Braunschweig. Braunschweigs Sportchef hat den Rückhalt vieler Fans verloren. Jens-Uwe Freitag vertraut Peter Vollmann, schaut aber weiter genau hin.

Für zahlreiche Fans ist der Hauptschuldige der sportlichen Misere von Eintracht Braunschweig klar: Peter Vollmann. Am Sonntag nach der 1:3-Niederlage gegen den SC Paderborn und dem Absturz auf Rang 18 in der 2. Bundesliga schallten unüberhörbare „Vollmann raus“-Rufe durchs Eintracht-Stadion. Es war nicht das erste Mal in dieser Spielzeit. Schon nach dem 0:3 in Berlin rief die Auswärtskurve nach personellen Konsequenzen. Nun kochte die Vollmann-Diskussion auch im Heimstadion hoch.

Eintracht Braunschweig - SC Paderborn: 1:3

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    Vollmann fühlt sich trotzdem „wohl in meiner Position“, wenngleich die Rufe auch an ihm nicht spurlos vorbeigehen. „Es ist immer schwer, der Auserkorene zu sein, auf den sich Teile der Öffentlichkeit eingeschossen haben“, sagt er unserer Zeitung. An einen Rücktritt denke er nicht. Der Sport-Geschäftsführer geht davon aus, sein Amt zu behalten. Anderslautende Informationen habe er bisher nicht erhalten. Die Frage um seine kurzfristige Zukunft kann Vollmann selbst auch gar nicht beantworten, das müssen anderen tun: der Aufsrichtsrat.

    Jens-Uwe Freitag führt das Gremium an. Eine Entlassung Vollmanns steht offenbar nicht bevor. „Er verdient meinen Respekt und mein Vertrauen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung, fügt aber auch an. „Eine Bewertung einer Managementleistung ist ein kontinuierlicher Prozess, der auf Leistung basiert, welche natürlich beobachtet wird, gerade in solchen schwierigen Phasen.“ Der Aufsichtsrats-Boss schaut ganz genau auf den Sport-Geschäftsführer.

    Ende 2024 übernimmt Benjamin Kessel der Job von Peter Vollmann - spätestens

    Eintrachts mittelfristiger Plan auf der Ebene ist seit Monaten bekannt. Bis Ende 2024 bleibt Vollmann noch Sport-Geschäftsführer und reicht dann den Staffelstab weiter an Benjamin Kessel, der seit Mai dieses Jahres als Sportdirektor im ganz engen Austausch von Vollmanns Erfahrungen profitieren und ohnehin immer stärker gestärkt gefördert werden soll. Freitag erklärt: „Das ist der Weg, den wir favorisieren. Das heißt aber auch, dass wir diesen Weg im Sinne der erfolgreichen Entwicklung von Eintracht regelmäßig monitoren.“

    Die derzeitigen Nöte werden von zahlreichen Begleitern und Fans vor allen Dingen an einer Person festgemacht: Vollmann. Zurecht? Der 65-Jährige verantwortet die Kaderzusammenstellung und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass der diesjährige Kader vor allem in der Spitze nicht besser aufgestellt ist als jener der Vorsaison. Vollmann führt das auch darauf zurück, dass ihm die finanziellen Mittel fehlten, um die Mitbewerber regelmäßig ausstechen zu können.

    Auch die Entlassung von Michael Schiele wird Peter Vollmann angelastet

    Da ist bestimmt auch eine Portion Wahrheit dran. Aber das würde auch bedeuten, dass im Fußball Geld der allein entscheidende Parameter ist. Wie schaffen es dann Klubs ständig, mit weniger Mitteln die zahlungskräftigere Konkurrenz zu überflügeln? Beispiele sind Darmstadt 98, SC Freiburg, Union Berlin...

    Jens Härtel startet bei Eintracht Braunschweig schwach in die Saison.
    Jens Härtel startet bei Eintracht Braunschweig schwach in die Saison. © imago/Jan Huebner | IMAGO/Michael Taeger

    Auch die Personalie Michael Schiele wird Vollmann angelastet. Die Verlängerung zu Jahresbeginn stellte sich im Nachhinein als Fehler heraus. Hätte die Eintracht den Vertrag einfach regulär Ende Juni auslaufen lassen, würden sie dem nur freigestellten Schiele jetzt nicht noch bis Juni 2025 monatlich einen signifikanten Betrag zahlen müssen. Der Dauerauftrag verhinderte im Sommer freilich auch die eine oder andere Spielerverpflichtung.

    Jens-Uwe Freitag spricht Jens Härtel das Vertrauen aus

    Aber: Den Daumen in der Personalie Schiele senkte wohl zunächst der Aufsichtsrat, der dem Trainer keine kontinuierliche Entwicklung des Teams in Liga 2 mehr zutraute. Vollmann vertrat diese Entscheidung jedoch qua Amt in der Öffentlichkeit mit. Auch verpflichtete der Sportchef Jens Härtel, dessen Startbilanz verheerend ist. Fünf Punkte aus neun Liga-Partien bedeuten Rang 18.

    Freitag aber spricht dem Trainer das volle Vertrauen aus. „Jens Härtel macht aus meiner Sicht eine sehr strukturierte, intensive Arbeit, er setzt wirklich leistungsorientiertes Training durch, mit hohem eigenen Einsatz und ich bin sehr zuversichtlich, dass er die Mannschaft so weiter auf das nächste Level entwickeln kann, dass wir unsere Spiele erfolgreicher gestalten.“ So klingt Rückendeckung.

    Auch der Aufsichtsrats-Boss wähnt die Mannschaft auf „dem richtigen Weg“

    Aber: Jeder wird irgendwann an Ergebnissen gemessen. Nur zweimal startete die Eintracht in den vergangenen 20 Jahren schlechter. In der Erstliga-Saison 2013/14 hatten die Braunschweiger nach neun Spielen vier Pünktchen auf der Habenseite, 2007/08 in der letzten Saison der zweigleisigen Regionalliga waren es unter Benno Möhlmann sogar nur magere drei Zähler. Selbst in der Katastrophensaison 2006/07, in der der Traditionsverein fünf Trainer verschliss, sammelten Michael Krüger und Interimstrainer Willi Kronhardt in neun Partien einen Punkt mehr als Härtel.

    Zurück ins Heute. Da klafften Leistung und Ergebnis zuletzt auseinander. Das Team hätte mehr Punkte verdient gehabt. Das ist auch ein Teil der Wahrheit. Daher sagt Freitag: „Die Mannschaft ist auf einem guten Weg, sie hat noch ein enormes Potenzial. Von der Seitenlinie betrachtet fehlt derzeit das entscheidende Selbstvertrauen, mit breiter Brust die notwendigen Tore zu erzielen. Es ist derzeit eine der Hauptaufgaben des gesamten Trainerteams, den Spielern den Glauben an ihre Fähigkeiten zu geben und sie so weiterentwickeln, dass sie mutig ihr Spiel von Beginn an durchziehen.“

    Trainer und Mannschaft erhalten volle Rückendeckung vom Aufsichtsrats-Boss, der Sportchef hingegen muss sich offenbar strecken.