Braunschweig. Der Franzose tat sich nach seinem Wechsel aus Luxemburg nach Braunschweig zunächst schwer, doch nun läuft es bei dem 20-Jährigen.

Rapid Om. de Menton, AS Roquebrune Cap Martin, Cavigal Nice S., FCO Dijon, Swift Hesperingen: Was auch Anlegehäfen einer Mittelmeerkreuzfahrt sein könnten, sind in Wahrheit die Namen der Klubs, für die Rayan Philippe die Fußballschuhe geschnürt hat, ehe er zu Eintracht Braunschweig gewechselt ist. Der 20 Jahre alte Franzose, der ablösefrei als Torschützenkönig aus Luxemburgs erster Liga gekommen war, benötigte eine ganze Menge Anlaufzeit, aber im Spätherbst war er auf einmal da. Wenn es läuft, dann läuft‘s. Doch Geduld war ein entscheidender Faktor.

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Nicht einmal die eingefleischtesten Eintracht-Fans hatten Philippe auf dem Zettel. Dabei hatten beide Seiten schon einmal gegeneinander gespielt. Im Jahr 2022 gab es ein Testspiel zwischen der Eintracht und Hesperingen, in dem der Angreifer unter anderen auch dem damaligen Trainer Michael Schiele positiv aufgefallen war. Aber auch Philippe zog danach seine Schlüsse. „Ich erinnere mich an eine gute Begegnung zwischen den beiden Teams. Die Intensität und das Tempo waren damals wirklich sehr beeindruckend. Es war ein weiteres Zeichen für mich, dass ich gerne nach Deutschland gehen wollte“, sagt er im Klub-Interview, seinem ersten seit dem Wechsel.

Philippe tat in der Saison 2022/2023 alles, um außerhalb der luxemburgischen Landesgrenzen auf sich aufmerksam zu machen. Starke 32 Tore und 26 Vorlagen schaffte er in 30 Liga-Spielen. „Bei der Statistik muss man den blind verpflichten“, raunten zwei Bundesliga-Manager in Philippes ersten Testspieleinsatz für die Eintracht im Sommer.

Rayan Philippe erklärt den größten Unterschied zwischen Luxemburg und Liga 2

Von der luxemburgischen Liga, der Experten etwa erhöhtes Oberliga-Niveau beimessen, in die 2. Bundesliga - ein gewaltiger Schritt, der Philippe zunächst große Mühe abverlangte. Der größte Unterschied „ist die Intensität und Wucht im Training und Spiel“, erklärt er. „In Luxemburg gibt es Vereine, in denen die Spieler neben dem Fußball auch noch einem normalen Job nachgehen. Es ist dort bei manchen Klubs nur teilprofessionalisiert. Das ist hier natürlich vollkommen anders, und daher ist es hinsichtlich der Intensität auch kaum vergleichbar.“

Und so war es kaum verwunderlich, dass Philippe zu Beginn seiner Eintracht-Zeit Schwierigkeiten hatte, in die Spur zu finden. Unter Ex-Trainer Jens Härtel kam der Angreifer nur zu sechs Kurzeinsätzen, in denen ihm aber weder ein Tor noch eine Vorlage gelang. Dann musste Härtel gehen, aber unter Interimstrainer Marc Pfitzner und auch in den ersten Wochen unter dem neuen Chef Daniel Scherning kam Philippe überhaupt nicht zur Entfaltung.

Ein Winterwechsel von Philippe galt als wahrscheinliches Szenario

Ein Abschied im Winter galt als wahrscheinliches Szenario. Doch dann kam die Partie in Wiesbaden. Die Eintracht lag beim Aufsteiger zur Pause mit 0:1 hinten, und Scherning schmiss mit dem Mute der Verzweiflung den jungen Franzosen ins Rennen. Der dankte seinem Trainer prompt. Ein Tor erzielte Philippe selbst, eines bereitete er vor, Braunschweig gewann 3:1 - und der Knoten war geplatzt. „Man braucht manchmal einfach Zeit, um anzukommen und sich voll einzugliedern“, sagt Philippe. „Auch bei mir ist das so gewesen.“ Er habe aber auch in den komplizierten Wochen viel gearbeitet und Scherning so von sich überzeugt. „Ich spüre dieses Vertrauen und das ist für mich sehr wichtig.“

Im nächsten Spiel gegen Kaiserslautern gelang Philippe selbes Kunststück nochmal: Tor und Vorlage. Es sei „etwas Besonderes, vor so einer Kulisse an der Hamburger Straße zu treffen. Ich hatte in den Monaten zuvor eine komplizierte Zeit, damit im Rücken war der Treffer zuhause unglaublich“, sagt er.

Rayan Philippe zieht im Testspiel gegen Werder Bremen ab.
Rayan Philippe zieht im Testspiel gegen Werder Bremen ab. © regios24 | Darius Simka

Philippes Geschichte vom Vergessenen zum Hoffnungsträger zeigt stellvertretend die Wandlung, die den Braunschweigern gelungen ist. Ein Sommer mit großen Ambitionen gestartet, die sich aber in Windeseile in Enttäuschung brachen. Und aus dem tiefen emotionalen Graben inklusive freiem Fall in der Tabelle, Trainerwechsel, Geschäftsführer-Freistellung und Abbruch der Jahreshauptversammlung sind die Blau-Gelben herausgekommen. Mit mehr Gemeinsamkeit, mutigen und gleichsam riskanten Entscheidungen sowie einem Stürmer, der schon abgeschrieben war.

Ob Philippe seinen Torlauf so fortsetzen kann, ist natürlich unklar. Immerhin traf er auch in den beiden Testspielen des Winters, einmal gegen Bremen (3:1), einmal gegen Regensburg (1:0). Philippe: „Seit einigen Wochen funktioniert nicht nur das Spiel im Angriff besser, sondern das gesamte Team tritt anders auf. Das macht es für uns vorne einfacher.“ Kein Blau-Gelber hätte etwas dagegen, wenn es einfach weiterläuft. Für Eintracht und Philippe.