Braunschweig. Kein Gegner in Liga 2 will mehr gern gegen diese Braunschweiger spielen, Marvin Rittmüller sagt: Gerade macht‘s extrem großen Spaß.
Rückblick in den November: Im Zweitliga-Spiel gegen den Hamburger SV klärt Marvin Rittmüller ohne große Not eine Flanke per Flugkopfball zur Ecke. Aus mangelndem Selbstvertrauen und in Hektik. Die Folge: Der HSV erzielt die 1:0-Führung, die Eintracht verliert am Ende 1:2.
Zeitsprung in den Januar, ins Duell mit dem 1. FC Magdeburg: Rittmüller klärt ganz in Ruhe eine Flanke per Brust zu Ron-Thorben Hoffmann. Die Folge: Der Torhüter nimmt Rittmüller sofort wieder mit, der sprintet die Linie hoch, holt einen Einwurf heraus - und aus dem erzielt Ermin Bicakcic das einzige Tor der Partie gegen Magdeburg. Eintracht bleibt mit dem 1:0-Sieg, dem vierten Dreier in Folge, in Liga 2 damit das Team der Stunde und zieht die Konkurrenten tiefer und tiefer hinein in den Kampf um den Klassenerhalt.
Zurück zu Rittmüller. Es ist vielleicht nur eine einzige Szene, dass er den Ball am Sonntag nicht hektisch zur Ecke für den Gegner klärt, sondern ihn selbstbewusst und in Ruhe seinem Torhüter zuspielt. Aber sie verdeutlicht doch, welche Entwicklung die Eintracht genommen hat. In Hamburg wirkten die ersten Saisonwochen unter Ex-Trainer Jens Härtel noch hemmend nach, das Team war in sich instabil ohne Führung von innen oder von außen. Jetzt sind die Blau-Gelben selbstbewusst, weil sie wissen, was sie tun. Und damit hat DanielScherning eine ganze Menge zu tun.
Rittmüller selbst will die Szene gar nicht zu hoch hängen, es ist ihm „ein Stück weit zu viel“, dass seine Entwicklung symbolisch sein soll für die Schritte der Eintracht seit den dunklen Tagen im Herbst. Aber auch der rechte Flügelspieler genießt die aktuelle Situation natürlich. „Gerade macht‘s extrem großen Spaß“, sagt der 24 Jahre alte Neuzugang des Sommers. „Wir freuen uns und genießen es, aber wir wissen auch, woher wir kommen und dass es für uns noch ein langer Weg ist.“
Dieser Weg führt unter Scherning fraglos in die richtige Richtung. Vier Pflichtspielsiege in Serie holten die Braunschweiger zuletzt 2022 unter Michael Schiele in Liga 3. Der Trainer jedoch appelliert daran, „demütig“ zu bleiben. Er hatte auch eine Dreiviertelstunde nach dem 1:0-Sieg gegen Magdeburg noch nicht auf die Tabelle geschaut. „Interessiert mich nicht so sehr“, erklärt Scherning, der auch seinen Spielern einzutrichtern versucht, dass der Fokus auf dem nächsten Gegner liege. Und nicht auf irgendwelchen Was-wäre-wenn-Rechnungen und wie man damit in der Tabelle irgendeine Mannschaft überholen würde.
Ganz zufrieden war Scherning nach dem schwer erkämpften, aber nicht unverdienten Sieg gegen Magdeburg nicht. Die Gäste hatten zwar viel mehr Ballbesitz, schafften es aber nur selten, für gefährliche Abschlussaktionen zu sorgen, weil die Eintracht defensiv wieder stabil stand und zum zweiten Mal in der Saison ohne Gegentreffer blieb. Dennoch hätten die Braunschweiger vor allem nach der gelb-roten Karte gegen Daniel Elfadli eine Viertelstunde vor Schluss noch etwas mehr Klarheit ins Ergebnis bringen dürfen - und müssen. Freilich jedoch bejubelte Scherning den nächsten Dreier, der extrem wertvoll ist im Kampf um den Klassenerhalt. Gleichzeitig jedoch registrierte auch er, dass seine Mannschaft einen nächsten Entwicklungsschritt vor der Brust hat.
Eintracht braucht neue Lösungen im Angriff
Die Gegner haben in den siegreichen Partien gegen Kaiserslautern (2:1) und Wiesbaden (3:1) erkannt, dass die Eintracht mit tiefen Pässen vornehmlich auf Rayan Philippe oft zu Toren gekommen ist. Magdeburg hat nun „Tiefe rausgenommen“, erklärte Scherning. Heißt: Die Gegner ziehen sich weiter zurück und nehmen die Braunschweiger wieder ernster. Und die Eintracht selbst muss neue Lösungen im Angriffsspiel entwickeln. Das ist eine Aufgabe für die nächsten Wochen.
Schernings aktueller Plan, das kompakte Verteidigen mit schnellem Umschalten, geht „gerade voll auf“, sagt Rittmüller. „Ich hoffe, dass wir die Welle genau so weiterreiten können.“ Formstärke und Selbstvertrauen können zum entscheidenden Faktor im Kampf um den Klassenerhalt werden. Zudem haben einige Kontrahenten womöglich noch das vor der Brust, was Eintracht schon hinter sich hat: eine miserable Phase.
Niemand spielt mehr gerne gegen Eintracht
In den Wochen vor dem Trainerwechsel folgte ein Tiefpunkt dem nächsten. Rittmüller: „Wir haben Dreck gefressen und daraus gelernt. Wir wissen, wie doof es sich anfühlt und welcher Druck dann herrscht.“ Anderen Teams, die mit Eintracht konkurrieren, haben das wohl noch vor sich. Die Blau-Gelben rollen das Feld weiter von hinten auf und haben sich den Respekt der Konkurrenz verdient.
Mittlerweile spielt niemand mehr gern gegen Blau-Gelb. Und: „Wir fühlen uns wohl in der Rolle des Jägers“, sagt Rittmüller. „Und die anderen Mannschaften merken, dass man mit Braunschweig rechnen muss.“ Das war im November in Hamburg noch ganz anders.
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