Braunschweig. Die AfD lud zum Streitgespräch. Das war ein Kampf der Kulturen. Der Verein Eike unterstellt der Mehrheit der Klimaforscher Täuschung.

Ausgesprochen hitzig ging es am Donnerstagabend vor und in der Stadthalle Braunschweig zu. Anlass der Aufregung war eine Podiumsdiskussion zum Thema Klimaschutz, zu der die AfD-Fraktion im Regionalverband Großraum Braunschweig eingeladen hatte. Damit bekam der Abend gleich doppelte Zündkraft: Nicht nur die Diskussion über Klimawandel und Klimaschutz polarisiert wie derzeit kaum ein zweites Thema, sondern auch die AfD selbst, weil sich die Partei am rechten politischen Rand bewegt, und der Rechtsaußenflügel der AfD Kontakte zur rechtsextremen Szene unterhält.

Wie sehr der Aufstieg der Partei breite Bevölkerungsschichten beschäftigt, zeigte der AfD-Bundesparteitag vom 29. November bis
1. Dezember in Braunschweig. Mehr als 20.000 Menschen beteiligten sich an einer friedlichen Gegendemonstration.

Nicht ganz so freundlich war es dann Donnerstagabend. Vor der Diskussionsveranstaltung fand sich an der Stadthalle auf Höhe Ottmerstraße eine Gruppe links-orientierter Demonstranten ein, die der ebenfalls anwesenden Polizei Slogans wie „Deutsche Polizisten schützen Nazis und Faschisten“ entgegenschleuderte und sich mit ihr kurzzeitig rangelte. Zudem versperrten Demonstranten wie eine linke Bürgerwehr Passanten den Durchgang, verlangten von ihnen eine Rechtfertigung, warum sie zur Stadthalle wollten, und titulierten jene, die die Antwort verweigerten, auch schon mal als „AfD-Schwein“.

Wer dennoch über einen Umweg auf die Rückseite der Stadthalle gelangte und sich in die Warteschlange einreihte, um die Leibesvisitation über sich ergehen zu lassen, wurde dort Zeuge harter Diskussionen unter AfD-Gegnern. Da gab es die Fraktion, die unbedingt mitdiskutieren wollte, und jene, die eine Teilnahme strikt ablehnte, weil eine Beteiligung die Partei hoffähig mache. Dabei ist die AfD als gewählte Partei doch bereits längst in zahlreichen deutschen Parlamenten vertreten.

Überwiegend sachlich, aber nicht weniger intensiv, verlief die knapp zweieinhalbstündige Klimaschutz-Diskussion vor etwa 100 Zuhörern. Der Grund für die lebhafte Debatte: Die Positionen der Referenten konnten kaum unterschiedlicher sein. Vor der Veranstaltung sagte Gunnar Scherf von der AfD Braunschweig unserer Zeitung, die Partei habe sich bewusst für dieses Format entschieden, um den Zuhörern die Gelegenheit zu bieten, sehr unterschiedliche Positionen zum Klimawandel kennenzulernen. Das diene der Meinungsbildung – auch innerhalb der Partei.

Michael Limburg vom Verein Eike lehnt die These vom menschengemachten Klimawandel ab. Ursächlich sei vor allem die Sonne.
Michael Limburg vom Verein Eike lehnt die These vom menschengemachten Klimawandel ab. Ursächlich sei vor allem die Sonne. © Andreas Schweiger

Auf der einen Seite stand Michael Limburg, Gründungsmitglied und Vizepräsident des in Jena beheimateten Vereins Eike. Das Kürzel steht für Europäisches Institut für Klima und Energie. Die Position des Elektro-Ingenieurs und Mess- und Reglungstechnikers: Der Klimawandel ist zwar da, aber nicht hauptsächlich von Menschen verursacht. Stattdessen seien natürliche Faktoren ursächlich. Das ist die Linie, die überwiegend innerhalb der AfD vertreten wird. Sie geht davon aus, dass die Klimaforschung von der Politik instrumentalisiert wird, um eigene politische und wirtschaftliche Interessen besser durchsetzen zu können.

Auf der anderen Seite stand Jürgen Kuck. Der Professor für Energiemanagement und Gastechnik an der Ostfalia-Hochschule in Wolfenbüttel folgt der Position der großen Mehrheit der Wissenschaftler weltweit: Der Klimawandel stehe ohne jeden Zweifel in direktem Zusammenhang mit dem steigenden CO2-Ausstoß, für den der Mensch seit dem Hochlaufen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert verantwortlich ist – vor allem durch das Verbrennen fossiler Energien wie Kohle, Öl und Gas. Kuck hat ein eigenes Modell entwickelt, um den CO2-Ausstoß zu senken. Durch das beschleunigte Stilllegen von Kohle-Minen und Ölquellen werde der Preis für fossile Energie künstlich erhöht. Dadurch werde wiederum der Ausbau erneuerbarer Energie gefördert.

Professor Jürgen Kuck von der Ostfalia-Hochschule ist überzeugt, dass der Mensch Ursache des Klimawandels ist.
Professor Jürgen Kuck von der Ostfalia-Hochschule ist überzeugt, dass der Mensch Ursache des Klimawandels ist. © Andreas Schweiger

Den Auftakt der Kontroverse machte Kuck mit seinem Vortrag. Bevor er ins Fachliche ging, fand er noch einige persönliche Worte. Kuck sprach von einem besonderen Abend, weil sich Menschen „mit völlig unterschiedlichen Ansichten zusammengefunden haben, um gemeinsam zu diskutieren“. Das habe in Deutschland mittlerweile Seltenheitswert; Braunschweig könne Ausgangspunkt für einen neuen Dialog der unterschiedlichen Lager werden. Die Bitte Kucks um eine sachliche Diskussion unterstützten die Zuhörer geschlossen mit kräftigem Beifall. Sie hielten sich während der gesamten Veranstaltung an die Spielregeln.

Dann ging es los: Kuck nannte als Hauptgrund der Erderwärmung den Treibhauseffekt. Treibhausgase wie CO2, Methan und Lachgas verhinderten, dass von der Erde reflektierte UV-Strahlen der Sonne ins Weltall entweichen könnten. Stattdessen würden die Strahlen von den Treibhausgasen zurück auf die Erde gelenkt und sorgten so für eine weltweit zu messende Erwärmung der Erdoberfläche.

Die Folgen seien dramatisch: Gletscher schmölzen, Permafrostböden tauten auf, Landstriche versteppten, Wetterextreme häuften sich. Kuck warnte vor sogenannten Kipp-Effekten. Soll heißen: Durch den Klimawandel ausgelöste Prozesse, zum Beispiel das Freisetzen von Treibhausgasen, die bisher in Permafrostböden gebunden sind, würden sich selbst verstärken und könnten die klimatischen Veränderungen so noch beschleunigen sowie zusätzliche negative Folgen verursachen. Um seine These zu stützen, zeigt er zahlreiche Grafiken und Tabellen mit Berechnungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Glaubwürdigkeit dieser Berechnungen und Untersuchungen wurden von Kucks Gegenpart Limburg hingegen bezweifelt. Sein Argument: Häufig handele es sich um theoretische Modelle, die nicht durch Naturbeobachtungen gedeckt seien. Zudem würden viele Messmethoden keinen wissenschaftlichen Standards genügen.

Limburg wies auf Gegenmodelle zu den in der Wissenschaft dominierenden Thesen hin, die jedoch nicht berücksichtigt würden. Als Beispiel führte Limburg den amerikanischen Physiker Robert Williams Wood auf, der bereits 1909 die These des Treibhaus-Effektes widerlegt habe.

Ursache für den Klimawandel sei nicht das durch den Verbrauch fossiler Energie freigesetzte CO2, sagte Limburg. Stattdessen habe es immer schon Klimasprünge gegeben, ursächlich dafür seien natürliche Faktoren – allen voran die Sonne als größter Energie-Lieferant der Erde. Sonnenwinde und die kosmische Höhenstrahlung hätten großen Einfluss auf die Wolkenbildung auf der Erde. Eine weitere These Limburgs: CO2 sei keineswegs schädlich, stattdessen profitiere von der zunehmenden Konzentration des Gases das Pflanzenwachstum.

In der anschließenden Diskussion meldeten sich zahlreiche Zuhörer beider Lager mit ihren Fragen zu Wort. Die vielleicht entscheidende Frage stellte einer der Besucher am Ende der Veranstaltung: Welches Interesse und welchen Nutzen könnte die weit überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler weltweit haben, die These des menschengemachten Klimawandels wie bisher so offensiv zu vertreten, sollte sie tatsächlich wissentlich falsch sein?

Limburg verwies auf die Klimaforschung als Millionengeschäft, bei dem nur derjenige am meisten Geld erhalte, der am lautesten rufe und die dramatischsten Nachrichten verbreite. „Verschont uns mit halbwahren Daten, Zuordnungen und Korrelationen. Das ist Sumpf, nichts anders“, forderte er.

Kuck dagegen drehte den Spieß um. Das große Geld fließe nicht in die Wissenschaft, sondern in Großunternehmen wie beispielsweise dem Öl-Konzern Saudi Aramco. Der erziele jährlich dreistellige Milliardengewinne. Diese Unternehmen setzten Mittel ein, um Klimaskeptiker zu unterstützen. Kuck: „Wer hat das größte Interesse, die Erkenntnisse der Wissenschaft zu widerlegen? Das sind die Unternehmen, die fossile Energie nutzen.“