Wolfsburg. Olympia-Teilnehmer, Interconti-Champ: Ungeschlagen, aber nach einigen Enttäuschungen tritt Wolfsburgs WM-Hoffnung von der Bühne Profisport ab.

Dieses Ende kam schleichend, ist jetzt aber ein klarer Schlussstrich: Patrick Wojcicki, Wolfsburgs erfolgreichster Boxer, beendet seine Profikarriere. Sein sportlicher Werdegang hatte eigentlich immer noch die Richtung nach oben gekannt, doch nach einigen Enttäuschungen abseits des Rings ist das Ende erreicht. Er sagt: „Ich muss mich 110 Prozent motivieren können, um weiterzumachen – und dazu bin ich aktuell nicht bereit.“

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Der 31 Jahre Wolfsburger hatte eine steile Karriere hingelegt. Erst bei den Amateuren, bei denen er Fünfter der Jugend-WM in Mexiko wurde, mehrfacher deutscher Meister im Nachwuchs und Erwachsenenbereich war – und schließlich einer von nur vier deutschen Boxern, bei den Olympischen Spiele 2012. Schon nach dem Erstrunden-Aus in London hatte Wojcicki eine längere Boxpause eingelegt, holte sich sogar einen EM-Titel im Kickboxen. Er kämpfte wieder ohne großen Druck, ohne die Zwänge, die in Verbandsstrukturen schon mal erdrückend sein können.

2015 startete Patrick Wojcicki seine Profikarriere in Hannover mit einem Sieg gegen Surik Donsdean. Das große Ziel: Irgendwann Weltmeister werden. Erfüllt hat es sich nun nicht.
2015 startete Patrick Wojcicki seine Profikarriere in Hannover mit einem Sieg gegen Surik Donsdean. Das große Ziel: Irgendwann Weltmeister werden. Erfüllt hat es sich nun nicht. © Regios24 | Sebastian Priebe

Überraschender Profi-Einstieg, im Wartestand um den IBF-Eliminator

Sein Einstieg bei den Profis im November 2015 kam dann durchaus überraschend. Er unterschrieb langfristig beim renommierten Sauerland-Boxstall, feierte ein starkes Debüt in Hannover gegen den erfahrenen Surik Donsdean und wurde von Promoter Wilfried Sauerland kontinuierlich aufgebaut. Im Mai 2018 schnappte er sich den IBF-Interconti-Titel des erfahrenen Ronny Mittag und verteidigte ihn zwei Mal vor vollem Haus im Wolfsburger Congress-Park, zuletzt am 6. April 2019 in einem hitzigen Fight gegen den Argentinier Marcelo Caceres.

Doch dann geriet die Karriere ins Stocken – und der Mittelgewichtler aus der VW-Stadt konnte nicht mal etwas dafür. Er hatte sich in der IBF-Weltrangliste als Kandidat für einen WM-Ausscheidungskampf emporgeboxt – und war plötzlich im Wartestand, weil vor so einem Fight eines Weltverbands mit Sitz in den USA erst einmal ziemlich viel zu verhandeln ist; wer richtet aus, gegen welchen Gegner, und wie viel springt dabei heraus?

Wojcicki beendet Vertragsgespräche mit Wasserman Boxing

Immer wieder wurde der als sicher geltende Kampf verschoben. Zuletzt ließ eine kleinere Verletzung Wojcickis den Fight platzen. Er hätte nur zwei Wochen mehr Zeit gebraucht, und es wirkte fast so, als habe sein Promoter nur auf die Chance gewartet, ihm den versprochenen Kampf wieder wegzunehmen. Natürlich waren mit der Corona-Pandemie auch Gründe im Spiel, die keine Seite hatte beeinflussen können. Nach langen Verhandlungen um eine weitere Vertragsverlängerung entschied sich Wojcicki im vergangenen Frühjahr, die Zusammenarbeit mit Wasserman Boxing um die Promoter-Söhne Kalle und Nisse Sauerland zu beenden.

Die Karriere hatte er damals nicht beenden wollen. Er hielt sich fit, verhandelte mit verschiedenen Promotern. Zuletzt soll er mit dem Universum-Stall gesprochen, den Hamburgern schließlich aber abgesagt haben.

Arbeiteten immer zusammen: Patrick Wojcicki mit Antonino Spatola, der für den Boxer nicht nur Coach sondern auch Vertrauensperson ist.
Arbeiteten immer zusammen: Patrick Wojcicki mit Antonino Spatola, der für den Boxer nicht nur Coach sondern auch Vertrauensperson ist. © regios24 | Sebastian Priebe

Trainer Antonino Spatola trägt die Entscheidung mit, aber...

16 Profikämpfe stehen für ihn zu Buche, 15 Siege (sechs davon vorzeitig) und ein für seinen damaligen Gegner Anatoli Hunanyan schmeichelhaftes Unentschieden. Seinen letzten Kampf bestritt „Wolf“ Wojcicki im Dezember 2021, feierte einen K.o.-Sieg gegen Alexander Pavlov. Es sollte das Comeback werden – im Nachgang war es seine Abschiedsvorstellung.

Antonino Spatola, der Wojcicki von klein auf trainiert hat und ihm immer beratend zur Seite stand, trägt die Entscheidung seines sportlichen Ziehsohns mit, bedauert aber: „Patrick war nie verletzt, hat immer klug geboxt und keine schweren Treffer kassiert – ich wäre nur zu gerne mit ihm Weltmeister geworden.“ Das war auch das Ziel, das der 31-Jährige bei seinem Profi-Start 2015 ausgegeben.

Sein wichtigster Erfolg: Patrick Wojcicki besiegte im Mai 2018 Ronny Mittag in Potsdam, wurde IBF-Interconti-Champion und deutscher Meister bei den Profis.
Sein wichtigster Erfolg: Patrick Wojcicki besiegte im Mai 2018 Ronny Mittag in Potsdam, wurde IBF-Interconti-Champion und deutscher Meister bei den Profis. © imago/Mausolf | Winfried Mausolf

Wojcicki konzentriert sich mehr auf seine Wasserpfeifen-Bar

Doch Wojcicki ist keiner, dem vermeintlich verpasste Chancen nachhängen. Wird er sich in ein paar Jahren vielleicht fragen, ob er so kurz vor den großen Kämpfen nicht doch hätte weitermachen sollen? Für den Wolfsburger ist es reine Theorie: „Ich glaube daran, dass im Leben alles so kommt, wie es kommen soll.“

Für seine Karriere hatte er sich von Volkswagen freistellen lassen, Ende des Jahres könnte er zurückkehren. Bis zum Sommer muss er sich entscheiden. Neben seiner sportlichen Laufbahn hat er sich ein zweites Standbein aufgebaut, betreibt die Wasserpfeifen-Bar „Shish&Co“ in Wolfsburg, lange Zeit mit einem Partner, inzwischen in Alleinverantwortung. Auch die beruflichen Anforderungen sorgten dafür, dass seine ungeteilte Aufmerksamkeit nicht mehr auf dem Boxen liegen wird. Dabei hatte er zuletzt ein starkes Trainingscomeback hingelegt, Spatola meinte sogar: „Patrick war so stark, als wäre er nie weggewesen.“

Der scheidende Profi lässt sich ein Hintertürchen fürs Comeback

Wobei: Seine Aussage, er könne sich „aktuell nicht“ für das Profigeschäft motivieren, lässt ein Hintertürchen für eine Rückkehr. Auch nach Olympia schien es nicht so, als würde die große Box-Karriere noch kommen – und kam dann Ende 2015 doch noch. Gedanklich aber hat Wojcicki mit dem Profiboxen abgeschlossen – und ist damit bereit für andere Kapitel in seinem Leben.

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