Braunschweig. Das Start-up will seine Maschinen weltweit verkaufen. Was die vom Wettbewerb unterscheidet, lesen Sie in diesem Porträt.

Mit einem Elektro-Motorrad, das gleich mehrere Innovationen vereint, will das Braunschweiger Start-up Novus den internationalen Markt aufmischen. Als wäre das nicht schon anspruchsvoll genug, sagt Novus-Gründer und -Geschäftsführer René Renger (39): „Unsere Zielgruppe sind nicht Biker, sondern Menschen, die ein einzigartiges Lifestyle-Produkt suchen.“ Er baut mit seinem Team also ein Motorradin erster Linie für Nicht-Motorradfahrer.

Novus One: Kein Bike für die Schublade

Tatsächlich passt das Novus One, so heißt das Motorrad, das zum Saisonstart 2025 erhältlich sein soll, in kaum eine Biker-Schublade. Es ist weder für das Gelände, noch für Reisen, noch als Rennmaschine ausgelegt. Renger spricht von einem Gefährt für die Stadt. Vielleicht passt der optische Vergleich mit einer Supermoto am ehesten. Das sind umgebaute Geländesport-Motorräder mit Straßenbereifung und kleineren Rädern. Oder der Vergleich mit einer einer Mischung aus Mountain-Bike und Supermoto.

Für das Novus One läuft nach Angaben Rengers noch bis Jahresende das Zulassungsverfahren für den Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr. In der Maschine stecken jedoch schon viele Jahre Entwicklungsarbeit, die lange vor Gründung des Start-ups im Jahr 2019 begonnen. Industrie-Designer Renger hat sich nach eigenen Angaben schon während des Studiums mit der Entwicklung eines Elektro-Motorrads befasst. Mit Marcus Weidig, der inzwischen bei Novus zuständig ist für die Hardware-Entwicklung, habe er die gemeinsame Bachelor-Arbeit diesem Thema gewidmet.

Novus-Gründer war Fahrzeug-Designer

Beide hätten allerdings nach dem Studium zunächst als Fahrzeug-Designer bei VW gearbeitet. Nebenbei ließen sie jedoch ihren Traum vom Novus One weiterleben. So wuchs das Projekt nach und nach. 2018 entstand der erste Prototyp, der 2019 auf der CES, einer Messe für Unterhaltungselektronik, in der US-Glücksspielmetropole Las Vegas vorgestellt wurde. Renger, der aus Thüringen stammt und in Braunschweig lebt, wurde nach eigenen Angaben sogar von der Sekretärin des Tesla-Chefs Elon Musk angerufen, der ihm den Prototyp habe abkaufen wollen.

Renger verkaufte nicht. „Das Projekt war zu sehr Teil des eigenen Lebens geworden“, sagt er. Stattdessen schmiss er seinen Job bei VW und machte sich 2019 selbständig. Wenige Monate später sei auch Weidig zu Novus gekommen. Seitdem bereiten sie mit dem Team den Marktauftritt vor. Daher werde der Vertrieb in diesem Jahr eine besondere Rolle spielen.

Körper und Räder des Novus One bestehen aus Carbonfasern

Derzeit beschäftige Novus zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie Renger weiter erläutert, finanziert sich das Unternehmen derzeit über eine Beteiligungsgesellschaft und private Geldgeber. Zudem gebe es ein Beraterteam, das an Novus beteiligt sei und das Start-up mit seiner Expertise unterstütze. Darunter ist zum Beispiel der frühere Audi-Chef Rupert Stadler.

Zurück zum Motorrad: Renger betont, dass nur wenig beim Novus One aus dem Regal kommt. Stattdessen bestehe das Bike zu mehr als 90 Prozent aus Eigenentwicklungen. Die Maschine verfügt nicht über einen klassischen Rahmen, sondern wird getragen und stabilisiert von einem aus Carbonfaser gefertigten Körper. Die Lager, etwa für die Lenkung, bestehen aus Aluminium und sind in den Korpus eingeklebt. Das Gehäuse, der Body, bringt nur wenige Kilo auf die Waage. Komplett montiert wiegt das Novus One nur etwas mehr als 100 Kilogramm.

Novus sucht Mitarbeiter

Auch die Felgen bestehen aus Kohlefaser. Sie und der Body werden laut Renger in England von einem Auftragsfertiger hergestellt. Der Elektromotor ist im Hinterrad integriert, daher entfallen Antriebskette oder Kardanwelle. Im Inneren des Bodys befindet sich die Elektronikkompetenten, etwa für den Antrieb. Motor und Software wurden und werden laut Renger mit Partnern in Deutschland entwickelt.

Montiert werden soll das Novus One in oder bei Braunschweig. Dafür sucht das Unternehmen laut Renger noch entsprechende Räumlichkeiten. Zudem wolle Novus Fachkräfte einstellen, beispielhaft nennt er Entwickler und Vertriebsexperten. Denn beim Novus One soll es nicht bleiben, weitere Zweiräder sollen folgen.

Das Novus One soll in drei Varianten erhältlich sein

Das Novus One soll in drei Varianten angeboten werden: mit 7 Kilowatt (kW) Leistung, 17 kW und 25 kW. Es handelt sich also nicht um hochgezüchtete Zweirad-Boliden, sondern um Leichtgewichte mit einer Reichweite zwischen 130 und 150 Kilometern. Dank des E-Antriebs und des geringen Gewichts verspricht das Novus One allerdings enorme Beschleunigungswerte. Die Einstiegspreise bewegen sich je nach Ausführung zwischen 22.500 Euro und 29.500 Euro, die Bikes sind unter diesem Aspekt damit alles andere als Leichtgewichte.

Renger ist dennoch überzeugt, dass er seine Kunden finden wird. „Günstig können die Asiaten besser, wir können Design, Qualität und Marke besser“, sagte er selbstbewusst. Nur mit qualitativ und gestalterisch heraustragenden Produkten könne es einem Start-up gelingen im Wettbewerb zu bestehen. Als Vorbild für seine Strategie nennt er Tesla. Der US-Elektro-Autobauer habe seinen Markteintritt ebenfalls über ein hochpreisiges Modell geschafft.

Erst wenn das Novus One seinen Platz gefunden habe, solle ein weiteres Motorrad folgen, das deutlich günstiger sein werde. Von vornherein hat Renger nicht nur den deutschen, sondern den internationalen Markt im Blick. So könne das Novus One in Ländern wie Italien und Spanien ohne zusätzlichen Führerschein gefahren werden, in anderen Ländern mit einer unkomplizierten Erweiterung der Fahrerlaubnis für das Auto. Wie gesagt: Renger hat als Kunden nicht klassische Biker im Blick, sondern zahlungskräftige Frauen und Männer, die neben einer hippen Küche und einer edlen Uhr auf der Suche nach einem weiteren Lifestyle-Produkt sind.