Braunschweig. Sie schrecke viele vom Schritt in die Selbstständigkeit ab, warnt Kammerpräsident Detlef Bade in Braunschweig beim Ginkgo-Fest.

Die Sonne ließ sich am Donnerstag wieder blicken, und so konnte das Ginkgo-Fest der Handwerkskammer in Braunschweig im recht sommerlichen Ambiente gefeiert werden. „Die Voraussetzungen für einen schönen Abend sind doch gegeben“, sagte Detlef Bade, Präsident der Kammer, deren Bezirk vom Harz bis zur Nordsee reicht und die rund 29.000 Mitgliedsbetriebe mit etwa 150.000 Beschäftigten vertritt. Allerdings berichtete Bade zunächst von dem, was das Handwerk belastet: Eine überbordende Bürokratie.

Die grüne „Krabbelgruppe“ mit Landtagsabgeordnetem Andreas Hoffmann, Leonore Köhler, Lisa-Marie Jalyschko und Jan Wienken, Geschäftsführer der Grünen in Braunschweig. Hinten in der Mitte steht Stephan Lemke, Chef der Stadthalle Braunschweig Betriebsgesellschaft mbH.
Die grüne „Krabbelgruppe“ mit Landtagsabgeordnetem Andreas Hoffmann, Leonore Köhler, Lisa-Marie Jalyschko und Jan Wienken, Geschäftsführer der Grünen in Braunschweig. Hinten in der Mitte steht Stephan Lemke, Chef der Stadthalle Braunschweig Betriebsgesellschaft mbH. © FMN | Bernward Comes

„Die Bürokratiebelastung schreckt offensichtlich viele Handwerkerinnen und Handwerker vom Schritt in die Selbstständigkeit ab“, erklärte Bade vor zahlreichen Gästen aus Politik und Wirtschaft. Das sei „beunruhigend“. Eine aktuelle Umfrage des Zentralverbands des Handwerks hat demnach ergeben, dass für 74 Prozent der Betriebe der Bürokratieaufwand in den letzten fünf Jahren gestiegen ist. „Die größte Belastung sind dabei ständige Anpassungen an neue gesetzliche Regelungen und der Aufwand für Nachweis- und Dokumentationspflichten“, erklärte der Kammerpräsident. Besonders betroffen seien die Betriebe der Gesundheits- und Lebensmittelhandwerke sowie die des Kraftfahrzeughandwerks.

Zahlreiche Betriebe auf der Suche nach einem Nachfolger

Fast zwei Drittel der Betriebe hätten angegeben, dass die Selbstständigkeit im Handwerk zunehmend unattraktiv werde. „Und das bezieht sich sowohl auf bestehende Betriebe als auch auf die Gründung oder Übernahme“, betonte Bade. Er bezeichnete diese Umfrageergebnisse als „alarmierend“ und erklärte, dass auch in unserer Region in den kommenden Jahren zahlreiche Familienbetriebe im Handwerk einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin suchen würden. Die Babyboomer-Jahrgänge würden sich nun nach und nach in den Ruhestand verabschieden.

Kurt Gliwitzky (von links), ehemaliges Vorstandsmitglied der Braunschweigischen Landessparkasse, SPD-Bundestagsabgeordnete Dunja Kreiser aus Wolfenbüttel, Gerd Glogowski, früherer Braunschweiger Oberbürgermeister, und Christine Arbogast, Staatssekretärin im niedersächsischen Sozialministerium.
Kurt Gliwitzky (von links), ehemaliges Vorstandsmitglied der Braunschweigischen Landessparkasse, SPD-Bundestagsabgeordnete Dunja Kreiser aus Wolfenbüttel, Gerd Glogowski, früherer Braunschweiger Oberbürgermeister, und Christine Arbogast, Staatssekretärin im niedersächsischen Sozialministerium. © FMN | Bernward Comes

Die Erkenntnisse müssten ein „deutlicher Notruf“ in Richtung der Gesetzgeber sein. „Die erreichte Menge an Dokumentations-, Nachweis- und Informationspflichten würgt die Handwerksbetriebe regelrecht ab. Der aktuelle Aufwand ist für einen kleinen Betrieb jenseits der Grenze der Belastbarkeit“, warnte Bade. Politik und Wirtschaft müssten gemeinsam Lösungen finden, um die Gründung oder Betriebsübernahme wieder attraktiver zu machen. Bade diente das Handwerk dabei als „konstruktiven Partner“ an, der mit Vorschlägen gerne zur Seite stünde.

Wieder mehr Azubis im Handwerk

Immerhin geht der Trend bei den Auszubildendenzahlen offenbar wieder in die richtige Richtung: In der Region Braunschweig gab es zum 1. August dieses Jahres 15,5 Prozent mehr Vertragsabschlüsse (insgesamt 909) als noch im Vorjahr. Das sei zwar noch nicht Vor-Corona-Niveau, aber „erfreulich“. Aber auch hier appellierte der Kammerpräsident: An den Schulen müsse viel mehr Berufsorientierung stattfinden, damit die Schulabgänger eine Vorstellung von ihren Berufswünschen bekämen. „Es ist noch eine Menge zu tun, um junge Menschen zu erreichen“, sagte Bade. Theoretisch könnten im Kammerbezirk doppelt so viele Menschen ausgebildet werden. Zum ersten August dieses Jahres waren es kammerweit insgesamt 2754.