Braunschweig. Domi Kumbela, Mirko Boland und Benno Möhlmann haben alle eine Geschichte mit Marc Pfitzner. Ein Stichwort fällt in Gesprächen über ihn fast immer.

Mit dem Profi-Fußball hatte Marc Pfitzner eigentlich schon abgeschlossen. In der B-Jugend hatte der heute 39-Jährige Eintracht Braunschweig verlassen. Der Leistungssport war ihm zu viel geworden. Außerdem hatte er in diesem Alter auch andere Interessen. Doch „Pfitze“ kam zurück. Von der Fußball-Kreisliga brachte er es bis zum Bundesliga-Spieler – und nun soll er die Blau-Gelben als Interims-Coach zurück in die Spur führen. Daran, dass der frühere Mittelfeldspieler als Aktiver doch noch Profi wurde, hatte auch Benno Möhlmann seinen Anteil.

Zunächst hatte Pfitzner beim TSV Timmerlah, dem SV Broitzem und den Freien Turnern gekickt. Amateur-Romantik statt Fußball-Ruhm. Doch er kam zurück zur Eintracht – erst einmal zur Zweitvertretung. Möhlmann zog Pfitzner im Oktober 2007 schließlich in die erste Mannschaft hoch. Die spielte damals in der Regionalliga – und hatte so ihre Mühe auf dem Weg zur eingleisigen 3. Liga. „Es ging damals relativ schnell, dass er im Training überzeugt hat“, erinnert sich Möhlmann heute. Was er an Pfitzner mochte? Zunächst einmal seine Laufstärke. Außerdem sei der gebürtige Braunschweiger dabei dennoch in der Lage gewesen, im Zentrum ins Dribbling zu gehen. Möhlmann gefielen solche Spieler. „Auch, weil ich zumindest gedacht habe, dass ich selbst mal so einer war“, sagt der 69-Jährige lachend, der selbst unter anderem für den Hamburger SV und vor allem für Werder Bremen kickte.

Marc Pfitzner: Der emotionale Leader von Eintracht Braunschweig

Was Möhlmann auch überzeugte: Pfitzners Arbeitseinstellung: „Dass er ackert, emotional ist und auch für den Sieg arbeiten will, konnte man damals schon sehen.“ Emotionalität – das ist ein Stichwort, das in beinahe jedem Gespräch über Pfitzner irgendwann fällt. Und so abgedroschen es klingt: In der prekären sportlichen Lage der Gegenwart können die Blau-Gelben ein üppiges Maß dieses Attributs gut gebrauchen. „In solchen Situationen geht es nur über den Zusammenhalt und die Emotionalität“, sagt Möhlmann, „und ich denke, dass er es schaffen wird, diese Werte zu vermitteln.“

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Ganz ähnlich sieht es auch Mirko Boland. Der hat jahrelang mit Pfitzner auf dem Platz gestanden. Gemeinsam schafften sie erst den Aufstieg in die 2. Liga und dann sogar ins Oberhaus. „Er trägt das Eintracht-Gen in sich. Er steht für Werte, die du gerade in der jetzigen Phase brauchst. Da geht es darum, alles auf dem Platz zu lassen, was Energie und Herz anbelangt“, sagt Boland.

Domi Kumbela blutet das Herz

Doch nicht nur das. Auch der Spaß und die Lockerheit müssen in die Kabine einziehen. Und da kann Pfitzner wohl auch helfen, meint sein Ex-Kollege: „Pfitze und ich haben sicherlich in der Kabine immer für gute Laune gesorgt und zu dem einen oder anderen Lacher animiert. Er ist jemand, mit dem man immer Spaß haben kann – was für eine Kabine absolut wichtig ist.“

Die Mannschaft muss die 180-Grad-Wende schaffen. Nach dem sportlichen und emotionalen Tiefpunkt, der 0:3-Packung bei der SV Elversberg, muss eine Reaktion her. Domi Kumbela „blutet das Herz“ ob der aktuellen Lage der Eintracht. Auch er hat viele Schlachten mit Pfitzner geschlagen. Und Kumbela weiß um das Motivations-Geschick seines Ex-Kollegen. „Als Spieler war Marc schon immer leidenschaftlich. Er hat sein letztes Hemd gegeben. Wir haben unzählige Male das Zimmer geteilt. Da hat er mich schon immer motiviert. Ich kann schon sagen: Wegen Marc habe ich das eine oder andere Tor geschossen“, sagt er.

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Eintracht Braunschweig muss auch die Fans zurückgewinnen

Lorbeeren vom ehemaligen Torschützenkönig der 2. und 3. Liga – das sind doch schon mal gute Voraussetzungen. Nun aber müsse das Team aber erstmal kämpfen, meint Kumbela. Die spielerische Weiterentwicklung kommt danach. „Ich hoffe, dass sich einiges im Team löst und dass Marc die richtigen Worte und den richtigen Ansatz findet, um die Mannschaft zu erreichen“, sagt Kumbela. Das ist essenziell. Nicht nur für das Team, sondern auch für die Fans. Die nämlich sind zuletzt in einer Resignations-Haltung verfallen. Vielleicht war es auch eine Schock-Starre – wie auch immer. Wenn der Herzensklub in der Liga nur fünf von 30 möglichen Punkten holt, ist das sicher nachvollziehbar. Auch hier könnte die Personalie Pfitzner einen Schub bringen. Er soll die Blau-Gelben in den Spielen gegen Fortuna Düsseldorf (Freitag, 18.30 Uhr) und bei Hannover 96 (5. November, 13.30 Uhr) betreuen. Gerade mit Blick auf das Derby wäre etwas mehr Emotionalität auf den Rängen wichtig.

Ich kann schon sagen: Wegen Marc habe ich das eine oder andere Tor geschossen.
Domi Kumbela über seinen Ex-Kollegen Marc Pfitzner

Da ist es schon wieder, dieses Wort. Aber wer könnte dieses Attribut besser wieder auf die Ränge tragen, als jemand, der „zu Recht noch gefeiert und als Legende bezeichnet“ wird, wie Boland sagt? „Ich glaube auch, dass er als Person bei den Zuschauern noch einmal etwas auslöst, auch wenn die Situation alles andere als leicht ist. Er wird genügend Spirit einbringen. Und egal, wie die beiden Spiele jetzt laufen werden, eines glaube ich fest: Die Mannschaft wird bis zur letzten Minute alles raushauen“, fügt er an.

Nicht alle Erwartungen auf Marc Pfitzner projizieren

Nun ist aber auch Vorsicht geboten. Bei allem Vertrauensvorschuss, bei allem Standing, das Pfitzner bei der Eintracht genießt, sollten nun nicht alle Hoffnungen auf ihn projiziert werden. Die Aufgaben sind vielfältig – und die Zeit stark begrenzt. Zumindest vorerst. Eintracht sucht parallel nach einem neuen Übungsleiter. Sollte Pfitzner aber als Coach zünden – wer weiß? Womöglich könnte es dann mit ihm weitergehen. Dann allerdings müsste ihm jemand zur Seite gesetzt werden. Aus rein bürokratischen Gründen. Pfitzner verfügt nämlich bislang nicht über die Fußball-Lehrer-Lizenz. Die braucht es aber zur Betreuung eines Profi-Teams.

Laut Statuten darf die Mannschaft nur 15 Werktage lang von jemandem betreut werden, der nicht über diese Lizenz verfügt. Bei den Blau-Gelben haben sie nur U19-Coach Jonas Stephan und Sport-Geschäftsführer Peter Vollmann inne. Einer von ihnen könnte dann an Pfitzners Seite gestellt werden. Theoretisch zumindest. Das aber ist Zukunftsmusik. Jetzt braucht‘s erstmal kurzfristige Hilfe. Und die soll Pfitzner liefern. Gut also, dass er damals doch noch den Weg in den Profi-Fußball gefunden hat.