Wolfsburg. Man müsse zugeben, dass etwa die Google-Tochter Waymo bei fahrerlosen Fahrzeugen ein bis zwei Jahre vorn liege, sagte Herbert Diess.

Volkswagen-Chef Herbert Diess hat einen Rückstand bei der Entwicklung von autonom fahrenden Autos eingestanden. Man müsse zugeben, dass etwa die Google-Tochter Waymo bei fahrerlosen Fahrzeugen ein bis zwei Jahre vorn liege, räumte Diess bei einer Konferenz zur Künstlichen Intelligenz (KI) nach einem Vorabbericht der „Welt am Sonntag“ ein. „Doch wir sind entschlossen aufzuholen. Das Spiel ist noch nicht verloren.“ Er verwies darauf, dass viel dabei von der staatlichen Regulierung abhänge.

„Wenn wir zu forsch vorgehen, werden wir scheitern“

Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche sagte bei dem von der „Welt“ organisierten Treffen, dass die Entwicklung aber Hand in Hand mit den Regulierern vorangetrieben werden müsse. „Was wir nicht wollen, ist eine Regulierung, die der Industrie völlig freie Hand lässt, die einfach alles durchwinkt.“ Sonst zerstöre man bei den Menschen das Vertrauen in die neue Technologie. „Wenn wir zu forsch vorgehen, werden wir scheitern“, sagte Zetsche der Zeitung zufolge.

Mit verlässlicher Technik die Zahl der Verkehrstoten senken

Er sagte voraus, die fahrerlosen Fahrzeuge würden sich zunächst auf Autobahnen und bei LKW und anderen Nutzfahrzeugen durchsetzen. „Dann kommen die Robotaxis, die bei Bedarf bestellt werden können und schon keinen menschlichen Fahrer mehr haben.“ Die Technik müsse absolut verlässlich sein und die Zahl der Verkehrstoten drastisch senken. Derzeit würden pro Jahr auf den Straßen 3200 Menschen sterben. Laut Zetsche wären aber auch 320 Tote mit autonom fahrenden Autos noch eine Katastrophe. „Die Roboterautos müssen 100- bis 1000-mal besser sein als der Mensch. Und da wird es dann technisch richtig kompliziert.“

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der Zeitung zufolge, autonome Autos würden sich nicht so schnell durchsetzen wie erwartet. Er sei aber "sicher, dass das komplett fahrerlose Fahren kommt. Vielleicht etwas später, als wir vor zwei, drei Jahren dachten". Deutsche Firmen könnten dabei eine führende Rolle spielen. "Die deutsche Automobilindustrie ist absolut stark darin, hochwertige Fahrzeuge zu entwickeln, zu bauen und zu verkaufen. Dieses Wissen kann den einen oder anderen Rückstand ausgleichen, den wir bei der Entwicklung von digitalen Plattformen haben."

Beim Thema Elektroautos rügte der Minister deutsche Hersteller: "Ich frage mich wirklich, wann Sie, Herr Zetsche, oder Sie, Herr Diess, oder Herr Krüger von BMW in der Lage sein werden, ein Elektroauto zu bauen, das nur halb so sexy ist wie ein Tesla. Was die Attraktivität ihrer E-Autos betrifft, könnten Sie tatsächlich noch einige frische Ideen einbringen."

Mit baldigen Preisrückgängen für E-Autos rechnen deutsche Hersteller indes nicht. Grund ist laut "Welt am Sonntag" die Preisentwicklung bei Batterien. Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrmann sagte der Zeitung, er rechne mittelfristig mit etwa zehn Prozent Preissteigerung und Lieferengpässen bei solchen Batterien. Auch BMW rechne mit höheren Preisen für die Energiespeicher.

VW fordert politische Unterstützung

Der Volkswagen-Konzern, der mit massenhaften Abgasmanipulationen die Diesel-Krise der deutschen Autobranche ausgelöst hatte, steht unter der Führung von Diess vor einem tiefgreifenden Umbau. VW hatte am Freitag Investitionen von fast 44 Milliarden Euro in Elektromobilität und andere Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren und Mobilitätsdienste angekündigt. Auf diesen Feldern konkurrieren die deutschen Hersteller nicht nur miteinander, sondern auch mit kapitalstarken US-Konzernen wie Tesla, Uber und Google.

Diess forderte am Sonntag politische Unterstützung für den Konzernumbau, bei dem zunächst drei große Werke für die Produktion von E-Autos umgerüstet werden sollen. "Ich hoffe, dass wir wieder eine positivere Haltung zum Auto erreichen, sagte er der Zeitung "Bild am Sonntag". Wer nur von Umfrage zu Umfrage und von Wahl zu Wahl denke, könne den Wirtschaftsstandort nicht weiterentwickeln. "Leider kann sich zurzeit anscheinend kaum jemand in der deutschen Parteienlandschaft eine positive Perspektive für das Auto vorstellen", sagte Diess weiter.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer kündigte an, er wolle noch in dieser Wahlperiode den deutschen Markt für Fahrdienste wie Uber öffnen. "Gerade auf dem Land können wir mit Fahrdiensten und Pooling-Systemen ganz neue Möglichkeiten, gerade für ältere Bewohner, schaffen", sagte der CSU-Politiker dem Magazin "Focus". Uber vermittelt per App in rund 60 Ländern Beförderungsaufträge an private Fahrer und macht damit der stärker regulierten Taxibranche Konkurrenz. Das wurde in Deutschland gerichtlich untersagt. "Ich bin gegen Verbote und Einschränkungen, ich bin für Anreize. Wir können beim Mega-Thema Mobilität ja nicht einen Anbieter ausschließen", sagte der Verkehrsminister. Man müsse aber auch die Interessen des Taxi-Gewerbes berücksichtigen.