Berlin. Wenn in einer Beziehung Funkstille herrscht, muss das kein schlechtes Zeichen sein. Ein Experte verrät, wann Schweigen helfen kann.

Manche Menschen lösen Streit im Gespräch, andere schweigen lieber. Der Kulturwissenschaftler Thomas Macho findet Letzteres besser und erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, warum Schweigen in Beziehungen durchaus seine Berechtigung hat.

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Experte verrät: „Streiten ist nicht möglich, ohne zu schweigen“

„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ – dieses Sprichwort gilt besonders für Vorwürfe, die sehr verletzend sind. Denn was einmal gesagt ist, kann nicht mehr zurückgenommen werden. Schweigen kann aber auch in anderen Situationen hilfreich sein. Thomas Macho ist der Ansicht: „Schweigen kann viele Haltungen ausdrücken, von Abwehr und Zorn bis zur Bereitschaft, im Streit erst einmal zuzuhören.“ Schweigen helfe, Informationen und Eindrücke erst einmal für sich zu verarbeiten und den Konflikt nicht eskalieren zu lassen.

Darum schweigen Männer in Beziehungen

Schon kleine Kinder halten sich die Ohren zu, wenn eine Strafpredigt gehalten wird. Auch bei Männern ist dieses Phänomen häufig anzutreffen. Statt über ihre Gefühle zu sprechen, ziehen sich viele Männer bei Konflikten schweigend zurück. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Online-Partnervermittlung „ElitePartner“: Jede fünfte liierte Frau wünscht sich mehr oder bessere Kommunikation von ihrem Partner, ebenso viele (22 Prozent) sehnen sich nach mehr emotionaler Offenheit.

Der Rückzug des Mannes sei aber nicht immer mit Desinteresse gleichzusetzen. Gemeinsames Schweigen könne auch Ausdruck dafür sein, dass man sich sehr wohl und sehr sicher miteinander fühle. „Entscheidend ist oft die nonverbale Begleitung des Schweigens“, betont Kulturwissenschaftler Macho. Wenn es zu Blickkontakten, sanften Berührungen, zum Ausdruck von Affekten zwischen Tränen und einem Lächeln komme, dann könne das Schweigen auch ein Zeichen des Vertrauens sein.

Niemand streitet gern – dabei ist richtiges Streiten sehr wichtig für eine funktionierende Beziehung.
Niemand streitet gern – dabei ist richtiges Streiten sehr wichtig für eine funktionierende Beziehung. © dpa-tmn | Christin Klose

Beziehung: Schweigen ist eine Form des Zuhörens

Zuhören – im Sinne von voller, aufrichtiger und echter Aufmerksamkeit für unser Gegenüber – ist eine Eigenschaft, die gern unterschätzt wird, sagt Kulturwissenschaftler Macho. Wer lerne, aufmerksam zuzuhören und sich auch bei Provokationen zurückzunehmen, verfüge über ein mächtiges Instrument, so Macho. „Schweigen ist dann eine Kunst des Zuhörens, eine stille und sanfte Form der Wahrnehmung.“ Der Experte empfiehlt, das „freundliche, aufmerksame Schweigen“ mit Musik oder beim Aufnehmen guter Ratschläge zu üben.

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Wann wird die Funkstille zu einem Warnsignal für die Beziehung?

Was aber, wenn das Schweigen überhandnimmt? „Schweigen kann Alarm und Hilferuf zugleich sein, wenn wir einander begegnen, als sei alles gesagt und nichts mehr zu sagen“, erklärt Macho. Paare würden in langjährigen Beziehungen oft den Fehler machen zu glauben, sie wüssten schon alles über den anderen. Für eine gelingende Beziehung sei es daher wichtig, neben dem aufmerksamen Schweigen neugierig zu bleiben, Fragen zu stellen und im Gespräch zu bleiben.