Hamburg. Der neue Beiersdorf-Chef Stefan De Loecker hat viele Baustellen beim dem Nivea-Hersteller – etwa den Aufbau einer Naturkosmetik-Sparte.

Wer beim Einkauf von Creme, Shampoo, Deo oder Sonnenmilch vor den Regalen steht, kommt an den Produkten des Nivea-Herstellers Beiersdorf nicht vorbei.

Dabei macht die legendäre blaue Creme­dose längst den kleinsten Teil des Angebots aus. Frauen oder Männer, Babyhaut oder Falten, Dekorativ oder Detox, Klassiker oder Trends – das Sortiment ist riesig und bietet für die meisten Fälle etwas.

Dahinter steckt die Fokussierung auf die Kernmarke des Hautpflegekonzerns, die der bisherige Vorstandsvorsitzende Stefan Heidenreich vorangetrieben hat. Blue Agenda nennen sie das bei Beiersdorf. Bis heute liegt ein gewisser Glanz über diesem Begriff.

Seit seinem Start im Jahr 2011 hat Heidenreich, der gern Mini-Nivea-Dosen mit Namensaufdruck als Visitenkarten verteilte, konsequent in seine Strategie investiert und etwa die Männer-Sparte massiv ausgebaut.

Dabei holte der Hamburger Konzern, der im deutschen Aktien-Leitindex Dax notiert ist, teure Markenbotschafter ins Boot: Die Weltklasse-Fußballer von Real Madrid etwa, Electro-DJ Robin Schulz oder Schauspielerin und Bond-Girl Monica Bellucci.

Rekordumsätze in Höhe von 7,233 Milliarden Euro

Mit der Strategie-Erweiterung Blue und Beyond, mit der etwa die medizinische Pflegeserie Eucerin oder die hochpreisige Luxuspflege La Prairie gepusht werden, erzielte Beiersdorf steigende Umsätze und Renditen.

Für 2018 meldet der Konzern erneut Rekordumsätze in Höhe von 7,233 Milliarden Euro, ein Plus von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – allerdings getrieben durch die Klebesparte Tesa und bei einer schwächeren Wachstumskurve im Vergleich zum Vorjahr.

 Beiersdorf-Chef Stefan De Loecker
 Beiersdorf-Chef Stefan De Loecker © Beiersdorf | Beiersdorf

Dass Heidenreich ein Jahr vor dem Auslaufen seines Vertrages Ende 2018 Platz für Stefan De Loecker an der Führungsspitze machen musste, hat deshalb weniger mit der Vergangenheit als mit der Zukunft zu tun.

Vor allem Großaktionär Michael Herz, der über die Vermögensverwaltung Maxingvest die Mehrheit an dem Konzern hält, wird nachgesagt, dass er hohe Erwartungen in den 51-Jährigen setzt: Etwa bei Produkt-Innovationen und Akzenten in ausländischen Märkten.

Beiersdorf-Aktie verlor massiv an Wert

Zuletzt musste Beiersdorf etwa hinnehmen, dass im lukrativen Bereich der Lippenpflege die bunten Kugeln des Konkurrenten Eos dem Marktführer Labello zusetzten. Dazu kommt: Die Beiersdorf-Aktie verlor massiv an Wert und lag zum Wochenschluss bei etwa 87 Euro.

Vor einem halben Jahr rangierte das Papier noch in der 100-Euro-Liga. Auch wenn die Kursentwicklung für die Unternehmerfamilie Herz, die auch das Kaffee-Imperium Tchibo kontrolliert, nicht die höchste Priorität haben dürfte – andere Anleger gucken genau hin und haben das Papier zuletzt abgestoßen.

Unternehmensspezifische Gründe für die Kursschwäche sehen Analysten vor allem im nachlassenden Geschäftsschwung zum Jahresende. „Beiersdorf ist im vierten Quartal unter den Erwartungen geblieben“, sagt Andreas Riemann von der Commerzbank.

Im Konsumentengeschäft habe sich das Wachstum von sechs Prozent auf drei Prozent verringert. Betroffen sei vor allem Westeuropa. Mit Blick auf 2019 ist der Analyst vorsichtig.

Er hat die Beiersdorf-Aktie wie die meisten seiner Kollegen auf „Halten“ eingestuft. Andere, wie die Schweizer Großbank UBS, raten zum Verkauf. „Wichtig ist jetzt, dass Beiersdorf mit neuen Produkten Kaufinteresse weckt“, sagt Riemann.

Naturkosmetik als sinnvolle Investition

Jörg Philipp Frey, der das Unternehmen für das Geldhaus M.M. Warburg & CO beobachtet, sieht ebenfalls schwierigere Rahmenbedingungen, gibt aber eine Kaufempfehlung. Die Ausschüttung höherer Dividenden oder Übernahmen würden die Anteilsscheine attraktiver machen.

Mit beidem hatte Beiersdorf sich trotz gut gefüllter Kasse zurückgehalten. „Beispielsweise wäre Naturkosmetik ein sinnvolles Segment für Akquisitionen.“ In diesem stark wachsenden Bereich, in dem Konkurrenten wie Henkel und L’Oreal sich mit Zukäufen zu positionieren versuchen, hat Beiersdorf bislang kein Angebot für die äußerst kaufkräftige Kundengruppe.

Die Herausforderungen für den neuen Mann an der Spitze sind vielfältig. „Der Aufsichtsrat unterstützt nachdrücklich seine beabsichtigte Konzen­tration auf Verbrauchernutzen, Internationalisierung, Digitalisierung, und nachhaltiges Wachstum“, hatte Aufsichtsratschef Reinhard Pöllath in einer offiziellen Erklärung gesagt und war wenig konkret geblieben.

Bislang hat sich De Loecker, der sich seit Mitte 2018 als Heidenreichs Vize warmlaufen konnte, noch nicht zu seiner Strategie geäußert. Einfach wird es angesichts des Wachstumskurses unter seinem Vorgänger nicht.

Allerdings startet der Belgier, dessen Karriere in Zwei-Jahres-Schritten immer nur aufwärtsging, mit einigen Neubesetzungen im Management. So holte sich Beiersdorf unter anderem Asim Naseer von Procter & Gamble, der künftig über die Pflegesparte-Marken (Nivea, Eucerin, La Prairie) wachen soll.

Hanseatische Zurückhaltung bei der Kommunikation

Interessant ist auch der Ansatz, den Beiersdorf mit dem Start-up Wingman-Studios beschreitet. Erstes Ergebnis ist die Wiederbelebung der Männer-Marke Gammon, die in den 1980er- und 90er-Jahren als Aftershave mit Parfümduft erfolgreich war.

Weitere Traditionsprodukte stehen auf der Liste, etwa die Deos der in die Jahre gekommenen Marke 8x4. Unter der Ägide von Stefan Heidenreich war die Philosophie, dass Beiersdorf aus eigener Kraft wachsen solle. Ob sich daran unter De Loecker etwas ändert, muss sich zeigen.

Das Traditionsunternehmen, das sich immer wieder auf seine Bodenständigkeit und hanseatische Zurückhaltung beruft, agiert verschwiegen. Der neue Mann an der Spitze solle Zeit zum Einarbeiten haben, heißt es.

Für die üblichen 100 Tage reicht es aber nicht. Für den 27. Februar ist die Vorlage genauer Geschäftszahlen für das vergangene Jahr angekündigt. Dann, so die Erwartung, wird Stefan De Loecker seine Strategie vorstellen.

Ein teures Zukunftsprojekt hat er geerbt: Der Bau der neuen Konzernzentrale kostet 250 Millionen Euro – 20 Millionen mehr als geplant.