Braunschweig. Der Trainer hat den Fall der Braunschweiger gestoppt, mit smarten Kniffen Stabilität herbeigeführt – und die Spieler überzeugt.

Er sei kein Zauberer, sagte Daniel Scherning bei seiner Antritts-Pressekonferenz vor etwas mehr als einem Monat. Wunderdinge sind es auch nicht, die der neue Trainer Eintracht Braunschweigs seither vollbracht hat, vielmehr hat der 40-Jährige mit smarten Kniffen für ein kleines bisschen Hoffnung gesorgt. Der 3:1-Sieg bei Wehen Wiesbaden am Freitagabend stellte den Höhepunkt der bisherigen Zusammenarbeit dar. Dieser manifestierte sich in mehreren Teilbereichen.

Die Defensive: Das Konstrukt steht. Die Dreierkette hat sich als Schernings Mittel der Wahl etabliert, wenngleich der Trainer eigentlich ein Verfechter der Viererkette ist. Sein aktuelles Team fühlt sich aber offenbar mit einem Mann mehr in der letzten Kette wohler. Und der Trainer stellt Pragmatik über die eigene Philosophie.

Fünf der sechs Gegentore fielen nach Standards

Zwar kassierten die Braunschweiger in Schernings vier Spielen sechs Gegentore. Aber deren fünf fielen nach Standards. Das einzige Gegentor aus dem Spiel heraus ging zu großen Teilen auf Jannis Nikolaou, dessen bitterer Ballverlust dem Hamburger SV das 2:0 durch den Ex-Löwen Immanuel Pherai ermöglichte. Ansonsten ist der Laden hinten dichter als vorher. Die defensive Schwäche der Eintracht bei Standards sollte der Coach aber alsbald in den Griff bekommen.

Die Offensive: Sieben Treffer gelangen den Blau-Gelben in Schernings vier Spielen. Genau so viele wie in den zwölf Spielen zuvor unter Jens Härtel und Interimstrainer Marc Pfitzner. So weit, so gut. In die Analyse der jüngsten drei Spiele gegen den HSV (1:2), Fürth (0:1) und Wiesbaden (3:1) gehört zur Braunschweiger Wahrheit allerdings, dass immer jeweils nur eine Spielhälfte offensiv annehmbar war. „Es nervt, dass wir das nicht von Anfang an auf den Platz bekommen“, sagte Scherning nach dem ersten Auswärtssieg des Spieljahres. „Ich wünsche mir, dass wir so eine Leistung wie in den zweiten 45 Minuten auch mal über einen längeren Zeitraum zeigen.“

Die Leistungssteigerung in Hälfte 2 ist „eine Bestätigung der Arbeit“

Das Selbstvertrauen: Ron-Thorben Hoffmann und Fabio Kaufmann verrieten am späten Freitagabend, dass das Team nach enttäuschenden 45 Minuten in der Kabine zusammensaß und in den „Jetzt-erst-recht“-Modus umgeschaltet hat. „So ein Auftritt wie in der ersten Hälfte darf uns nicht passieren“, sagte der Torhüter. „Wir haben uns dann gesagt, dass wir nichts mehr zu verlieren haben und dass mit uns sowieso keiner mehr rechnet. Wir selbst aber müssen an uns glauben – und das tut auch jeder.“

Daher sei die Leistungssteigerung in Hälfte 2 inklusive der drei Tore und drei Punkte „auch eine gute Bestätigung der Arbeit, die wir machen“. Hoffmann: „Das bedeutet mir sehr viel.“ Kaufmann zeigte sich ebenfalls glücklich. „Ich habe größten Respekt vor dieser Mannschaft, dass sie in der Situation, in der wir stecken, nicht aufgibt, noch einmal so zurückkommt und verdient gewinnt.“

Wir müssen bodenständig sein, unsere Punkte sammeln und Stück für Stück den Rückstand verkürzen.
Fabio Kaufmann

Schon Härtel hatte die Hoffnung auf den Ketchupflascheneffekt geäußert. Unter dem Ex-Trainer gelang das jedoch nicht. In Hälfte 2 in Wiesbaden funktionierte bei der Eintracht dann fast alles. „Auf einmal hat man gesehen, dass wir Druck entwickeln können, dass wir Tempo haben, die Laufwege passen und auch Spielwitz dazukommt“, sagte Kaufmann. Sein Tor zum 1:1 nach der Pause habe „die Brust breiter werden und die Mechanismen greifen lassen. Da sieht man, wozu man fähig ist.“ Der Trainer sagt: „Da habe ich gesehen, was möglich ist, wenn wir die Dinge umsetzen, die wir besprechen und trainieren. Wenn wir Mut, Herz, Leidenschaft in unser Spiel reinknallen.“

Der Trainer: Scherning selbst zeigte sich ganz und gar nicht überrascht vom Auftritt seines Teams. „Ich sehe die Jungs ja täglich im Training.“ Die Spieler selbst jedoch seien „manchmal selbst ein bisschen überrascht, dass sie ganz gut kicken können“. Der Trainer, das ist unübersehbar, hat das Zutrauen zurückgebracht, er hat den freien Fall gestoppt. Und ist in die Köpfe der Spieler vorgedrungen.

Robin Krauße jubelt. 
Robin Krauße jubelt.  © imago/Eibner | IMAGO/Eibner-Pressefoto/Florian Wiegan

Kaufmann sagte: „Wir haben einen klaren Plan, das sieht jeder. Und wenn wir an dem Plan festhalten, kann etwas Positives dabei herauskommen.“ Positiv war das 3:1 in Wiesbaden in jedem Fall. Nicht nur das nackte Ergebnis, sondern auch die Art und Weise des Erfolgs. „Das gibt mir ein gutes Gefühl“, sagte der Doppeltorschütze, der „nicht auf die Euphoriebremse“ treten will. „Wir müssen bodenständig sein, unsere Punkte sammeln und Stück für Stück den Rückstand verkürzen. Man merkt, dass wir in jedem Spiel die Chance haben, etwas zu holen.“

Für die Eintracht ist der Sieg in „ganz, ganz, ganz kleiner Schritt“

Auch Hoffmann lobte den Plan des Trainers. Aber der Torhüter nahm nicht nur die taktischen Veränderungen ins Visier, sondern auch die zwischenmenschlichen Qualitäten Schernings. „Er hat uns einfach gesagt, dass er an uns glaubt, dass er von uns komplett überzeugt ist und das vermittelt er uns auch mit Akribie und einem detaillierten, klaren Plan.“

Selbst wenn dieser Plan mal nicht aufgeht oder unzureichend umgesetzt wird wie in den ersten Hälften in Hamburg, gegen Fürth und in Wiesbaden „dann stellt der Trainer um und dann funktioniert das. Das gibt uns ein gutes Gefühl“, sagte Hoffmann, der den Dreier in Wiesbaden aber auch sachlich einordnete. „Es fällt eine Last von uns ab. Aber es war auch nur ein ganz, ganz, ganz kleiner Schritt. Das wissen wir. Doch er bedeutet uns viel. Das Selbstvertrauen ist zurück, das nicht mehr da war.“