Berlin. Wer den Ruhestand nicht vorbereitet, kann nach dem letzten Arbeitstag in ein tiefes Loch fallen. Experten erklären, worauf es ankommt.

Kein Wecker mehr, keine Chefs, kein Stress am Arbeitsplatz: Viele wünschen sich den Ruhestand sehnlichst herbei. Doch am Tag X zeigt sich die Schattenseite. Ohne berufliche Pflichten wird das Leben leerer – es sei denn, man hat neue sinnvolle Aufgaben und soziale Kontakte, die zufriedenstellen. Darauf kann man sich vorbereiten.

Da die Menschen im Schnitt immer älter werden, wäre das sogar wichtiger denn je. Tatsächlich aber kümmern sich 78 Prozent der Berufstätigen gar nicht oder kaum um die Planung des Ruhestands, ergab eine Umfrage der Versicherungswirtschaft. So sagt fast die Hälfte der Befragten (48 Prozent), sie müsste sich mehr um Freundschaften kümmern, um im Alter nicht zu vereinsamen. Etwa drei von vier (74 Prozent) räumen ein, nicht genug für den eigenen Körper zu tun.

Doch mangelnde Vorbereitung der Rente birgt die Gefahr, in ein tiefes Loch zu fallen nach dem letzten Arbeitstag. Dies kann sogar krank machen. „Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, der Verlust von Anerkennung, einem geregelten Tagesablauf und sozialen Kontakten führen zu Angst und Unzufriedenheit. Damit steigt zugleich auch das Risiko für psychische und psychosomatische Erkrankungen“, warnt etwa die Deutsche Seniorenliga.

Ruhestand: Vier Schritte und Tipps für die innere Vorbereitung

Ein Patentrezept zum Füllen der freien Zeit gibt es nicht – und kann es auch nicht geben, weil die Menschen verschieden sind. Einige beschäftigen sich gern zu Hause, andere suchen die Begegnung mit anderen oder wollen sich gesellschaftlich engagieren. Auch die gesundheitlichen Voraussetzungen unterscheiden sich. Für alle aber gibt es gedankliche Hilfen auf dem Weg in einen zufriedenen Ruhestand. Vier Schritte werden von Fachleuten besonders oft empfohlen.

Schritt 1 – Vom Beruf loslassen

Bei aller Freude, endlich mehr Zeit zu haben, sind die Gefühle beim Gedanken ans Berufsende bei vielen Menschen doch gemischt. So berichtet das Dresdner Kompetenzzentrum für den Übergang in den Ruhestand (KÜR), dass das Loslassen vom Beruf „schmerzhaft und langwierig“ sein könne. Um sich die Sache zu erleichtern, sollten die positiven und negativen Aspekte der Berufstätigkeit aufgeschrieben und mit vertrauten Personen besprochen werden.

Tipp: In einem „Ruhestandskompass“ bietet das KÜR eine Liste mit Fragen an, die persönlich beantwortet werden können, wie etwa: „Was werde ich künftig vermissen – und womit möchte ich abschließen?“ – „Woran erinnere ich mich gerne, welche Fähigkeiten konnte ich im Beruf gewinnen – und woran hat mich der Beruf bislang gehindert?“ Abschiede im Leben fallen den Experten zufolge leichter, wenn die Veränderungen „bewusst und mutig“ angenommen werden.

Schritt 2 – Über eigene Wünsche klarwerden

Eine grobe Vorstellung davon, was sie im Ruhestand machen möchten, haben wohl die meisten, genaue Pläne aber kaum. Das aber erschwert den Eintritt in die neue Lebensphase. „Aus unserer Erfahrung ist es wichtig, dass man sich frühzeitig konkret auf den Ruhestand vorbereitet. Dabei kann es helfen, sich zu überlegen: Wie stelle ich mir in 10 und in 20 Jahren einen gelungenen Tag vor und womit ist er gefüllt“, sagt Silke Leicht, Referentin für Engagement und Partizipation der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO).

Einige Beispiele der BAGSO-Expertin: Wer sich wünscht, mit anderen spazieren zu gehen oder Sport zu treiben, sollte schon einmal Kontakt zu Menschen mit ähnlichen Interessen suchen. Ältere, die sich gern mit neuen Themen beschäftigen, könnten jetzt schon überlegen, welche dies sind – etwa das Auffrischen der Englisch-Kenntnisse oder das Erlernen von etwas ganz Neuem. Wem eine gute Nachbarschaft wichtig ist, könne ebenfalls frühzeitig Kontakte knüpfen.

Tipp: Von Sorgen vor möglichen Einschränkungen in der Zukunft – etwa durch Krankheiten – sollte man sich beim Formulieren der eigenen Wünsche nicht leiten lassen. „Es geht darum, gut für die Zukunft zu sorgen, soweit es in der eigenen Hand liegt“, rät Leicht.

Rechtzeitige Planung ist entscheidend, um den Ruhestand am Ende entspannt genießen zu können.
Rechtzeitige Planung ist entscheidend, um den Ruhestand am Ende entspannt genießen zu können. © iStock | istock

Schritt 3 – Partnerbeziehung klären

Die meisten Paare freuen sich darauf, im Ruhestand mehr Zeit miteinander verbringen zu können. Es werde aber eine „Anpassung und Neujustierung“ der Beziehung erforderlich, so das Dresdener KÜR. So müssten die Rollen, Rituale, Wünsche und Ziele neu aufeinander abgestimmt werden. „Auch ist zu klären, wie viel Raum für Individualität und für Gemeinsamkeit jeder Partner benötigt“, betont das KÜR. Die Empfehlung der Experten: Schon vor Beginn des Ruhestands über die Erwartungen und Bedürfnisse austauschen.

Tipp: Viele Ruheständler kümmern sich gern um ihre Enkel. Die KÜR-Fachleute raten, sich mit deren Betreuung aber nicht zu übernehmen und Grenzen zu setzen. Wer umgekehrt keine eigenen Enkel hat, aber zeitweise in die Großeltern-Rolle schlüpfen möchte, kann sich an eine Vermittlungsstelle für „Leih-Großeltern“ wenden.

Schritt 4 – Über freiwillige Engagements informieren

Nicht allen genügt es, für sich privat etwas zu tun, also etwa zu reisen, zu malen oder fernzusehen. Auch das freiwillige Engagement für andere kann Freude bereiten und Anerkennung bringen. Wer will, kann vielleicht sogar seine beruflichen Fähigkeiten dabei einsetzen. Je früher die Möglichkeiten dazu vor Ort ausgelotet werden, desto besser. „Wir begegnen vielen Menschen, die überlegen, wie sie sich im Ruhestand in die Gesellschaft einbringen können“, sagt BAGSO-Expertin Leicht.

Sie nennt als Beispiele für Engagements: junge Menschen in der Ausbildung unterstützen, einen Bürgerbus organisieren, Nachbarn helfen, Nachhilfe für Geflüchtete anbieten, eine Lesepartnerschaft für Kita-Kinder übernehmen oder sich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz einsetzen. „Wer politisch aktiv werden will, kann sich zum Beispiel in einem Seniorenbeirat vor Ort engagieren oder einer der vielen Initiativen anschließen“, erläutert Leicht.

Tipp: Eine Anlaufstelle für Ruheständler, die sich gesellschaftlich einbringen möchten oder einfach nur Kontakte suchen, sind neben Kommunen und Seniorenbeiräten auch Vereine, Wohlfahrtsverbände, Mehrgenerationenhäuser oder etwa Kirchengemeinden. Zudem gibt es bundesweit rund 400 Freiwilligen-Initiativen (www.bagfa.de). Einige Organisationen wie das „Netzwerk der Wirtschaftssenioren“ oder der „Senior Expert Service“ bieten Gelegenheiten, Fachwissen ehrenamtlich weiterzugeben.