Moderatoren-Duo Oliver Köhr und Maybrit Illner. © Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Baerbock, dunkelblaues, fließendes Kleid mit V-Ausschnitt, violette Pumps (die Farbe der Frauenbewegung) variiert altbekannte Redewendungen: keine Politik des „Wegduckens“ und ein neuer „Aufbruch“. Floskeln. Bei der Corona-Politik schlägt sie sich gut. Sie fordert klare Ansagen; die Bundesregierung sei bislang nur auf Sicht gefahren. Sie kann Union und SPD ungeniert für alle tatsächlichen oder vermeintlichen Versäumnisse der letzten Jahre kritisieren. Sie ist hellwach, hört zu und ist schlagfertig. Als die Rente als Thema aufgerufen wird, grätscht sie dazwischen: „Herr Laschet sagt den ganzen Abend immer ‚Analyse‘ und was in 20 Jahren passieren soll“. Auch interessant: Politiker-Kinder: Das sind Joe Laschet und Gloria Burkandt

TV-Triell: Laschet wirkt diesmal kontrollierter

Laschet, blauer Anzug, einreihig geknöpft, weißes Hemd, dunkelrote Krawatte, wahrt besser als beim ersten Triell seine innere Balance. Bei aller Angriffslust wirkt es diesmal kontrollierter. Zum Klimaschutz – sein schwächster Moment – fällt ihm freilich nicht wirklich etwas ein. Er verweist auf die Wirtschaft, „wir müssen die auch mal machen lassen.“ Baerbock verspricht Investitionen von 50 Milliarden Euro jährlich in die Infrastruktur. Scholz redet vom „größten industriellen Umbau“.

Dafür müssten etwa Windkraftanlagen schneller genehmigt werden. Alle drei drücken sich vor der Antwort, die Köhr und Illner aus ihnen herausholen wollen, nämlich, dass Klimaschutz von den Bürgern bezahlt werden muss. Die Klimadebatte verläuft hektischer als gedacht, sekundenlang sprechen beide Männer gleichzeitig. Jahrelang keine Lösungen präsentieren, aber sich jetzt gegenseitig die „Schuld in die Schuhe schieben“, fasst die Grünen-Politikerin zusammen.

Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet lieferten sich beim TV-Triell teilweise einen scharfen Schlagabtausch.
Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet lieferten sich beim TV-Triell teilweise einen scharfen Schlagabtausch. © dpa

In der Finanz-, Rentenpolitik und Wohnungspolitik wird deutlich, dass Rote und Grüne an einem Strang ziehen. Eher Duett als Duell. Laschet moniert, der Grundfehler bei beiden sei anzunehmen, dass man mehr Geld einnehme, wenn man Steuern erhöhe und die Wirtschaft abwürge. Er hält seinen Stil – Attacke – die ganze Sendung durch.

Ende oder Wende, für die Union geht es längst um alles

Die richtige Betriebstemperatur hatte er am Wochenende erreicht. Wie ein Boxer beim Ballyhoo vor dem Kampf hatte der Kandidat auf einem CSU-Parteitag den Gegner abgekanzelt. „In all den Entscheidungen der Nachkriegsgeschichte standen Sozialdemokraten immer auf der falschen Seite“, polterte er und hob auf die Wirtschaftspolitik ab.

Frank Brettschneider, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim, hält es für ausgeschlossen, dass Laschet aus eigener Kraft noch eine Trendwende gelingt. „Er wird sein negatives Image nicht innerhalb von zwei Wochen drehen können.“ Ende oder Wende, so dramatisch steht es um die Union. An Laschet ließ sich das gut beobachten. Er kämpft, attackiert und kontert, empört und entrüstet sich, er vibriert vor Angriffslust. Aber es kommt zu kurz, was er als Bundeskanzler eigentlich anderes machen würde.