Berlin. Fledermäuse haben nicht den besten Ruf. Doch einige Forschende sind überzeugt, dass man viel vom Immunsystem der Tiere lernen kann.

Es mag vielleicht erstmal widersprüchlich klingen: Fledermäuse könnten dabei helfen, mit Pandemien besser klarzukommen. Dabei gelten die Fledertiere doch als Träger vieler gefährlicher Viren. Wie passt das zusammen? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind fasziniert von den Eigenschaften der Säugetiere und haben ein globales Genetikprojekt ins Leben gerufen, um mehr über die Tiere herauszufinden.

Fledermaus: Das macht sie für Forschende so faszinierend

Fledermäuse haben erstaunliche Merkmale: Sie sind die einzigen Säugetiere, die fliegen können. Die Fledertiere sind nachaktiv und nutzen Schallwellen, um ihre Beute zu orten. Sie schlafen mit dem Kopf nach unten. In Deutschland gibt es laut der Website der "Deutschen Wildtier Stiftung" rund 25 Arten. Demnach können Fledermäuse bis zu 30 Jahre alt werden.

Was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aber nun besonders interessiert? Offenbar haben Fledermäuse ein ganz besonderes Immunsystem. Sie können potenziell tödliche Viren in ihrem Körper beherbergen – wie beispielsweise Corona-Viren, Marburg-Viren und Hendra-Viren – und dennoch keine negativen Auswirkungen davontragen.

Das Projekt "Bat1K" ist entstanden, um zu verstehen, warum Fledermäuse diesen sehr schädlichen Viren entgehen können. „Fledermäuse haben das Potenzial, uns viel über die Bekämpfung von Krankheiten beizubringen“, sagte die Forscherin Emma Teeling vom University College Dublin, die eine Schlüsselrolle bei der Einrichtung des Projekts "Bat1K" spielte, gegenüber der britischen Zeitung "The Guardian".

Fledermäuse haben ein erstaunliches Immunsystem. Das macht sie für die Forschung interessant. (Symbolbild)
Fledermäuse haben ein erstaunliches Immunsystem. Das macht sie für die Forschung interessant. (Symbolbild) © Thorsten Spoerlein/iStock

Pandemie: Fledermäuse könnten Coronaviren übertragen haben

Es gibt laut dem Bericht des "Guardian" die Annahme, dass die Flugtiere die ursprüngliche Quelle des Sars-CoV-2-Virus sind – wodurch letztendlich die Corona-Pandemie entstanden ist. Die Forscherin Teeling hält es demnach für höchstwahrscheinlich, dass Sars-CoV-2 sich entwickelt hat, indem ein Tier von einer Fledermaus auf einem Markt infiziert worden ist.

Mit der Theorie ist die Forscherin nicht allein: Bereits 2021 veröffentlichten WHO-Experten eine Untersuchung, die die Übertragung des Virus von Fledermäusen über ein anderes Tier auf den Menschen als das wahrscheinlichste Szenario einstuft. Eine sichere Antwort zum Ursprung der Corona-Pandemie gibt es jedoch bislang nicht.

Fledermäuse: Wieso bleiben die Tiere trotz der Viren unbeschadet?

All diese Entdeckungen führen immer wieder zu der Frage: Wie können die Fledermäuse selbst offenbar unberührt von den Viren bleiben? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tüfteln nun an diesem Rätsel. „Die Antwort hängt mit der Flugfähigkeit der Tiere zusammen“, sagte Teeling im "Guardian". Das Fliegen sei enorm energieaufwendig und würde im Körper vieler Säugtiere zum Zerfall einiger Zellen führen. Dadurch könnten DNA-Teile abbrechen. Bei nicht fliegenden Säugetieren reagieren die Immunzellen darauf mit einem "Gegenangriff" – dadurch kann eine starke Entzündung ausgelöst werden.

Bei Fledermäusen kommt es aber nicht zu dieser intensiven Reaktion des Immunsystems. Dadurch sind sie wahrscheinlich in der Lage, mit Viren umzugehen, ohne so heftige Reaktionen darauf zu erleiden, wie andere Säugetiere. Wie ganz genau das aber funktioniert, ist noch nicht ausreichend untersucht.

Mit dem "Bat1K"-Projekt versuchen Forscherinnen und Forscher Genome von Fledermäusen zu dokumentieren. 2020 veröffentlichten Teeling und ihre Kolleginnen und Kollegen bereits die ersten qualitativ hochwertigen Genome von sechs verschiedenen Fledermausarten. Dadurch wird es nach und nach leichter, das Immunsystem der Tiere besser zu verstehen und zu entschlüsseln. Mit dem Projekt konnten bisher rund 80 Genome sequenziert werden.

Immunsystem von Fledermäusen: Darum ist es für Menschen so spannend

Es müssen noch viele weitere Genome der Tiere untersucht werden, um hinter die exakte Methode zu kommen, mit der Fledermäuse es schaffen, nicht mit Entzündungen auf die Viren zu reagieren. Jedoch sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zuversichtlich. „In den kommenden zwei, drei Jahren wird es große Fortschritte in der Virologie und Immunologie der Fledertiere geben", sagte der Immunologe Tony Schountz von der Colorado State University in Fort Collins, USA, im Fachjournal "Nature".

Das Ziel der Forschung ist mitunter: Das Wissen soll genutzt werden, um Medikamente zu entwickeln, mit denen das Verhalten des Immunsystems der Fledermäuse beim Menschen nachahmbar wird. (emi)