Berlin. Der Chef der Handwerkskammer Aachen fordert, Balkonkraftwerke strenger zu kontrollieren. Nicht nötig, meint die Verbraucherzentrale.

Mit Balkonkraftwerken können Verbraucherinnen und Verbraucher langfristig Geld sparen. Wenig verwunderlich also, dass bereits im Frühjahr erste Meldungen durch die Presse gingen, wonach die hohe Nachfrage von einigen Händlern kaum noch bedient werden könne. Jüngst sind sogar Discounter in den Handel mit den Solarmodulen eingestiegen. Der Boom ruft jedoch auch Kritik hervor.

Der Chef der Handwerkskammer Aachen, Marco Herwartz, äußerte jüngst Bedenken an den Mini-Photovoltaikanlagen. Diese können sich Verbraucherinnen und Verbraucher bis zu einer Leistung von 600 Watt kaufen und selbst installieren. Voraussetzung ist nur eine Genehmigung des Vermieters, beziehungsweise ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung.

Die Anlagen sind meist mit Schuko-Stecker erhältlich und können einfach an die Steckdose angeschlossen werden. Allerdings müssen sie beim Netzbetreiber angemeldet werden. Herwartz kritisiert daran zweierlei: Erstens seien etwa 80 Prozent der elektrischen Anlagen in bestehenden Gebäuden sanierungsbedürftig, und mit der neuen Stromquelle am Balkon würden dünne Leitungen und wackelige Verbindungen das Brandrisiko erhöhen. Die Werbung für sogenannte Plug&Play-Lösungen vermittle den Eindruck, dass Balkonkraftwerke nach Belieben angeschlossen werden könnten. "Vielmehr handelt es sich aber um eine Anlagenerweiterung, die nach Norm geprüft und angepasst werden muss. Das kann kein Laie", betont der HWK-Präsident. Zweitens würden zu viele Anlagen trotz Pflicht nicht angemeldet werden. Stimmt das?

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Mit einer Solaranlage auf dem Balkon lässt sich richtig Geld einsparen.
Mit einer Solaranlage auf dem Balkon lässt sich richtig Geld einsparen. © dpa | Sebastian Gollnow

Verbraucherzentrale mit klarer Antwort: Balkonkraftwerke sind sicher

"Ich teile diese Kritik nicht", sagt Bernd Rosenthal, Experte für Balkonkraftkraftwerke bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen. "Die PV-Anlagen mit Schuko-Stecker haben im Vergleich zu anderen Geräten nur eine geringe Leistung, etwa einer Spülmaschine oder Waschmaschine." Auch die bisherige Erfahrung zeige, dass von ihnen kein erhöhtes Risiko ausgeht. Bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz heißt es: "Ende 2021 waren bereits über 190.000 solcher Systeme in Deutschland in Betrieb. Bisher ist kein einziger Fall von Sachschäden oder verletzten Personen bekannt geworden."

Sicher seien Steckersolar-Geräte dann, wenn die verwendeten Modulwechselrichter die Anforderungen erfüllen, die auch an Wechselrichter für normale Photovoltaikanlagen gestellt würden. Die Installationsnorm sehe zudem vor, dass eine Elektrofachkraft die Eignung des Stromkreises für die Einspeisung von Solarstrom prüft – verpflichtend ist das allerdings nicht.

Rosenthal ergänzt: "Wenn man das Gerät an eine Leitung anschließen möchte, die seit Längerem nicht benutzt wurde, empfiehlt es sich, einen Elektriker hinzuzuziehen." Auch bei sehr alten Gebäuden, die noch vor oder um 1930 erbaut wurden, sei es ratsam einen Fachmann hinzuzuziehen.

Zur Frage, ob es tatsächlich so viele unangemeldete Balkonkraftwerke in Deutschland gebe, liegen der Verbraucherzentrale keine Informationen vor. Rosenthal vermutet aber, dass es unangemeldete Geräte geben könnte und diese aus einer Zeit stammen, in der die Anbringung noch gar nicht erlaubt war. Die Anmeldepflicht hält er für sinnvoll, um einen Überblick über die hinzugebaute PV-Leistung in Deutschland zu behalten. Die trage schließlich dazu bei, Netzstrom zu ersetzen.

Unregistrierte Balkonkraftwerke: Keine Zahlen bekannt

Auch bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) gibt es keine Informationen dazu, wie viele unangemeldete Balkonkraftwerke im Umlauf sind. Allerdings räumt die BNetzA ein: "Die Registrierungsquote bei 'Balkonkraftwerken' entspricht noch nicht den Pflichten der Anlagenbetreiber, den Erwartungen der Bundesnetzagentur und der anderen Nutzer des Marktstammdatenregisters." Man rechne aber damit, dass die Anzahl der Registrierungen künftig zunehmen werde.