Almancil. Die Kapitänin von VfL Wolfsburg und Nationalmannschaft hatte sich eine mediale Auszeit genommen. Jetzt spricht sie wieder, wie immer Klartext.

Seit dem EM-Märchen im Sommer 2022 ist Alexandra Popp (33) als das Gesicht des deutschen Frauenfußballs omnipräsent. Die Kapitänin des VfL Wolfsburg war in der Folge unter anderem zu Gast auf dem „Wetten, dass....?!?“-Sofa und ist eine der, wenn nicht die, gefragteste Gesprächspartnerin aus ihrem Sport.

Ein Jahr lang war das vollkommen okay, weil zum einen das Interesse enorm gewachsen war, aber auch die sportlichen Leistungen - der VfL erreichte unter anderem das Finale der Champions League - passten. Dann kam das Vorrunden-Aus bei der WM und eine grundsätzlich schwierige Phase mit der Nationalelf sowie im Klub das Verpassen der Champions-League-Gruppenphase.

Popp hat sich zuletzt eine rund zweimonatige mediale Auszeit genommen. Im Trainingslager der VfLerinnen in Almancil (Portugal) gab sie jetzt wieder ein erstes Interview - und redete dabei wie immer Klartext: über die Gründe der Auszeit, die DFB-Frauen und Männer sowie den VfL.

In den vergangenen Monaten haben Sie sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und keine Interviews mehr gegeben. Wie kam es dazu?

Ich wollte einfach meine Leistung wieder auf den Platz bringen. Um ehrlich zu sein: Ich hatte das Gefühl, dass bei jedem Thema mein Gesicht auftauchte. Da musste es noch nicht einmal über den VfL oder die Nationalmannschaft gehen. Immer wieder wurden irgendwelche Zitate von mir benutzt. Irgendwann konnte ich mich selbst nicht mehr hören und nicht mehr sehen. Das hat sich auch ein Stück in meinen Leistungen auf dem Platz widergespiegelt. Ich habe nicht mehr ganz so die Leistung gebracht, die ich von mir erwarte. Und deshalb habe ich gesagt: Bis Ende des Jahres ist jetzt erst einmal Ruhe im Karton. Ich mache nichts mehr. Es gibt noch genügend andere Spielerinnen, die mündig sind, um sich zu äußern.

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Hatte sich das bei Ihnen aufgestaut?

Die Anfragen haben in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Ich denke, dass man damit erst einmal wachsen muss. Ich gehöre bereits zu den älteren Spielerinnen und in diesem Ausmaß kennen wir das von früher auch nicht. Deshalb habe ich mich entschieden, Ruhe zu haben, um mich auf den Fußball zu konzentrieren. Selbstverständlich spielte dabei auch das Champions League-Aus mit dem VfL eine Rolle. Ich hatte das Gefühl, dass wir nicht so in den Flow kommen. Das frühe WM-Aus mit der Nationalmannschaft und die ganzen Themen danach waren auch nicht so einfach.

Gab es einen konkreten Auslöser?

Nach dem zweiten DFB-Lehrgang nach der Weltmeisterschaft habe ich mich dazu entschieden. Da habe ich mit den Presseverantwortlichen von DFB und VfL gesprochen, dass sie mich rausnehmen sollen. Ich hatte das Gefühl, ich schaue bei Instagram rein und sehe immer nur mein Gesicht, ohne dass ich auf mein eigenes Profil klicken würde. Das hat mich total genervt. Ausschlaggebend war dann ein Gespräch mit Annike Krahn, in dem sie sagte, dass ich nach einem Spiel wieder vor der Kamera gestanden hätte. Und sie fügte hinzu, dass sie es nicht versteht, warum man mich nicht mal rausnimmt. Dann sagte sie: „Poppi, um ehrlich zu sein: Ich kann dich nicht mehr sehen!“ Ich schaute sie an und antwortete. „Danke, Annike, genauso geht es mir auch.“ Das war der letzte Impuls, den ich brauchte, um zu erkennen: Okay, das war‘s erst einmal.

Alexandra Popp und Annike Krahn (rechts) kennen sich schon lange (hier bei einem Empfang in Duisburg 2011). Die frühere Mitspielerin meinte dann zu Popp: „Um ehrlich zu sein, Ich kann dich nicht mehr sehen!“
Alexandra Popp und Annike Krahn (rechts) kennen sich schon lange (hier bei einem Empfang in Duisburg 2011). Die frühere Mitspielerin meinte dann zu Popp: „Um ehrlich zu sein, Ich kann dich nicht mehr sehen!“ © WAZ FotoPool | KITSCHENBERG, Kai

Würden Sie heute sagen, dass es dieser persönliche Rückzug auf Zeit die richtige Entscheidung war?

Ja, total. Ich bin nun wieder ausgeglichener, habe mehr Zeit für mich.

Welche Lehren ziehen Sie für die Zukunft daraus?

Ich wieder mich immer mal wieder rausnehmen.

Als Kapitänin steht man vor der Mannschaft, da sollte man Rede und Antwort stehen. Aber es ist auch nicht verkehrt, mal zu sagen: Nein, das mache ich jetzt nicht.
Alexandra Popp - Spielführerin des VfL Wolfsburg

Ist das die Kehrseite Ihrer Beliebtheit, dass man auch Opfer bringen muss?

Ja, vielleicht ist das ein Stück weit so. Als Kapitänin steht man vor der Mannschaft, da sollte man Rede und Antwort stehen. Aber es ist auch nicht verkehrt, mal zu sagen: Nein, das mache ich jetzt nicht.

Hatten Sie keine Kraft mehr, waren Sie müde, ausgelaugt?

Müde ja, das trifft es vielleicht. Wir hatten eine lange Saison, sind knapp nicht Meister geworden, haben das Champions-League-Finale verloren und die WM-Vorrunde nicht überstanden. Natürlich macht das mental etwas mit einem. Natürlich ist man dann ein wenig müde.

Alexandra Popp nach dem Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft in Australien im vergangenen Sommer.
Alexandra Popp nach dem Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft in Australien im vergangenen Sommer. © dpa | Sebastian Gollnow

Seit der EM mit Platz 2 für die Nationalmannschaft ging es gefühlt immer nur nach oben für den Frauenfußball. Dann kamen die WM, der schwache Nations-League-Start und das Königsklassen-Aus mit dem VfL. Was macht diese Fallhöhe mit Einem?

Es ist schwierig, weil man nicht weiß, warum das so passiert. Ich hatte schon das Gefühl, dass es bereits nach der erfolgreichen EM kräftezehrender wurde. Man hat gespürt, dass wir Spielerinnen da bereits müde waren und deshalb bei der WM nicht das leisten konnten, was wir können.

Um ehrlich zu sein: Wir sind jetzt froh, dass das Thema vom Tisch ist und wir wissen, dass wir mit Horst Hrubesch einen Bundestrainer haben.
Alexandra Popp - über die ungewisse Zeit bei den DFB-Frauen wegen der Erkrankung von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg

Martina Voss-Tecklenburg kennen Sie bereits Ihre gesamte Karriere. Nach der WM hatte sie sich als Bundestrainerin krankgemeldet und tauchte dann mit einem Vortrag bei einem Kongress plötzlich wieder auf, ohne dass sie beim DFB wieder gesundgeschrieben wäre. Haben Sie das alles verstanden?

Natürlich habe ich das gelesen und dachte: Komisch - das möchte ich gar nicht abstreiten. Das Ganze ist nicht optimal verlaufen. Das war für mich und die Mannschaft alles schwer zu verstehen. Aber um ehrlich zu sein: Wir sind jetzt froh, dass das Thema vom Tisch ist und wir wissen, dass wir mit Horst Hrubesch einen Bundestrainer haben.

Popp über Horst Hrubesch: „Wenn ich ein scheiß Spiel gemacht habe, dann sagt er mir das“

Was macht Horst Hrubesch aus?

Wir wissen ja von früher, was wir von Horst bekommen. Seine klare, offene Art zu kommunizieren. Wenn ich ein scheiß Spiel gemacht habe, dann sagt er mir das und nimmt kein Blatt vor den Mund. Ich persönlich mag das. Er ist ein Vertreter der älteren Schule, er bringt uns die Sicherheit zurück und gibt jeder Spielerin das Vertrauen, das sie benötigt. Er schaut auf die Stärken der Spielerinnen, die er dann genauso auch versucht einzusetzen. Das allein macht schon ganz viel aus. Und dazwischen ist ganz viel Humor dabei.

Zwei, die kein Blatt vor den Mund nehmen: Bundestrainer Horst Hrubesch und Alexandra Popp.
Zwei, die kein Blatt vor den Mund nehmen: Bundestrainer Horst Hrubesch und Alexandra Popp. © Getty Images Europe | Michael Steele

Der Plan ist, dass er es bestenfalls bis zu den Olympischen Spielen macht, wenn Sie sich im Februar dafür qualifizieren. Hätten Sie ihn gerne auch darüber hinaus als Bundestrainer?

Ich weiß natürlich, wie seine Frau tickt und darüber denkt. Wenn man erfolgreich ist und alles gut harmoniert, spricht nie etwas dagegen, gemeinsam weiterzumachen. Am Ende bleibt es seine Entscheidung. Schon jetzt war die Entscheidung, uns wieder zu übernehmen, nicht ganz so einfach. Für ihn womöglich schon, aber nicht für alle um ihn herum.

Horst Hrubesch hatte bis zu seinem ersten Intermezzo bei der Frauen-Nationalmannschaft 2018 keinerlei Berührungspunkte mit dem Frauenfußball. Weshalb harmoniert es trotzdem sofort?

Es ist einfach seine Art, wie er mit uns umgeht. Auf der einen Seite das Lockere, er macht lustige Sprüche. Aber wenn es darum geht, kann er auch hart sein. Er hat auch klare Aussagen, die wehtun können. Mich bringt das weiter, wenn ich weiß, woran ich bin und woran ich arbeiten muss. Das ist für viele jüngere Spielerinnen vielleicht nicht immer ganz so einfach, aber da sind wir erfahreneren Spielerinnen auch gefragt, zu sagen: Hey, du musst es zwar ernst nehmen, aber nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.

Nach der WM dürfte es - unabhängig von der Ungewissheit um die Personalie Martina Voss-Tecklenburg – nicht gerade leicht gefallen sein, zur Nationalmannschaft zu reisen. Hat sich das unter Horst Hrubesch wieder geändert?

Wenn ich die vergangenen Lehrgänge und Spiele betrachte, kann ich es mit Ja beantworten. Wenn ich das rein Sportliche sehe, habe ich noch nicht die große fußballerische Klasse gesehen. Wir hatten positive Ergebnisse und sind in den Finals der Nations League. Vieles ging dabei über den Willen, den wir in diesen Spielen auch benötigt haben. Ich würde mir wünschen, dass wir bis zu den Olympischen Spielen – wenn wir uns dafür qualifizieren– auch wieder fußballerisch Schritte nach vorne machen. Aber die Einstellung hat mir definitiv sehr gut gefallen.

Alexandra Popp war auch mit ihrer eigenen Leistung im zurückliegenden Halbjahr nicht immer zufrieden.
Alexandra Popp war auch mit ihrer eigenen Leistung im zurückliegenden Halbjahr nicht immer zufrieden. © Sport | Darius Simka

Aktuell sind Sie mit dem VfL im Trainingslager in Almancil und waren einen Tag auch noch gemeinsam mit den Wolfsburger Männern in einem Mannschaftshotel. War das eine gute Idee des Vereins?

Ich finde es super, erst mal in den Infrastrukturen und der Professionalisierung noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Und auch den ersten Tag noch mit den Männern zusammen zu sein, gemeinsam zu Essen, sich über den Weg zu laufen und ein paar Sätze zu erzählen, tut allen extrem gut, und es ist auch schön, mal die Sichtweisen von den Jungs zu hören. Sie fragen auch nach, wie es bei uns läuft und beide kriegen manchmal große Augen bei bestimmten Aussagen. Dieser Austausch ist extrem interessant.

Es gab auch einen gemeinsamen Abend. Wie haben sie den empfunden?

Ich saß zum Beispiel mit Kilian Fischer und Yannick Gerhardt zusammen an einem Tisch. Da haben wir auch darüber gesprochen, was wir gelernt haben, was wir uns vorstellen können, was man nach der Karriere noch mal machen kann. Es ging nicht nur um Fußball, Fußball, Fußball.

Haben Sie schon einen Plan für die Zeit nach der Karriere?

Bisher nicht. Erst einmal läuft mein Vertrag beim VfL ja noch bis 2025, und ich bin hier noch gebunden.

Können Sie für sich ausschließen, in Ihren Ausbildungsberuf als Tierpflegerin zurückzukehren?

Nö, das kann ich mir vorstellen. Wo, das wird sich zeigen.

Alexandra Popp hat im Tierpark Essehof eine Ausbildung zur Tierpflegerin absolviert.
Alexandra Popp hat im Tierpark Essehof eine Ausbildung zur Tierpflegerin absolviert. © Mohrmann, Nico

Ihnen persönlich hat die Auszeit gutgetan. Geht’s denn auch mit dem VfL wieder in die richtige Richtung?

Ich fand schon, dass das in den letzten Spielen im vergangenen Jahr der Fall war. So dumm es sich anhört: Wir sind zwar in der Qualifikation zur Champions League rausgeflogen, was uns auch extrem weh tut, aber ich muss sagen, dass uns diese normalen Trainingswochen sehr gut getan haben. Individuell, um noch mal mehr durchzuatmen und Pausen zu haben. Aber auch teamtaktisch konnten wir intensiver arbeiten, was in den vergangenen Spielen auch zu sehen war: Da war wieder mehr Stabilität und mehr Sicherheit erkennbar.

Popp-Nachfolgerin als Gesicht des Frauenfußballs? „Um ehrlich zu sein, will ich da niemanden nennen“

Aktuell sind Sie das Gesicht des Frauenfußballs in Deutschland, wer könnte denn einmal zu Ihrer Nachfolgerin werden?

Um ehrlich zu sein, will ich da niemanden nennen. Dadurch dass ich weiß, dass die Spielerinnen noch jung sind und auch weiß, wie sie ticken, will ich ihnen das gar nicht aufbürden. Das könnte ja nur in die Hose gehen, auch wenn mir spontan einige Spielerinnen einfallen würden.

Nach dem Champions-League-Aus in der Hinrunde: Wann ist es noch eine gute Saison für Sie und den VfL?

Mit mindestens einem Titel ist es schon noch eine gute Saison. Am liebsten würde ich zwei nehmen.

Seit der EM 2022 ist Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg das Gesicht des deutschen Frauenfußballs. Wer ihr da einmal nachfolgen könnte, will sie lieber nicht laut aussprechen.
Seit der EM 2022 ist Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg das Gesicht des deutschen Frauenfußballs. Wer ihr da einmal nachfolgen könnte, will sie lieber nicht laut aussprechen. © Getty Images | Inaki Esnaola

Was muss fußballerisch noch passieren?

Erst einmal finde ich, dass unsere defensive Stabilität wieder mehr zum Tragen kommt. Zum Ende des Jahres haben wir es wieder aufblitzen lassen, haben zu Null gespielt, haben wenig aufs Tor kommen lassen. Das Defensivverhalten hat uns auch immer ausgezeichnet, Daran müssen wir anknüpfen, noch stabiler werden und den Gegnern wieder mehr unser Spiel aufdrücken. Wir müssen wieder klarer sein und auch unsere Qualitäten zeigen, das hat das eine oder andere Mal zu wünschen übrig gelassen. Wir hatten gute Ballgewinne, aber die Bälle dann zu schnell verloren, weil der Pass über zehn Meter nicht ankam. Da müssen wir wieder sauberer werden in unserem Offensivspiel und wieder eine gewisse Flexibilität reinbekommen.

Popp über die DFB-Männer bei der Europameisterschaft: Qualitativ traue ich ihnen alles zu

Und was machen die deutschen Männer bei der Heim-EM im Sommer?

Das ist schwierig zu sagen. Wenn man sich den Kader rein qualitativ anschaut, ist die Mannschaft ganz klar dabei, oben mitzuspielen. Entscheidend wird es sein, wie sie es schaffen, das auf den Platz zu bringen. Vielleicht erleben wir eine Überraschung, so wie sie uns bei der EM 2022 gelungen ist, als wir davor auch nur Müll gespielt haben und dann plötzlich im Finale standen. In der Vorbereitung oder im Laufe des Turniers kann etwas entstehen, das noch einmal Kräfte freisetzt. Qualitativ traue ich ihnen alles zu. Aber wenn man die vergangenen Spiele gesehen hat, war eben nicht alles Gold, was glänzt.