Braunschweig. MTV-Trainer Volker Mudrow sieht die deutschen Handballer vor schweren Aufgaben in der Qualifikation.

Mit dem TBV Lemgo wurde Volker Mudrow deutscher Handball-Meister und gewann zweimal den europäischen EHF-Pokal. 2003 wurde der heute 51-Jährige sogar zum Trainer der Saison in Deutschland gewählt. Inzwischen hat der ehemalige Nationalspieler die große Handball-Bühne hinter sich gelassen. Seine ganze Aufmerksamkeit gehört als Coach dem Drittligisten MTV Braunschweig. Im Interview mit unserer Zeitung warf Mudrow trotzdem einen Blick auf das Qualifikationsturnier zu den Olympischen Spielen in Tokio, das heute (15.15 Uhr, ARD) mit einer Partie gegen Schweden für die deutschen Handballer beginnt.

Herr Mudrow, die deutsche Mannschaft spielt in einer Vierergruppe gegen Schweden, Slowenien und Algerien. Nur die beiden ersten Teams erhalten ein Olympia-Ticket. Ist das Auftaktspiel gegen den WM-Zweiten Schweden bereits das Schlüsselspiel auf dem Weg nach Japan?

Es wird auf jeden Fall ein spannendes und packendes Handball-Spiel. Bei dieser Partie ist schon sehr viel Druck auf dem Kessel. Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes, hat ja schon vor Jahren das Ziel formuliert, dass Deutschland Olympiasieger werden soll. Das sorgt natürlich für eine große Erwartungshaltung, dementsprechend ist eine Qualifikation für Olympia beim DHB fest eingeplant. Aber in dieser Vierergruppe wird das kein Selbstläufer. Wenn die deutsche Mannschaft den Auftakt gegen Schweden verliert, hat sie es schon nicht mehr komplett in der eigenen Hand.

Wie schätzen Sie die Kräfteverhältnisse in dieser Gruppe ein?

Ich erwarte mit Deutschland, Schweden und Slowenien drei Teams auf Augenhöhe. Deutschland hat sicherlich einen kleinen Heimvorteil, da die Spiele in Berlin stattfinden, und ist am breitesten aufgestellt. Doch Schweden ist bei der WM in Ägypten bis ins Finale gekommen. Das ist eine erstklassige Mannschaft, mit vielen Spielern, die in der Bundesliga aktiv sind und die in diesem harten Wettbewerb gestählt wurden. Auch Slowenien hat eine schnelle und spielstarke Mannschaft, die ebenfalls mit vielen Spielern aus der Bundesliga bestückt ist und mit Dean Bombač über einen Mann mit einem sehr guten Schlagwurf verfügt. Algerien kommt in dieser Gruppe die klare Außenseiterrolle zu. Aber auch dieses Team sollte man nicht unterschätzen. Bei der WM haben die Algerier ihr Spiel gegen Frankreich nur mit drei Toren Unterschied verloren.

Die WM ist ein gutes Stichwort. Dort konnte die deutsche Mannschaft nicht überzeugen. Was macht Sie zuversichtlich, dass es nun besser läuft?

Platz 12 bei der WM war für Deutschland ein historisch schlechtes Ergebnis und eine große Enttäuschung. Allerdings muss man auch die Bedingungen wegen der Corona-Pandemie beachten. Für die WM hatten einige Leistungsträger abgesagt, die nun wieder dabei sind. Vor allem von Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek verspreche ich mir einiges. Mit ihnen verfügen wir über einen Innenblock, der zur Weltklasse gehört. Und auch Fabian Wiede und Steffen Weinhold sind zurück. Beide sind klare Verstärkungen für unseren Rückraum. Leider fällt für diesen Bereich Paul Drux verletzt aus. Ich finde, dass er eine gute WM gespielt hat.

Der deutschen Mannschaft fehlt aber seit Jahren ein überragender Einzelspieler. Ist das ein Problem?

Ich denke nicht. Es stimmt, dass Deutschland nicht so überragende Leute wie den Dänen Mikkel Hansen oder den Norweger Sander Sagosen hat, aber in der Breite ist Deutschland nach wie vor sehr gut aufgestellt. Und manchmal ist es ja auch von Vorteil, wenn eine Mannschaft nicht zu abhängig von einem Spieler ist.

Die Entwicklung der Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren ist von Höhen und Tiefen geprägt. Wie sehen Sie den deutschen Handball im internationalen Vergleich?

2016 war mit dem Titel bei der Europameisterschaft sowie der Bronzemedaille bei Olympia ein sehr erfolgreiches Jahr, an das man unter dem Bundestrainer Christian Prokop nicht anknüpfen konnte. Mit Alfred Gislason hat man nun einen sehr erfahrenen Trainer. Für ihn und einen talentierten Handball-Jahrgang kommt nun aber die Nagelprobe. Bleibt der Traum vom Olympia-Sieg erhalten? Das wird eine schwierige Aufgabe. Aus so einer Herausforderung sind in der Vergangenheit aber auch schon große Mannschaften entstanden.

Hat der deutsche Handball ein Nachwuchsproblem?

Glaube ich nicht. Insgesamt sind wir im Jugendbereich schon gut aufgestellt. Problematisch sind aber sicherlich die Spielmöglichkeiten für junge Spieler in der Bundesliga. Sie ist ein Sammelbecken für internationale Topstars, wodurch es die heimischen Talente oft schwer haben. Das ist zum Beispiel bei den Schweden anders, wo fast alle Nationalspieler im Ausland spielen.

Könnten Sie sich noch einmal ein Engagement als Trainer in der Bundesliga vorstellen?

Nein, damit habe ich abgeschlossen. Meine Aufgabe ist es, den MTV Braunschweig weiter nach vorne zu bringen. In der 3. Liga sind wir für unsere Verhältnisse schon gut angesiedelt, aber wir haben den Traum, es auch mal in die 2. Liga zu schaffen. Zudem haben wir die Vision, irgendwann mit einer Jugendmannschaft um die deutsche Meisterschaft mitzuspielen. Dafür wollen wir beim MTV weiter fleißig sein, aber auch mit anderen Vereinen aus der Region noch mehr kooperieren.