Oelber am weißen Wege. Der in Wolfsburg geborene China-Experte sprach auf dem Unternehmertag des Arbeitgeberverbands über Auswege aus dem China-Dilemma.

Es ist viel geschrieben und geredet worden über das deutsch-chinesische Verhältnis. Das ist angespannter geworden angesichts des zunehmenden Machthungers der Chinesen, der sich häufenden Vorwürfe der Menschenrechtsverletzungen im Reich der Mitte und der gleichzeitig bestehenden Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom chinesischen Markt. Trotz aller Probleme können es sich die deutschen Unternehmen nach Einschätzung von Felix Lee nicht leisten, das China-Geschäft aufzugeben. Das sagte der in Wolfsburg geborene Sohn chinesischer Eltern in seinem Vortrag auf Schloss Oelber. Dort lud der Arbeitgeberverband Region Braunschweig zum Unternehmertag.

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In dem malerischen Ensemble versammelten sich 300 Gäste aus der regionalen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, um sich von ganz unterschiedlichen Vor- und Beiträgen informieren zu lassen. Lee verfügt nicht nur aufgrund seiner Biografie, sein Vater arbeitete für VW, über China-Expertise, sondern auch über seine Tätigkeiten als Journalist und Buchautor.

Lee: Rückzug ist der falsche Weg

Natürlich liegt es auf der Hand, zunächst an die Größe und Dynamik des chinesischen Marktes zu denken, wenn Lee vor einem Rückzug warnt. Sein Hinweis zielt aber noch tiefer. Seine These: China ist insbesondere auf dem Gebiet digitaler Entwicklungen inzwischen so weit und sogar führend, dass Unternehmen wie Volkswagen im internationalen Wettbewerb schlicht abgehängt würden, wenn sie die Trends dort verpassten.

Nach seinen Angaben sind von den deutschen Unternehmen neben VW auch Daimler, Siemens und BASF sehr von China abhängig. Ihre Investitionen im Reich der Mitte in den vergangenen Jahre entsprächen einem Drittel der gesamten Investitionen aus der EU in China. Ohnehin sei die deutsche Wirtschaft ein großer Profiteur des chinesischen Aufschwungs in den vergangenen Jahrzehnten.

Dramatischer Kurswechsel

Lee warnte zugleich vor Unterwürfigkeit und Blauäugigkeit des Westens. Habe der sich viele Jahre auf die Pragmatik, Zuverlässigkeit und Öffnung Chinas verlassen können, habe es unter der Führung von Staatspräsident Xi Jinping einen dramatischen Kurswechsel in der chinesischen Politik gegeben.

Jinping habe zentrale Punkte früherer Staatsführungen aufgegeben. So gebe es nicht mehr eine kollektive Staatsführung, in der unterschiedliche Meinungen vertreten gewesen seien, die ein breites Spektrum abgedeckt hätten. Stattdessen setze Jinping auf ein System der Ja-Sager, um seine Macht zu zementieren. Dazu gehöre auch die Abkehr vom System, die Staatsführung nach zehn Jahren abzugeben. Es gebe keine rationale, technokratische Staatsführung mehr, sondern die Machtkonzentration auf einen Menschen, fasst Lee seine Analyse zusammen. Die Geschichte lehrt, dass diese Konstellation oft ein fatales Ende nimmt.

Eigene China-Kompetenz stärken

Wie also sollten sich die Chefs deutscher Unternehmen und auch die Politik verhalten? Sie sollten das eine tun, ohne das andere zu lassen, rät Lee – also weiterhin auf das China-Geschäft setzen und gleichzeitig Gegengewichte schaffen. Etwa durch den Aufbau von Industrie in Deutschland. Als Beispiel nannte Lee die Chip-Produktion. Dies könne im Idealfall sogar in Kooperation mit chinesischen Partnern geschehen, meint Lee. Quasi als Zeichen des Handreichens.

Ein weiterer Rat: Unternehmen sollten die eigene China-Kompetenz stärken. Dazu dürfte in Zukunft mehr denn je die hohe Kunst der Diplomatie zählen.