Braunschweig. Watenbüttels Tischtennis-Spielerinnen haben Verstärkung erhalten. Neuzugang Scholz bringt Bundesliga- und internationale Erfahrung mit.

Wenn ein Schlag mal daneben geht, findet sich im Gesicht von Vivien Scholz kaum Ärger oder Frust. Allenfalls ein ungläubiges Lächeln umspielt die Lippen der Tischtennis-Spielerin desTSV Watenbüttel. So als könne sie es gar nicht glauben, dass dieser Punkt diesmal nicht an sie gegangen ist. Denn ansonsten beendet die 26-Jährige auch in diesem Spiel die meisten Ballwechsel als Siegerin.

Watenbüttels neue Nummer 1 hatte in ihrem ersten Einzel am vergangenen Samstag nur wenig Mühe mit ihrer Gegnerin vom TSV Schwarzenbek. Nach etwa 20 Minuten heißt es gegen Mille Stoffregen 3:0 nach Sätzen für Scholz. Auch ihr zweites Einzel gegen Schwarzenbeks Nummer 1 Michelle Weber wird Scholz an diesem Samstag klar gewinnen. Die Brandenburgerin hebt die erste Damen-Mannschaft des TSV Watenbüttel auf ein neues Niveau. Seitdem sie sich dem Team angeschlossen hat, hat dieses in der Tischtennis-Regionalliga kein Spiel mehr verloren und sich durch fünf Siege seit dem Jahreswechsel auf den zweiten Platz vorgeschoben. Das liegt nicht allein an Scholz, doch der Neuzugang ist an erster Einzel-Position sowie im Doppel mit Elena Uludintceva ein sicherer Punktegarant für den TSV, und durch ihren Wechsel haben es auch die anderen Watenbüttelerinnen in ihren Spielen eher leichter.

Aus der Bundesliga in die Regionalliga

Scholz‘ Dominanz ist aber keine große Überraschung. Immerhin kommt sie direkt aus der 1. Bundesliga vom SV Schott Jena. Der Wechsel in die viertklassige Regionalliga ist für sie ein sportlicher Schritt zurück, allerdings einer, den die in Kleinmachnow aufgewachsene Tischtennis-Spielerin bewusst getan hat und der ihr sichtlich Spaß macht. „In Jena war alles ganz schön, aber sie haben leider überhaupt nicht eingehalten, was sie mir zugesagt haben“, berichtet Watenbüttels Neuzugang. Scholz war erst vor einem halben Jahr nach Thüringen gewechselt, zuvor hatte sie in Weil am Rhein ebenfalls in der Bundesliga gespielt. Doch ihre Spielzeiten in Jena waren dann nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte.

Vivien Scholz klatscht mit ihrem Trainer Oliver Mehler ab.
Vivien Scholz klatscht mit ihrem Trainer Oliver Mehler ab. © Sport | Stefan Lohmann

Das war die Chance für den TSV Watenbüttel und dessen Trainer Oliver Mehler. „Er hat mich bereits seit vielen Jahren gefragt, und ich habe ihm damals auch Elena, unsere Nummer 2, vermittelt“, erzählt Scholz, dass sie schon seit langer Zeit mit dem TSV-Coach in Kontakt steht. „Wir haben uns 2017 bei den Landesmeisterschaften in Osnabrück kennengelernt und haben uns sofort gut verstanden“, berichtet dieser. „Wir hatten jetzt ganz viel Glück, dass Vivien in Jena nur selten gespielt hat. Ich habe sie einfach gefragt, ob sie Lust hätte, bei uns zu spielen. Ich dachte eigentlich, dass sie niemals Ja sagt“, sagt Mehler, der Watenbüttels Damen seit mehr als 20 Jahren betreut und beim TSV selber noch an der Platte aktiv ist.

Doch Scholz sagte Ja zu Watenbüttel und wechselte von der Bundesliga in die Regionalliga. „Wir sind sehr froh, dass sie bei uns ist“, ist Mehler stolz über seinen Transfer-Coup. Mit seiner neuen Top-Spielerin kann er nun sogar oben angreifen, auch dank eines 8:2-Sieges am Samstag über Schwarzenbek eroberte er mit seiner Mannschaft am vergangenen Wochenende den zweiten Tabellenplatz. Vom Aufstieg will Mehler aber aktuell trotzdem nicht reden. „Ich glaube, dass dieses Jahr nicht mehr ganz so viel drin ist, weil Hannover zu weit weg ist“, meint der Trainer mit Blick auf den Tabellenführer aus der Landeshauptstadt. Drei Punkte steht das Team von 96 vor dem TSV in der Tabelle, und nur der Erste steigt in die 3. Liga auf. Allerdings spielen die Watenbüttlerinnen Anfang April in eigener Halle noch einmal gegen den Spitzenreiter.

Bald das Derby gegen RSV Braunschweig

Sollte da in dieser Saison aber nichts mehr gehen, setzt Mehler auf einen dauerhaften Scholz-Effekt beim TSV. „Wir hoffen natürlich, dass sie langfristig bei uns spielt, und dann wollen wir nächstes Jahr auch angreifen“, sagt er. Bereits jetzt ist sein Team die am höchsten spielende Tischtennis-Mannschaft der Region im Frauenbereich. Der RSV Braunschweig ist zwar ebenfalls in der Regionalliga aktiv, dem Stadtkonkurrenten droht als Tabellenschlusslicht vor dem Derby am Samstag gegen den TSV aber der Abstieg.

Die Watenbüttlerinnen dürfen sich zumindest ein bisschen Hoffnung machen, dass Scholz nicht nur ein paar Monate bei ihnen bleibt. Sie fühle sich beim TSV sehr wohl und sofort gut aufgenommen, sagt die 26-Jährige. Zu den Spielen kann sie zudem eine Fahrgemeinschaft mit der befreundeten Elena Uludintceva, die in Berlin wohnt, bilden. Und auch sportlich passt ihr der „Abstieg“ in die Regionalliga im Moment ganz gut in den Plan. „Als kleines Mädchen war es immer mein Ziel, in der Bundesliga zu spielen. Das habe ich geschafft“, vermisst sie aktuell die Liga-Partien auf höchstem Level nicht. „Es hat mir einfach nicht mehr so viel Spaß gemacht. Es war sehr verbissen und nicht so das Mannschaftsgefühl. Hier habe ich wieder richtig Spaß, Tischtennis zu spielen. Das war mir erstmal am wichtigsten“, schwärmt Scholz von der Teamatmosphäre in Watenbüttel.

Scholz träumt von einer EM mit Luxemburg

Zumal sie so mehr Konzentration für andere Ambitionen hat. Denn Scholz trainiert seit einigen Jahren bei Luxemburgs Nationalmannschaft mit und ist auch im Profi-Bereich unterwegs. „Ich spiele viele internationale WTT-Turniere um Weltranglisten-Punkte. Da habe ich es geschafft, im Doppel unter die Top 80 der Welt zu kommen“, berichtet sie stolz. Doch solche Erfolge haben auch immer eine Kehrseite. Ein wenig Preisgeld hat sie in den vergangenen Jahren gewonnen, doch das reicht lange nicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. „Es ist anstrengend, so viel zu reisen, so viele Turniere zu spielen und dann noch die Liga-Spiele zu absolvieren, die auf einem sehr hohen Niveau waren“, nennt Scholz daher einen weiteren Grund für ihren vorläufigen Abschied aus der Bundesliga.

Nach Luxemburg kam sie über einen ihrer ehemaligen Trainer, der dort Nationalcoach war. Aus ihrer Trainingsbeteiligung und Rolle als Sparringspartnerin beim Nationalteam soll für das kleine Land bald mehr werden. Scholz träumt von einer EM-Teilnahme oder mehr für Luxemburg, wo sie nach wie vor einen Wohnsitz hat und auch als Trainerin für ein Nachwuchsteam aktiv ist. „Für die Staatsbürgerschaft fehlen mir noch zwei, drei Jahre. Den Sprachtest habe ich schon bestanden“, erzählt Scholz.

Auf die großen Turniere wie EM, WM oder sogar Olympia muss sie nach ihrem Verbandswechsel daher noch etwas warten. Doch diese Ziele hat sie langfristig im Blick. Bis dahin eignet sich ihr Engagement in Watenbüttel vielleicht ganz gut, um einfach Spaß am Tischtennis und mehr Zeit für andere Dinge zu haben. Dreimal die Woche arbeitet Scholz, die Betriebswirtschaftslehre studiert hat, immerhin noch in Berlin in einem Steuerbüro. Ihr Leben besteht also aus vielen Reisen, aus vielem Hin und Her. Da sind ihre wenigen Punktverluste in der Regionalliga sicherlich einfach mit einem kleinen Lächeln hinzunehmen. Zumal es am Ende für sie und ihre neue Mannschaft bisher immer für einen Sieg gereicht hat.