Braunschweig. Der langjährige Vorstandschef geht in den Ruhestand. Schulz sieht die Nord-LB-Tochter in guten Händen und will nun kochen lernen.

Christoph Schulz ist seit 47 Jahren ein „Sparkassen-Mann“, 2008 wurde er Vorstandsvorsitzender der Braunschweigischen Landessparkasse (BLSK), die sich nun etwas vom Mutterhaus Norddeutsche Landesbank (Nord-LB) freischwimmt. Schulz geht zum Ende des Jahres in den Ruhestand und schaut „entspannt nach vorne“.

Herr Schulz, die Landessparkasse bekommt mehr Zuständigkeit, etwa im Bereich Personal und Budget. Ist das jetzt schon spürbar?

Was hier verhandelt wurde, betrifft den Zeitraum nach mir. Ich bin mir aber sehr sicher, dass die Ergebnisse gut wirken werden. Es ging ja um die Stärkung der Sparkasse als Gegengewicht zu einer möglichen Schwächung durch den Fortfall des sogenannten Doppelbandes. Ich war ja als Vorstandsvorsitzender der Landessparkasse zugleich Konzernvorstand. In dieser Doppelrolle konnte ich natürlich im Bankvorstand Themen initiieren, beeinflussen oder verhindern – und bei jeder Frage auch immer die Relevanz für das Privatkundengeschäft thematisieren. Also die Interessen der Sparkasse mit den Interessen der Landesbank unmittelbar in Einklang bringen. Mit der nun gefundenen Lösung haben aber der Sparkassenvorstand und der Verwaltungsrat in sich erheblich mehr Kompetenzen, es bedarf künftig weniger Abstimmungen mit Hannover. Diese neue Beinfreiheit gleicht den vermeintlichen Nachteil aus. Ein guter Tausch, Braunschweig hat gut verhandelt.

Wie schwierig war es, diesen Ausgleich durchzusetzen?

Nicht schwierig, aber intensiv. Und jetzt sitzt Ingrid Spletter-Weiß, die mit Okerwasser getauft wurde, im Vorstand der Nord-LB. Sie ist künftig dort für die Landessparkasse zuständig, und das passt sehr gut, sie hat das richtige Herz dafür. Sie wird sich um die Braunschweigischen Belange kümmern. Ingrid und Ingo Lippmann als neuer Landessparkassen-Chef sind in einem guten Austausch. Ich habe keine Sorge vor einer neuen Sprachlosigkeit, wie wir sie 2005 hatten, als der Sparkassenstreit losging. Ich schaue in dieser Situation entspannt nach vorne. Fände ich die neue Aufstellung im Verhältnis Nord-LB und BLSK nicht gut, hätte ich geschwiegen. Laut geschwiegen.

Der neue Vorsitzende Ingo Lippmann, Nord-LB-Vorständin Ingrid Spletter-Weiß, Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD), Wirtschaftsminister Gerald Heere (Grüne) und Christoph Schulz haben im September über die Neuordnung der Zuständigkeiten in der Landessparkasse und Nord-LB in einer Pressekonferenz informiert.
Der neue Vorsitzende Ingo Lippmann, Nord-LB-Vorständin Ingrid Spletter-Weiß, Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD), Wirtschaftsminister Gerald Heere (Grüne) und Christoph Schulz haben im September über die Neuordnung der Zuständigkeiten in der Landessparkasse und Nord-LB in einer Pressekonferenz informiert. © FMN | Bernward Comes

Hat sich die Situation für die Braunschweigische Landessparkasse also unter dem Strich nun verbessert?

Sie hat sich definitiv nicht verschlechtert. Ich bin sogar der Meinung, sie hat sich verbessert. Ich sage immer, die Landessparkasse und ihr Verwaltungsrat machen einen guten Tausch: Sie bekommen für mich, einen konvertierten Braunschweiger, zwei waschechte: Ingo Lippmann ist hier geboren und aufgewachsen, Ingrid Spletter-Weiß ist in Wolfenbüttel geboren, in Leiferde aufgewachsen und in Braunschweig zur Schule gegangen. Zwei Profis, die in der Region verwurzelt sind.

Sind Sie eigentlich froh, dass Sie den vorhin genannten Balance-Akt bald hinter sich haben?

Nee (lacht). Aber ich bin gut im Frieden damit, dass ich gehe.

Wir haben die BLSK immer wieder, durch unterschiedliche Konflikte, in eine neue Stabilität hineingebracht. Das wird in der Zukunft sicher wieder nötig sein – einfach weil die Landessparkasse aus ihrer Geschichte heraus ist, wie sie ist: ein Teil der Nord-LB. Optimalerweise würde eine Sparkasse natürlich in kommunaler Trägerschaft sein. Das wäre auch für die Landessparkasse gut, einfacher und klarer. Sie könnte auch alleine gut bestehen, wir reden hier von einer Großsparkasse. Aber die Landesbank darf, wenn es so kommt, keinen Schaden nehmen.

Zur Person

Christoph Schulz, 63, hat nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Hamburger Sparkasse gemacht. Es folgten Weiterbildungen in den 1980er Jahren.

1994 wechselte Schulz zur Sparkasse Priegnitz in Brandenburg und leistete dort als Vorstandsmitglied „Aufbauarbeit“. 2001 wechselte er als Vorstandschef zur Sparkasse Soltau in der Heide. Von 2003 bis 2006 war er geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands in Berlin.

2006 ging Schulz schließlich zur Norddeutschen Landesbank, ist seitdem Vorstandsmitglied und seit 2008 der Vorstandschef der Braunschweigischen Landessparkasse.

Schulz ist gebürtiger Hamburger, verheiratet und hat drei Kinder. Er wohnt in Wolfenbüttel und auf Föhr.

Sie kennen die Gutachten zu einer Abspaltung von kommunaler und von Landesbank-Seite. Wie wäre eine Abspaltung Ihrer Einschätzung nach möglich?

Das ist eine Entscheidung der Träger, denen die Bank gehört. Klar ist, dass das Thema nicht geeignet ist für eine politische Debatte. Zuerst muss nach rein ökonomischen Gesichtspunkten entschieden werden. Auf das Ergebnis des jetzt beantragten Gutachtens bin ich tatsächlich selbst neugierig.

Ich frage mal anders: Wenn Sie wetten müssten, wie hoch wäre ihr Einsatz auf eine Abspaltung der Sparkasse von der Nord-LB?

Ich hab in meinem ganzen Leben noch nicht gewettet. Noch nicht einmal Lotto gespielt, obwohl ich viele Jahre Aufsichtsratschef von Toto Lotto war. Ich werde jetzt nicht damit anfangen.

Anderes Thema: Was gehört zu den prägendsten Erlebnissen in Ihrer Sparkassen-Zeit?

Ganz früh sicher der Auf- und Ausbau eines Aus- und Weiterbildungssystems im Sudan für den Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Während meiner Zeit bei der Hamburger Sparkasse hat mich die maximal liberale, aber leistungsorientierte Kultur geprägt. Bei der Sparkasse im Osten, im Landkreis Prignitz, hat mich nach der Wende die Redlichkeit und Erdung der kommunalen Verantwortungsträger beeindruckt. Berlin hat mich politisch geprägt, und bei der Braunschweigischen Landessparkassen war das prägendste Erlebnis sicher, wie viel wir in Sachen Unternehmenskultur erreicht haben. Vertrauen und Leistung stehen für uns ganz oben. Die Landessparkasse ist wie mein Wohnzimmer, ich mag es, hier zu sein. Gleichzeitig sind wir wirtschaftlich erfolgreich.

Die Braunschweigische Landessparkasse hat als größte Kundengruppe eine, mit der sie nicht wirklich Geld verdient – dazu zählen Bürgergeld-Empfänger. „Aber das ist auch Sparkasse, unser Auftrag ist es, Teilhabe zu ermöglichen“, sagt Schulz.
Die Braunschweigische Landessparkasse hat als größte Kundengruppe eine, mit der sie nicht wirklich Geld verdient – dazu zählen Bürgergeld-Empfänger. „Aber das ist auch Sparkasse, unser Auftrag ist es, Teilhabe zu ermöglichen“, sagt Schulz. © BestPixels.de | Philipp Ziebart

Warum schätzen Sie Sparkasse so sehr?

Ich bin mit heißem Herzen im 47. Jahr Sparkassen-Mann. Und je älter ich werde, desto grundsätzlicher werde ich dabei. Ich komme selbst aus einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen, das bleibt eine Prägung. Wenn es die Sparkasse nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Wer gibt sonst zum Beispiel Flüchtlingen ein Bankkonto? Wenn es die Sparkasse nicht geben würde, hätten wir in Deutschland Bevölkerungsgruppen ohne Zugang zu bankwirtschaftlichen Leistungen. Die größte Kundengruppe ist die, mit der wir nicht wirklich Geld verdienen. Aber das ist auch Sparkasse, unser Auftrag ist es, Teilhabe zu ermöglichen. Das ist ein Ausrufungszeichen – und nicht selbstverständlich und etwas sehr Schützenswertes.

Sie haben in dieser Region mit der Volksbank Brawo einen starken Mitbewerber. Wie bleibt die Sparkasse durchsetzungsfähig?

Wir konzentrieren uns auf unser Kerngeschäft und unseren öffentlich-rechtlichen Auftrag. Wir gehen nicht auf die Kundenseite, sondern begleiten Kunden bankwirtschaftlich und finanzieren sie. Wir sehen die Sparkasse gut positioniert, wir sind das mit Abstand größte regionale Geldinstitut.

Sie haben in Ihrer langen Karriere viel Veränderung im Bankenbereich erlebt. Was glauben Sie, wo geht die Entwicklung hin?

Allerdings. Das erste Mal stand ich 1975 im Rahmen eines Schulpraktikums an einem Bankschalter. Da gab es keinerlei technische Unterstützung, wir hatten Lochkarten. Während meiner Ausbildungszeit kam das erste Terminal an der Kasse. Dann gab es irgendwann das erste Faxgerät, um das ein regelrechter Tanz aufgeführt wurde. Den ersten PC habe ich später von zu Hause mitgebracht, weil es in der Bank noch keinen gab. Ich dachte in der Vergangenheit sehr oft, dass wir ein Plateau erreicht haben, aber immer wieder gab es neue Entwicklungen. Heute ist es die Künstliche Intelligenz. Sie können mit Chat GPT heute ein Zweier-Abi schreiben, und eine perfekte Marketing-Kampagne generieren mit Bildern, für die Sie nichts zahlen müssen, weil es die Person gar nicht gibt, sie aber wunderbar zusammengesetzt ist. KI ist mehr als 2006 der I-Phone-Moment. Das wird sich natürlich auf das Bankgeschäft auswirken, darauf, wie wir zum Beispiel in Zukunft zahlen – manche machen das heute mit ihrem Fingerring. Ich selbst zahle nur noch mit meinem I-Phone, ich habe keine Karten und kein Bargeld mehr bei mir.

Apropos: Der öffentliche Auftrag der Sparkasse heißt doch auch, Geldversorgung in der Fläche zu gewährleisten. Nun werden immer mehr Automaten abgebaut.

Erstens ist die Frage: Verändern wir das Filialnetz – oder die Kunden? Wenn Geldautomaten nicht mehr genutzt werden, stellt sich diese Frage. Wir haben schon 2015 richtig in unser Filialnetz eingegriffen. In einem Ort gab es dort eine intensive Diskussion mit Blick auf die älteren Bewohner dort. Zugleich gab es dort gar keine Möglichkeit mehr, Geld auszugeben. Die war erst ein Ort weiter gegeben, und dort haben wir auch einen Bankautomaten. Es kann nicht sein, dass wir Struktur nur dafür aufrecht erhalten müssen, dass man dem Enkel am Sonntag Geld zustecken kann. Das ist nicht der öffentliche Auftrag.

„Der Beruf hat vier Jahrzehnte dominiert“, sagt Christoph Schulz, der mit 63 Jahren nun in den Ruhestand geht.
„Der Beruf hat vier Jahrzehnte dominiert“, sagt Christoph Schulz, der mit 63 Jahren nun in den Ruhestand geht. © regios24 | Stefan Lohmann

Welche Dinge haben sich im Bankgeschäft seit 1975 nicht verändert?

Das Gespräch mit den Menschen über Geld. 1975 zum Beispiel war dafür nur wenig Zeit, weil man für den Aufrechterhalt des faktischen Betriebs so viel Zeit brauchte. Und die Fragen waren andere, wir waren der Informationsort, um zum Beispiel die Höhe von Zinsen zu erfahren. Heute kommen die Menschen viel informierter zu uns, um so zugespitzter sind die Geldfragen und -gespräche. Zu den klassischen Lebensphasen: nach der Ausbildung oder wenn man sich selbstständig gemacht. Wenn gestorben wird, wenn Kinder kommen, man sich trennt oder heiratet. Es gibt eine Kette an Meilensteinen, an denen Menschen mit anderen über finanzielle Dinge reden wollen. Dafür braucht es Vertrauen. Weil jeder in unserer heutigen Informationskloake einen Guide braucht. Und jeder geht dahin, wo er oder sie die Vermutung hat, am ehrlichsten beraten zu werden. Dahin, wo man die geringsten Eigeninteressen vermutet. Das ist die Zukunft der Sparkasse. Und das macht uns auch als Arbeitgeber attraktiv, weil diese Arbeit sinnstiftend ist – was man neudeutsch jetzt „Purpose“ nennt.

Ihr persönlicher Job als Vorstand, insgesamt 30 Jahre, war sicherlich sinnstiftend, aber auch intensiv und anstrengend. Wie gehen Sie jetzt in den Ruhestand?

Ich habe viel gearbeitet, aber freiwillig und gern. Wenn ich morgens aufstehe, checke ich die Märkte und vor dem Schlafengehen meine E-Mails – auch wenn das von der Schlaf-Hygiene her Mist ist. Der Beruf hat vier Jahrzehnte dominiert. Ich war einmal im Urlaub mit dem Schiff unterwegs und hatte vier Tage kein Netz. Das war irre.

Haben Sie Verständnis für das Work-Life-Balance-Bedürfnis jüngerer Mitarbeitender?

Ich finde die Diskussion zulässig, habe sie für mich aber nie verstanden. Denn ich persönlich war immer in der Balance. Ich habe gerne gearbeitet und Tage, die lang waren, nicht unbedingt als solche empfunden. Auf der anderen Seite habe ich mir für familiäre Termine auch immer wieder mal Freiheiten herausgenommen, für eine Schulaufführung der Kinder beispielsweise.

Für mich folgt aus der Work-Life-Balance-Debatte auch, dass wir als Arbeitgeber die Arbeit bei uns als sinnstiftend herausstellen müssen – denn dann tut sie auch nicht weh. Aber natürlich habe ich auch Tage, Besprechungen und Situationen hinter mir, die verschenkte Lebenszeit waren. Es gab auch manchmal etwas zu lange Abschnitte, in denen ich viel Disziplin brauchte.

Wann war das?

Zum Beispiel zu Beginn der 2010er Jahren, als die politischen Debatten über die Sparkasse stattfanden, die rein politisch getrieben waren. Aber auch innerhalb der Sparkassen-Organisationen gab es natürlich immer wieder schwierige Zeiten. Aber man sollte Betrachtungszeiträume auseinander ziehen, und das Gesamte sehen, nicht nur die negativen vereinzelten Snapshots.

Und nun im Ruhestand?

Bisher habe ich keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Aber ich habe schon freundliche Anfragen für ehrenamtliche Tätigkeiten, das macht mir Freude. Irgendwann im Frühjahr werde ich meinen Ruhestand begreifen und mir Gedanken machen. Ansonsten habe ich auf der Bucket-List so viele Orte und Bücher, die ich noch nicht bereist oder gelesen habe, so viele Konzerte, die ich nicht besucht habe, so viele Freunde, die zu kurz gekommen sind. Ich freue mich, bei voller Wehmut, in Zukunft nicht mehr die Verantwortung zu tragen. Ich hoffe, noch ein paar schöne Jahrzehnte zu haben. Und ich will noch einmal richtig kochen lernen. Meine Gäste loben mich zwar als Hobbykoch, aber ich will den Dingen auf den Grund gehen (lacht). Und natürlich bleibe ich auch der Region treu. Es ist einfach schön hier.