Goslar. In Deutschland wird weniger Hochprozentiges getrunken. Das sorgt für Umsatzeinbußen in der Destillerie in Wöltingerode.

Seit fast 350 Jahren stellt die Klosterbrennerei Wöltingerode vor den Toren Goslars Liköre, Magenbitter und holzfassgelagerte Edelkornspezialitäten wie Gin und verschiedene Geister sowie Schnäpse her. Die Zutaten stammen aus den eigenen Kloster-Gärten, der Bio-Weizen kommt von den eigenen Feldern, dazu das Quellwasser. Die Spezialitäten werden angesetzt nach uralten Klosterrezepten und mit traditionellen Herstellungsverfahren aus der Zeit der Gründung der Brennerei im Jahr 1682.

Seit 1174 thront das Kloster Wöltingerode über dem Okertal im Harzvorland. Es wurde von den Benediktinern gegründet und wenige Jahre später von Zisterzienserinnen übernommen. Katholisch, lutherisch und seit Anfang des 19. Jahrhunderts säkularisiert. Nach Blütezeiten vom 13. bis 15. Jahrhundert brachen mit Reformation und Dreißigjährigem Krieg schwere Zeiten für das Kloster an. Das 17. Jahrhundert stand ebenfalls unter keinem guten Stern für das Klostergut. 1625 wurde es geplündert, und 1676 fielen fast alle Gebäude einer verheerenden Feuersbrunst zum Opfer. Um den Wiederaufbau zu finanzieren, kam der damalige Probst auf die Idee, eine Brennerei zu gründen. Und so wurde 1682 in der klostereigenen Korn-Brennerei der erste Schnaps gebrannt.

DLG-Auszeichnung: Beste Spirituose 2023

Mit Weizen von den eigenen Feldern und Quellwasser grenzt sich die Klosterbrennerei von anderen Likörproduzenten ab, die oft den zum Brennen benötigten Rohalkohol aus dem Ausland beziehen. Ab 2025 will die Klosterbrennerei auch bio-zertifizierten Weizen für ihre Liköre verwenden. Das flüssige Gut wird in Eichenfässern in der alten Krypta des Klosters gelagert. Im Winter wird die Produktion mit einer über hundert Jahre alten Dampfmaschine unterstützt.

Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) hat den Kaki-Quitte-Edel-Likör der Klosterbrennerei Wöltingerode als „Beste Spirituose 2023“ ausgezeichnet. Insgesamt 18 Liköre der Klosterbrennerei sind goldprämiert von der DLG.

Seit knapp einem Jahr leitet Robert Reznizak alle Bereiche des Guts. Nebenberuflich. Hauptberuflich ist er Geschäftsführer einer Unternehmensberatung. Er ist gelernter Koch, hat Betriebswirtschaftslehre studiert und in der Vergangenheit Hotellerie- und Gastronomieunternehmen beraten. Er sieht die Prämierungen als Anerkennung der Qualität und Innovationskraft der Klosterbrennerei. „Wir sind wettbewerbslos im Harzer Vorland“, sagt der Geschäftsführer. Die strengen Brennkriterien und Anforderungen an regionale Zutaten können nur wenige Brennereien im Land erfüllen. 1000 Hektoliter hat die Klosterbrennerei vergangenes Jahr produziert und damit rund 1,5 Millionen Euro Umsatz gemacht. Das sind 100.000 Liter Edelliköre. So viel, wie in knapp 700 Badewannen passt.

Robert Reznizak, Geschäftsführer der Klosterbrennerei Wöltingerode.
Robert Reznizak, Geschäftsführer der Klosterbrennerei Wöltingerode. © FMN | Robert Reznizak

Experimentelle Kreationen sollen jüngere Kunden ansprechen

„Unser durchschnittlicher Konsument ist 54 Jahre alt, soll in Zukunft aber jünger werden. Unser Produkt ist nämlich kein Jabiko“, sagt er und lacht. Jabiko steht für „Janz-billiger-Korn“. Vor fünf Jahren habe sich die Brennerei für ein jüngeres Publikum geöffnet und will nun junge Leute ab dem Einstieg in ihr Berufsleben ansprechen.

Die Rezepte sind geheim. Nur wenige Menschen würden sie kennen. Einer davon ist der Destillateurmeister der Klosterbrennerei – Dany Mailah. Seit knapp vier Jahren schlägt er neue Kreationen vor, experimentiert mit Zutaten und testet neue Produkte.

Jüngst hätten sie einige Rezepturen umgestellt und ihre Sensoriktests neu aufgestellt, berichtet Reznizak. „Wir wollen Tester aus ganz unterschiedlichen Disziplinen zusammenbringen – aus der Landwirtschaft, unserem Hotel, Restaurant und Profis“. Alle 14 Tage gebe es eine Testverkostung. „Schnaps muss ja, anders als Wein, runtergeschluckt werden, da können wir das nicht täglich machen“, erzählt der 41-Jährige und lacht.

Die Rezepte für den milden Kümmel und den Magenbitter würden sie dagegen nicht anfassen. „Für diese Schnäpse haben wir eine ganz klare Klientel, die Herstellung ist auch extrem aufwendig, mit exklusiven Kräuterkompositionen unserer Brennerei“, erläutert er.

Menschen trinken weniger Alkohol

Der Pro-Kopf-Verbrauch von reinem Alkohol in Deutschland ist in den Jahren 1980 bis 2020 um ein Drittel zurückgegangen – von 15,1 Liter auf 10 Liter pro Jahr. Die Deutschen trinken weniger Alkohol – das spüre auch die Klosterbrennerei bei ihren Umsatzzahlen. Warum die Menschen weniger Alkohol trinken, könne Reznizak nicht einschätzen, er hat aber zumindest drei Erklärungsansätze: Das Gesundheitsbewusstsein habe zugenommen, die Menschen würden weniger in die Gastronomie einkehren – ob als Folge der einstigen Coronabeschränkungen oder wegen der wirtschaftlichen Gesamtsituation. Auch strengere Alkohol-Promillegrenzen führten dazu, dass weniger Liköre auswärts konsumiert würden.

„Wir wollen unseren Umsatz halten, das Ergebnis aber verbessern, indem wir unsere Produktionsprozesse umstellen und effizienter machen. Wir werden neue Maschinen anschaffen und in der Logistik die Verpackungen optimieren“, berichtet er. Künstliche Intelligenz helfe hierbei auch. In der Vermarktung und im E-Commerce käme sie künftig verstärkt zum Einsatz, um Kunden gezielter ansprechen und beraten zu können.

Große 850-Jahrfeier am 8. und 9. Juni

Zum Klostergut Wöltingerode gehört neben der Brennerei noch die Klosterkirche, seit 2008 ein Klosterhotel, der Klostergarten, das Restaurant Klosterkrug, ein Hofladen und das Lachscenter mit seiner multimedialen Ausstellung über den Lachs, der einst auch in der Oker heimisch war. Trägerin des Klosters Wöltingerode ist die Klosterkammer Hannover. Dreimal in der Woche gibt es Brennereiführungen mit anschließender Verköstigung. Dabei können auch die drei Neulinge im Sortiment – der Anis-Likör, der Pflaumen-Likör und der Heidelbeer-Kakao-Likör probiert werden.

Das Klostergut Wöltingerode im Harzvorland.
Das Klostergut Wöltingerode im Harzvorland. © FMN | Moments4Ever

Am 8. und 9. Juni findet die große 850-Jahr-Feier auf dem Klostergut statt. Es soll einen ökumenischen Gottesdienst geben, einen Kunsthandwerkermarkt, Angebote für Kinder und kulturelle Angebote zur Historie des Guts. Neue Likörkreationen könnten an beiden Tagen gekostet werden, erklärt Reznizak.