Wolfsburg. Ausbildung könnte ein großer Streitpunkt der nächsten Tarifrunde werden. Personalvorstand Kilian: Wir prüfen Bedarf und Inhalte.

Vertreter der Generation Silberrücken und Altersblond kennen das Prozedere noch. Man lernte Maler, Bäcker, Maurer oder einen anderen Beruf – und am Ende landete man dann doch bei Volkswagen in der Produktion. Ganz einfach, weil sich in der Industrie mehr Geld verdienen ließ. Dieser Quasi-Automatismus ist aber schon lange Geschichte. Ohne passgenaue Ausbildung läuft bei Volkswagen nichts mehr.

Einen entsprechend hohen Stellenwert hat dieAusbildung beim Autobauer. Das gilt für Qualität und Quantität. Zum Start des aktuellen ersten Lehrjahrs im vergangenen September teilte VW mit, dass die Nachwuchskräfte in 29 technischen und kaufmännischen Berufen ihre Ausbildung beginnen oder in einem von 26 dualen Studiengängen.

Der Tarifvertrag sieht 1400 Ausbildungsplätze bei VW vor

Im aktuellen Tarifvertrag sind für die Volkswagen AG mit ihren sechs Werken in Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Emden, Hannover und Kassel 1400 Ausbildungsplätze festgeschrieben. Dazu zählen laut Tarifvertrag 900 Plätze in klassischen gewerblich-technischen und kaufmännischen Lehrberufen sowie 250 Ausbildungsplätze in Dualen Studiengängen. Bis zu 250 können demnach auf andere Aus- und Weiterbildungen entfallen, etwa die „Fakultät 73“.

In der Fakultät wurden VW-Beschäftigte zu Software-Entwicklern qualifiziert. Die aber stellt ihren Betrieb Ende nächsten Jahres ein. Grundsätzlich gilt: Die durch das Aus der „Fakultät 73“ entfallenden Ausbildungsplätze müssen an andere Stelle aufgestockt oder neu geschaffen werden. Nur so würde die im Tarifvertrag festgezurrte Zahl von 1400 Ausbildungsplätzen erreicht werden. Aber gilt diese Vereinbarung im nächsten Jahr noch?

IG Metall befürchtet harte Tarifrunde bei VW

Das ist noch längst nicht sicher. Der Grund: In der zweiten Jahreshälfte steht die nächste Tarifrunde bei Volkswagen an. Die Gewerkschaft IG Metall befürchtet, dass VW die Zahl der Ausbildungsplätze verringern will. Thorsten Gröger, Chef der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, sagte schon im vergangenen Dezember unserer Zeitung: „Ich sehe die Gefahr, dass es in der Tarifrunde im nächsten Jahr zu diesem Thema zu Auseinandersetzungen kommt. Das ist leider zu befürchten. An der Zahl darf nicht gerüttelt werden, stattdessen muss das Unternehmen in die richtigen, zukunftsweisenden Berufsbilder investieren.“

Grögers Sorgen sind seitdem nicht kleiner geworden, wie ein Anruf bei der Gewerkschaft am Montag bestätigt. Zumal der Spardruck bei VW groß ist. Das im Dezember verabschiedete „Performance-Programm“ sieht vor, die Personalkosten im sogenannten indirekten Bereich, also bei den Büro-Tätigkeiten, um 20 Prozent zu senken.

VW-Personalvorstand Kilian: Wir halten Zusage ein

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus möglich, dass VW tatsächlich die Zahl der Ausbildungsplätze senken will. Das könnte einer von weiteren Stellhebeln sein, um die Kosten zu drücken. Dazu gehören etwa der Einstellungsstopp, der erschwerte Zugang zum Tarifentgelt „Tarif Plus“ und an erster Stelle die Altersteilzeit.

VW-Personalvorstand Gunnar Kilian sagte nun im Gespräch mit unserer Zeitung zu dem Thema: „Volkswagen bietet eine hervorragende Berufsausbildung. Damit tragen wir als Arbeitgeber natürlich auch Verantwortung für den Nachwuchs und die Expertise am Industriestandort Deutschland. Wir haben aktuell einen gültigen Tarifvertrag, in dem wir zugesagt haben, dass wir 1400 Ausbildungsplätze anbieten. Und natürlich halten wir uns an unsere Zusagen.“

VW passt Ausbildungsinhalte immer wieder an

Gleichwohl schaue sich das Unternehmen fortlaufend an, wie sich Inhalte und Bedarfe in der Ausbildung verändern. Kilian: „In den vergangenen Jahren haben wir viele unserer Ausbildungsberufe gemeinsam mit unserem Betriebsrat inhaltlich erneuert, haben neue Ausbildungsberufe etwa für die Batteriezelle aufgenommen. Diesen Dialog über die Ausbildung werden wir konstant mit unserer Arbeitnehmervertretung und natürlich auch der IG Metall fortsetzen.“

Mit welchem Ergebnis diese Gespräche konkret enden, wird spätestens die Tarifrunde zeigen.