Wolfsburg. Ein verletztes Reh lag stundenlang am Straßenrand, ehe es erlöst wurde. Die Wolfsburger Polizei räumt Kommunikationspanne ein.

Dennis Wyrwoll traute seinen Augen nicht: Auf dem Weg ins Wolfsburger VW-Werk entdeckte er auf der Nordstraße ein Reh, das auf einer Verkehrsinsel lag. Wyrwoll hielt an und verständigte per Notruf die Polizei. Doch es dauerte fast sechs Stunden, bis das Tier von seinem Leiden erlöst wurde. „Man hätte sofort handeln müssen“, sagt Wolfsburgs Kreisjägermeister Robert Glanz. Die Wolfsburger Polizei räumt eine „Kommunikationspanne“ ein.

VW-Mitarbeiter entdeckt verletztes Reh auf Nordstraße in Wolfsburg

Der aus Nienburg stammende Wyrwoll und ein Kollege entdeckten am vergangenen Montag gegen 8.15 Uhr das Reh. „Es schien verletzt, da es nicht weglief und die Augen nur halb offen hatte“, schilderte Wyrwoll gegenüber unserer Zeitung. Er alarmierte die Polizei. Nur kurze Zeit später traf eine Streifenwagenbesatzung ein. „Wir gingen gemeinsam zum Reh, dass aus der Nase blutete und ein blutunterlaufenes Auge hatte. Es blieb einfach liegen. Einer der beiden Polizisten trug das Reh daraufhin auf den gegenüberliegenden Grünstreifen und markierte die Stelle auf der Straße. Der zweite Polizist erklärte, dass man sich nun mit der Kreisjägerschaft in Verbindung setzen würde, da sie das Tier nicht erlösen können.“

Ließ sich ein Wildunfall nicht verhindern, ist als erstes die Unfallstelle zu sichern. Anschließend sollte man die Polizei verständigen.
Ließ sich ein Wildunfall nicht verhindern, ist als erstes die Unfallstelle zu sichern. Anschließend sollte man die Polizei verständigen. © dpa | Hauke-Christian Dittrich

Als Wyrwoll das VW-Werk gegen 14 Uhr wieder verließ, lag das verletzte Reh noch immer an der Stelle im Grünstreifen. Er habe daraufhin bei der Tierhilfe Wolfsburgangerufen, die ihm sofort die Telefonnummer der Kreisjägerschaft gegeben habe. „Nach dem Anruf beim Kreisjägermeister sendete ich ihm unseren Standort per Smartphone, und wir blieben bis zum Eintreffen der Jäger beim Reh.“ Schließlich sei das Tier erlöst worden – etwa sechs Stunden nachdem es entdeckt worden war. „Ich finde es erschreckend und traurig, dass es so gelaufen ist“, meint Wyrwoll.

Polizei Wolfsburg entschuldigt sich für Kommunikationspanne

Wolfsburgs Polizeisprecher Thomas Figge bestätigt im Wesentlichen die Schilderungen Wyrwolls. Nach dem eingegangenen Notruf seien sofort zwei Kollegen rausgefahren. Gleichzeitig habe man versucht, den Jagdpächter zu informieren, diesen aber nicht erreicht. Einer der beiden Polizeibeamten vor Ort sei selbst Jäger. „Er prüfte die Vitalfunktionen des Tieres und stellte eine kleinere Verletzung am Kopf fest. Der Kollege hatte den Eindruck, dass das Tier nur benommen, aber nicht lebensgefährlich verletzt ist, und sich wieder berappelt“, erklärt Figge. Leider sei es im Anschluss versäumt worden, erneut den Jagdpächter anzurufen oder den Kreisjägermeister zu informieren. „Diese Kommunikationspanne tut uns sehr leid, dafür entschuldigen wir uns“, sagt Figge.

Das sagt Wolfsburgs Kreisjägermeister

Nach Dennis Wyrwolls Anruf am Nachmittag fuhren Wolfsburgs Kreisjägermeister Robert Glanz und sein Stellvertreter Ralf Gronert zu dem schwer verletzten Reh. „Es lag da, als ob es nichts hätte. Der Kopf war oben, offensichtlich kein Lauf gebrochen, äußerlich war nichts zu erkennen.“ Untypisch sei jedoch gewesen, dass das Reh keinen Fluchtversuch unternommen habe. „Diese Tiere lassen sich normalerweise nicht anfassen. Wir vermuten, dass es das Kreuz gebrochen hatte.“ In diesem Fall sei es unabdingbar gewesen, das Tier zu erlösen. „Man hätte sofort handeln müssen“, meint Kreisjägermeister Glanz, will das aber nicht als Vorwurf verstanden wissen. „Nicht jedes verletzte Tier muss erlöst werden, manche erholen sich auch wieder oder leben mit ihren Verletzungen.“

Bei einem Wildunfall immer die Polizei anrufen

Grundsätzlich sei es wichtig, so Glanz, jeden Wildunfall zu melden. „Man sollte immer die Polizei rufen, die dann den zuständigen Jagdpächter verständigt.“ Außerdem benötigten Verkehrsteilnehmer nach einem Wildunfall auch eine Bestätigung für die Versicherung, um nicht auf dem Schaden sitzen zu bleiben. Schwer verletztes Wild dürften zwar auch Polizeibeamte mit ihrer Dienstwaffe erlegen. „Ich kann aber verstehen, wenn diese das lieber uns Jägern überlassen“, sagt Glanz.

Das sind die Wildunfall-Schwerpunkte in Wolfsburg

Vor allem in der dunklen Jahreszeit kommt es immer wieder zu Wildunfällen.In Wolfsburg wurden im Jahr 2022 vier Unfallschwerpunktefestgestellt: auf der Kreisstraße 31 zwischen Velstove und Brackstedt (17 Wildunfälle), im Abschnitt zwischen Brackstedt und Warmenau (9), auf der Kreisstraße 28 Richtung Fallersleben, Weyhäuser Weg nördlich der Mittellandkanalbrücke (12), auf der Kreisstraße 46 zwischen Kreuzheide und Brackstedt nördlich der B188 (21) und auf der Landstraße 290 zwischen Hehlingen und Neindorf (13). Für das gesamten Wolfsburger Gebiet verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr 273 Verkehrsunfälle mit Wild.

Tipps zur Vermeidung von Wildunfällen

Die Polizei Wolfsburg und der Kreisjägermeister der Stadt geben Tipps, wie sich Verkehrsteilnehmende verhalten sollten, wenn sie mit Wild kollidiert sind.

1. Verkehrsteilnehmende sollten dringend auf Gefahrenzonen achten. Diese sind im Normalfall durch Verkehrszeichen angekündigt: „Achtung Wildwechsel“. Diese Schilder sind bewusst dort aufgestellt, wo es häufig zu Wildunfällen kommt bzw. die Gefahr groß ist, dass Wild die Straße kreuzt.

2. Besonders in den Gefahrenzonen sollten Fahrerinnen und Fahrer jederzeit bremsbereit sein und am besten die Geschwindigkeit reduzieren. Zudem sollte, besonders in ländlichen Regionen, die Straßenränder im Blick behalten werden.

3. Fahrerinnen und Fahrer sollten auf Tiersilhouetten und reflektierende Augenpaare achten. Bei Erkennen, sollten sie dann die Geschwindigkeit reduzieren bzw. anhalten.

4. Wichtig: Ausreichend Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug halten.

5. Wenn ein Tier auftaucht, sollten Verkehrsteilnehmende die Spur halten und wenn möglich so stark abbremsen, wie der nachfolgende Verkehr es zulässt. Auch die Scheinwerfer sollten abgeblendet werden, da geblendete Tiere in der Regel stehen bleiben.

6. Ein Tier kommt selten allein: Daher sollten Fahrerinnen und Fahrer anhalten, da meistens weitere Tiere, gerade bei Rehen oder Wildschweinen, folgen.

7. In keinem Fall sollte dem Tier ausgewichen werden! Dadurch kommt es immer wieder zu schweren Verkehrsunfällen mit teilweise tödlichem Ausgang.