Berlin. Mit Artur Mann steigt am Freitag bei der europaweit ersten Veranstaltung nach der Corona-Krise auch ein ehemaliger Gifhorner Boxer in den Ring.

Zwischen Faustkampf und Filmkunst gibt es schon lange eine sehr enge Verbindung. „Wie ein wilder Stier“ mit Robert de Niro oder Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ sind großartige Beispiele, wie der Boxsport auf großer Bühne inszeniert wurde. Und doch ist es eher pragmatisch, wenn an diesem Freitagabend von 19.30 Uhr an die erste Profiboxveranstaltung in Europa seit Ausbruch der Corona-Pandemie in den Berliner Havelstudios stattfinden wird. Mit Agon Sports, das nur wenige Minuten von den Havelstudios entfernt sein Trainingszentrum hat, schafft es ausgerechnet ein junger und aufstrebender Stall, als erster einen Boxabend auf die Beine zu stellen, während die deutschen Branchengrößen wie Sauerland oder SES aus Magdeburg noch zögern – aber sehr genau hinschauen werden.

Agon, das seit 2017 im Profigeschäft mitmischt, hat schon früh die Weichen gestellt. Während andere heruntergefahren haben, die wirtschaftlichen Risiken minimieren, haben die Berliner an einem Konzept gearbeitet. Zunächst einmal, um ihren Boxern wieder Training anzubieten, seit drei Wochen dürfen sie auch Sparring betreiben, nun gibt es die erste Veranstaltung. Angelehnt ist das Konzept an das von Fußballern und Basketballern. Seit einer Woche befinden sich die Agon-Athleten und deren Gegner in Quarantäne. Am Montag und am Donnerstag wurden die Boxer getestet. Dass mit Fabian Thiemke ein Athlet ausfällt, hängt dabei nicht mit einem positiven Test, sondern mit einem Trauerfall in der Familie zusammen. Agons Sport-Manager Horst-Peter Strickrodt sagt mit Blick auf die Hygienebestimmungen: „Wir machen die Dinge, die erforderlich sind und die wir für praktikabel halten. Wir haben jede Sekunde des Abends durchgeplant. Der Wettkampf als solches wird komplett unverfälscht sein.“

Im Hauptkampf boxt dabei mit Jack Culcay ein Ex-Weltmeister. Mit Artur Mann ist auch ein Athlet dabei, der in der Region nicht unbekannt ist. Der Hannoveraner kämpfte als Amateur für den BC Gifhorn, empfahl sich dort für den ersten Profivertrag. Die Veranstaltung in dem Filmstudio, wo einst das „Glücksrad“ produziert wurde, ist sein Debüt für den neuen Boxstall. Auf seinen Coach muss er verzichten. Um die Zahl der Kontaktpersonen zu beschränken, wird der Cruisergewichtler wie schon in der Vorbereitung von Agon-Coach Michael Stachewicz betreut. „Ich bin sehr dankbar, dass sich Agon so sehr reingehängt hat für uns“, sagt Mann, der in einem Acht-Runder auf Rad Rashid (Frankfurt) treffen wird.

Dankbar sind die Boxer vor allem, weil sie somit endlich wieder Geld verdienen können. „Die Boxer sind selbstständig und können nur Geld verdienen, wenn sie ihre Dienste auch anbieten können“, sagt Strickrodt. Für Agon ist der Kampfabend dabei weniger die Chance, das große Geld zu verdienen, auch wenn der Veranstaltung eine große Aufmerksamkeit zuteil wird: Bild.de wird auf seinem Bezahlportal übertragen, Rechte wurden nach Südamerika, China und in einige Länder in Europa verkauft – es ist die große Bühne ohne Zuschauer. Dennoch sagt Strickrodt: „Wir sind weit davon entfernt, Gewinne zu erzielen. Was wir jetzt tun, ist ein positives Signal für den Boxsport in Deutschland.“ Es ist ein Testlauf unter schwierigen Umständen, in der Hoffnung, dass sie nicht lange anhalten und bald wieder Zuschauer in die Hallen kommen dürfen.

Der finanzielle Aspekt ist für andere ein Grund, noch nicht zu veranstalten. „Wir finden es sehr bewundernswert, wie sie das machen“, sagt Freddy Ness, früher Geschäftsführer und jetzt Berater beim Sauerland-Boxstall. Ness betont, dass auch Sauerland Pläne in der Schublade hat, es aber vor allem ein finanzielles Wagnis sei. „Nicht nur unsere Boxer, auch wir haben finanziellen Druck.“ Es bringe nichts, alles mit einer Corona-Veranstaltung zu verpulvern und dann nicht nachlegen zu können. „Wir müssen abwarten, Geduld haben“, mahnt Ness, der Geisterkämpfe für Sauerland nicht ausschließt und aktuell mit Ende Juli als Neustart-Termin plant. Patrick Wojcicki, Profi bei Sauerland, meint: „Es ist ein guter Test. Ich bin froh, dass es wieder losgeht.“ Auch der Wolfsburger IBF-Interconti-Champion würde am liebsten wieder in den Ring, darf aktuell aber noch nicht mal ins Sparring.

Die Resonanz, die der Ex-Gifhorner Mann von Boxer-Kollegen bekommt, ist ebenfalls groß. „Für viele ist es wie ein kleines Weltwunder, dass wir wieder boxen“, sagt der 29-Jährige, der auch noch nicht genau weiß, was ihn erwartet: „Es wird schon merkwürdig, immerhin machen wir das für die Zuschauer.“ Nicht nur er hofft, dass die Faustkämpfer mit der Auftaktveranstaltung in den Havelstudios nach der nun dreimonatigen Corona-Durststrecke endlich an einem neuen Box-Film geschrieben wird.