Braunschweig. Der Offensivmann von Eintracht Braunschweig bringt viel Feuer mit. Gegen Schalke erzielte er den Siegtreffer - und sendete mit dem Jubel ein Signal.

Nachdem Fabio Kaufmann zum 1:0 gegen Schalke 04 getroffen hatte, legte er kurz den Zeigefinger auf die Lippen. Diese „Pssst“-Geste ist nicht unüblich im Fußball. Normalerweise wollen die Profis damit ein Signal senden – an Kritiker zum Beispiel. Ähnlich verhielt es sich auch beim Offensivspieler von Zweitligist Eintracht Braunschweig. Der Deutsch-Italiener ist ohnehin jemand, der mit Emotionen nicht hinter den Berg hält.

Eintracht Braunschweig - Schalke 04 1:0

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    Fabio Kaufmann stellt sich vor die Mannschaft

    Das heißt nicht, dass Kaufmann rüde ist oder überempfindlich. Im Gegenteil: Der 30-Jährige wirkt sehr reflektiert. Aber er sagt eben auch seine Meinung. „Wie in der vergangenen Saison sind wir auch in diese Spielzeit nicht so gut reingekommen. Aber mir wird dann immer zu früh etwas zu viel über die Mannschaft geurteilt und einiges auch ein bisschen überbewertet. Auch am Ende der vergangenen Saison hieß es stellenweise, wir hätten nur mit Glück die Klasse gehalten. Das war für mich ein Signal zu sagen: Hey Leute, bleibt ruhig, wir wuppen das schon“, sagt er zu seinem Jubel.

    Kaufmann stellte sich damit vor seine Mannschaft. Das macht er immer. Das habe nichts damit zu tun, dass er und seine Kollegen nicht kritikfähig seien. In der Tat stimmten zu Saisonbeginn die Ergebnisse nicht. Auch spielerisch gab‘s noch reichlich Luft nach oben. Dennoch müssten aber die Leistungen auch mal ergebnisunabhängig bewertet werden, meint Kaufmann. Beim Auftaktspiel gegen Kiel etwa spielten die Blau-Gelben etwa 40 Minuten in Unterzahl – verloren aber erst in der Nachspielzeit. Stetig steigerte sich das Team von Jens Härtel in den Folgepartien. Ist deshalb jetzt alles in Butter? Sicher nicht. Verbesserungspotenzial gibt es noch auf vielen Ebenen. Das weiß auch Kaufmann. Ein Schönredner ist er freilich nicht.

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    Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Braunschweiger einen üppigen Umbruch hinter sich haben. Akteure wie Jasmin Fejzic sind nicht mehr dabei. Führungsspieler und wichtige Charaktere – auch außerhalb der 90 Pflichtspielminuten an den Wochenenden. „Jeder weiß, was Spieler wie Jasi für Verdienste haben. Jeder Kabine tut es erstmal weh, wenn solche Spieler nicht mehr da sind.“ Andere müssen übernehmen. „Das entwickelt sich, und es ist schön zu sehen, wie andere Spieler dann Verantwortung übernehmen. Manch einer kann sich dadurch vielleicht auch etwas mehr öffnen“, sagt Kaufmann. Aber eine Restrukturierung braucht neben sportlicher Qualität und Persönlichkeiten vor allem eines: Zeit.

    Probleme sich zu öffnen hat der bekennende Fan der SSC Neapel ganz sicher nicht. Er ist ein emotionaler Typ. Nach einer guten Aktion wird auf dem Platz durch einen Urschrei schon mal der Kopf rot. Gegenspieler müssen sich auch hier und da mal einen Spruch anhören. „Natürlich immer oberhalb der Gürtellinie“, sagt Kaufmann, „wenn ich andere mit der Emotionalität anstecken will, dann muss ich sie auch vorleben.“

    Initialzündung für eine Serie bei Eintracht Braunschweig?

    Das klappt bei Kaufmann aber auch durch zählbare Statistiken. Mit seinem Treffer gegen Schalke sorgte er für den ersten Saisonerfolg. In der Vorsaison holte Eintracht den ersten Dreier gegen Nürnberg - am siebten Spieltag. 4:2 hieß es am Ende. Zweifacher Torschütze damals: Fabio Kaufmann. Es folgte eine Serie von sieben weiteren Ligaspielen ohne Niederlage. Einen Positivlauf wünschen sich die Braunschweiger auch jetzt wieder. Und vielleicht liefert Kaufmann erneut die Initialzündung dafür.

    Um einen Lauf zu starten, müssten die Löwen am Sonntag aus dem Spiel beim Karlsruher SC etwas mitnehmen. Und auch zu diesem Klub hat Kaufmann eine Verbindung. Im Sommer 2021 ging er von der Eintracht zum KSC. Dort erlebte der gebürtige Aalener aber ein – vorsichtig formuliert – unglückliches Jahr. Sportlich kam er nicht so richtig zum Zuge. Das lag aber auch an äußeren Umständen. „Ich habe damals schon in der Sommerpause über Bauchschmerzen geklagt. Das hat sich relativ lange hingezogen, wir wussten nicht so recht, was genau das Problem ist“, erinnert sich Kaufmann.

    Fabio Kaufmann spielte mit entzündetem Blinddarm

    Dann stellte sich heraus: Es ist der Blinddarm. Ein halbes Jahr hatte Kaufmann mit „entzündetem Blinddarm gespielt“. Dazu kam eine Corona-Infektion. Der Offensivmann konnte nicht mit ins Wintertrainingslager. Nach der Spielzeit kehrte er nach Braunschweig zurück. Hier trägt er auch positiv zur Teamchemie bei. Die ist für jedes Team wichtig, klar. Für diejenigen, deren oberstes Ziel der Klassenerhalt ist, aber noch ein bisschen mehr. Schon in der Vorsaison war das ein wichtiger Faktor. Damals musste das Team tiefe Täler mit Wochen ohne Punktgewinn durchschreiten. „Wenn der Druck von außen größer wird, zeigt sich auch, wie sich manche Spieler und die Gruppe verhalten“, sagt Kaufmann. „Wir haben einen guten Kern an Spielern, die diese Mentalität mitgenommen haben und an die Neuzugänge weitergeben. Ich bin der Meinung, dass wir ein sehr gutes Team haben. Wir haben uns nicht auseinanderdividieren lassen, auch als es nicht so gut lief.“

    Die Saison ist gerade erst angelaufen. Durch den Schalke-Sieg haben sich die Blau-Gelben vom ersten Druck etwas befreien können. Noch ist freilich nichts gewonnen. Die Lockerheit aber muss bleiben. „Wir sind alle Fußball-Profis geworden, weil wir Bock hatten, in unserer Freizeit gegen diesen Ball zu treten. Natürlich gehört der Druck dazu. Der kann aber auch hemmen. Man kann auch seriös Spaß haben. Und wenn man den Spaß verliert, wird man nie erfolgreich sein“, sagt Kaufmann. Vielleicht kann er ja auch am Sonntag dazu beitragen, den Spaßfaktor noch etwas zu erhöhen. Welche Geste er dann zum Jubeln wählen würde? Das wird sich zeigen ...