Wolfsburg. Früher galt der Keeper aus Österreich als überehrgeizig. Beim VfL Wolfsburg freut sich der Routinier auf jeden Einsatz. Steht Samstag der nächste an?

Koen Casteels gehört zu den besten Torhütern in der Fußball-Bundesliga. Und wenn ein Top-Mann auszufallen droht, ist die Aufregung innerhalb der Fangemeinde meist groß. Casteels hatte die Länderspielreise mit der belgischen Nationalmannschaft aufgrund einer Unterleibsentzündung abbrechen müssen. Noch immer ist unklar, wann der Nationaltorwart dem VfL Wolfsburg wieder zur Verfügung steht. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass der Verein mit Pavao Pervan auch für die bevorstehende Partie gegen Bayer Leverkuen (Samstag, 15.30 Uhr, Volkswagen-Arena) einen erfahrenen und verlässlichen Vertreter in der Hinterhand hat.

Mehr als 200 Mal stand Pervan für die österreichische Linzer ASK zwischen den Pfosten, war dort Kapitän sowie Führungsfigur und schaffte es schließlich auch in den Nationalmannschaftskader. Sieben Mal hütete er das Tor der mittlerweile von Ralf Rangnick betreuten Auswahl. Die letzte Nominierung ist allerdings schon gut zwei Jahre her. Am vergangenen Wochenende hatte sich Pervan zwar in Richtung Heimat aufgemacht. Aber es war ein rein privater Trip in die Alpenrepublik.

Der VfL Wolfsburg ist Pervan ans Herz gewachsen

„Österreich ist sehr schön. Aber wirkliches Heimweh habe ich nicht“, sagt der Schlussmann, der in Livno in Bosnien-Herzegowina geboren ist, mit seinen Eltern im Alter von vier Jahren vor dem Krieg floh und nach Wien zog. Wenn der Sportler erklärt, dass der VfLWolfsburg mittlerweile sein Herzensverein ist und er sich in der Region pudelwohl fühlt, dann klingt das sehr überzeugt. „Ich habe hier alles, um glücklich zu sein. Wolfsburg ist für mich und meine Familie genau der richtige Ort. Es gibt keinen Grund, die Stadt oder Deutschland verlassen zu wollen“, meint der Torwart.

Für andere Torhüter wäre Pervans Situation durchaus ein Grund, die Sachen zu packen. Schließlich sind 35 Pflichtspieleinsätze, davon 25 in der Bundesliga, in einem Zeitraum von fünf Jahren nicht viel. Nicht so der Österreicher. „Mir war vorher klar, dass ich mit Koen einen Konkurrenten haben würde, der konstant gute Leistungen bringt“, erklärt Pervan. Dabei war der Keeper in jungen Jahren ein wahrer Heißsporn, der schnell mal ausflippte und als überehrgeizig galt. „Ehrgeizig bin ich noch immer. Wenn nicht, dann würde auch etwas falsch laufen“, sagt die Nummer zwei. Allerdings komme mit höherem Alter auch mehr Gelassenheit. Da lerne man bestimmte Gefühle zu kanalisieren, so Pervan.

Nervosität plagt den routinierten Wolfsburg-Keeper nicht

Wenn er morgens aufwache und wisse, dass er am selben Tag spielen werde, dann sei das ein anderes Gefühl, als wenn er nur die Nummer zwei sei, meint der Routinier. Die Zeiten, in denen er vor Einsätzen nervös war, sind lange vorbei. „Aber natürlich ist der Adrenalinspiegel schon höher, als wenn ich auf der Bank sitze“, erklärt Pervan. Jedes einzelne Bundesligaspiel sei für ihn ein besonderer Höhepunkt. Das erste für den VfL überhaupt war ein spezieller: Damals gewann Wolfsburg am 1. September 2018 mit ihm im Tor mit 3:1 in Leverkusen. Pervans persönliche Bilanz gegen die Bayer-Elf in der heimischen Volkswagen-Arena ist allerdings weniger gut. Im November 2019 und im März 2022 musste er bei zwei 0:2-Niederlagen insgesamt viermal hinter sich greifen.

Sollte er am Samstag Casteels vertreten, will Pervan die Bilanz möglichst aufbessern. Dass dies kein leichtes Unterfangen wird, ist dem Schlussmann bewusst. „Leverkusen ist aktuell die gefühlt beste Mannschaft in Deutschland“, meint er. Der Verein habe sehr vorteilhafte Transfers getätigt. Aber sein eigenes Team sieht er ebenfalls auf einem guten Weg. „Auswärts müssen wir besser auftreten. Wobei zwei der drei Niederlagen unnötig waren. Wir müssen einfach lernen, dass wir uns am Ende mit Punkten belohnen, wenn eine Partie auf der Kippe steht.“

Karriereende ist für Pervan noch kein Thema

An ein Karriereende denkt Pervan noch überhaupt nicht. Das Gefühl vieler Leistungssportler, dass mit Mitte 30 das morgendliche Aufstehen schwerer fällt und Knochen wie Muskeln schmerzen, kennt der Torwart nicht. „Ich scheine gute Gene zu haben“, sagt der Profi lachend. „Außerdem tue ich viel für meinen Körper und fühle mich noch sehr fit.“ Dass mit Kamil Grabara angesichts des bevorstehenden Casteels-Abschieds spätestens im Sommer 2024 ein neuer Torwart zum VfL stößt, sieht Pervan nicht als Affront. „Der Verein hat damit bewiesen, dass er eine richtig gute Scoutingabteilung hat“, erklärt er. Der Pole sei ein sehr guter Torwart.

Ob sich Pervan und Grabara auf dem Trainingsplatz kennen lernen werden, ist noch offen. Der Vertrag des Österreichers läuft im Sommer 2024 aus. Gespräche hat es noch nicht gegeben. „Aber da mache ich mir keine Gedanken. Wir hatten bislang immer sehr offene und ehrliche Gespräche“, sagt Pervan, der in Wolfsburg gerne verlängern würde. Die Familie fühlt sich hier wohl, sein Sohn besucht den Kindergarten. Und er selbst könnte sich vorstellen, nach seiner aktiven Zeit als Torwarttrainer zu arbeiten – am liebsten beim VfL.