Braunschweig. Jan und Karla Mudrow aus Bortfeld eifern ihrem berühmten Vater nach, der Nationalspieler war und als Trainer Deutscher Meister.

Wie es ist, häufig auf den berühmten Vater angesprochen zu werden, davon können Karla und Jan Mudrow ein Lied singen. Nicht nur in ihrem Heimatort Bortfeld im Kreis Peine ist der Papa nämlich eine kleine Berühmtheit, auch wenn Volker Mudrow mit seiner bodenständigen Art und einem bevorzugten Kleidungsstil der Marke leger auf den ersten Blick nicht gerade großen Promifaktor ausstrahlt. Doch in Braunschweig und Umgebung und gerade in Bortfeld kennen viele den 54-Jährigen, der vor vielen Jahren von dem 2600-Seelen-Dorf in der Gemeinde Wendeburg auszog, um die große Handball-Welt zu erobern.

Als Spieler schaffte es Volker Mudrow nach einem Start in der Jugend des MTV Braunschweig in die Handball-Bundesliga, spielte für Hameln, Nettelstedt, Lemgo und den ehemals großen VfL Gummersbach. Als Rückraumspieler wurde er deutscher Pokalsieger, gewann den Europapokal und schaffte es in die deutsche Nationalmannschaft und zur Weltmeisterschaft 1993 in Schweden. Und als Trainer ging es später ähnlich erfolgreich weiter. Deutscher Meister mit Lemgo, zweimal Sieger des EHF-Pokals. Eine Weltkarriere würde man sagen, die Mudrow aber auch aufgrund seiner Kinder seit etwa zehn Jahren nur noch auf Sparflamme weiterkocht – als Coach des Drittligisten MTV Braunschweig, mit dem er aber in der vergangenen Saison durch die Teilnahme an der Aufstiegsrunde immerhin schon einmal an der Tür zur 2. Liga anklopfte.

Jicha und Karabatic sind Jan Mudrows Vorbilder

Sie werde schon oft auf ihren Vater angesprochen, gibt die 18-jährige Karla zu, doch nach kurzem Zögern fügt sie hinzu, „inzwischen auch viel auf Jan.“ Denn der 16-jährige Bruder schickt sich gerade an, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Zumindest ist er auf einem guten Weg dahin. „Es ist mein Ziel, es in die Bundesliga und auch in die A-Nationalmannschaft zu schaffen. Dafür werde ich alles geben, auch wenn ich weiß, dass das noch ein sehr weiter Weg ist“, sagt der Gymnasialschüler selbstbewusst. Solche Träume haben sicherlich viele junge Handballer in seinem Alter, doch Jan Mudrow kann sie auch mit vielversprechenden Fakten untermauern. Mit seinen 16 Jahren spielt er bereits im Herrenbereich, in der Drittliga-Mannschaft seines Vaters beim MTV. Und hat sich dort in Windeseile an Tempo und Dynamik der Erwachsenen gewöhnt. Dazu ist er seit vergangenem Jahr Junioren-Nationalspieler, aktuell in der U18 – als jüngerer Jahrgang. „Ich bin bisher bei fast jedem Länderspiel dabei gewesen, komme auf meine Spielzeiten. Ich hoffe, dass das so weitergeht“, sagt das Handball-Talent, das die Weltklasse-Spieler Filip Jicha und Nikola Karabatic als seine Vorbilder nennt.

Doch trotz einer guten Veranlagung, gibt es keine Garantien, dass ihn sein Weg nur im Ansatz mal in ähnliche Sphären führt. Vieles kann passieren, Verletzungen, Formkrisen. Aber der schon jetzt 1,97 Meter große Rückraumspieler bringt schon einiges mit für eine Profi-Laufbahn. Jedenfalls fiel in diesem Fall der Apfel wohl nicht weit vom Stamm, wie man so schön sagt. Und nicht von ungefähr klopften bereits im vergangenen Sommer etliche Erstligisten bei den Mudrows an und warben mit einem Platz in ihren Nachwuchsleistungszentren um den Teenager. „Ich habe mich trotzdem für den MTV entschieden, mit den Einsatzzeiten in der 3. Liga ist das gut für meine Entwicklung. Die wären mir bei den Bundesligisten nicht so sicher gewesen“, erklärt Jan Mudrow.

Trotz Aufstiegs wechselte Karla Mudrow den Verein

Es kann seiner Schwester Karla also durchaus passieren, dass sie in Zukunft weniger auf ihren Vater, sondern viel mehr auf ihren jüngeren Bruder angesprochen wird. Wobei die angehende Abiturientin in Sachen Handball auch mit Talent gesegnet wurde. Mit der SG Zweidorf/Bortfeld stieg sie vergangene Saison in die Oberliga auf, verließ ihren Heimatverein aber trotzdem, um sich der ambitionierteren Mannschaft des VfL Wolfsburg, die auch in dieser Klasse spielt, anzuschließen. „Es war kein leichter Schritt, denn wir sind mit Bortfeld auch in die Oberliga aufgestiegen.“ Aber letztlich erhofft sich Karla Mudrow in Wolfsburg eine bessere Perspektive, um sich als Handballerin zu entwickeln. „Der Anfang war etwas schwierig, weil es viele gute Teams in der Liga gibt“, sagt die Rückraumspielerin zum Saisonverlauf ihres Teams. In ein paar Spielen hat sie mit vielen eigenen Toren schon angedeutet, dass sie das Zeug zu einer dauerhaften Leistungsträgerin beim VfL hat.

„Es ist ein Traum von mir, mal auf professioneller Ebene Handball zu spielen. Aber im Frauenbereich lässt sich damit nicht so viel Geld verdienen, deshalb muss man auch seine berufliche Karriere im Blick haben“, zeigt sich die 18-Jährige realistisch. Daher hat das Abitur am Gymnasium in Vechelde, wo auch Bruder Jan zur Schule geht, im nächsten Jahr Vorrang. Doch dann hat sie das Ziel, Handball auf möglichst hohem Niveau zu spielen. „Wie Jan hat auch Karla großes Talent“, meint Volker Mudrow und will das eher als eine Meinung eines Handball-Experten als der eines Vaters verstanden wissen. Dabei spielt seine Tochter gar nicht so lange Handball, war zunächst beim Turnen und in der Leichtathletik unterwegs. „Durch meinen Vater und Bruder bin ich dann aber auch zum Handball gekommen“, erzählt sie.

Handball-Tipps vom Vater

Dass die beiden nun als Spieler und Trainer gemeinsam am Ziel des MTV Braunschweig basteln, es auch in dieser Saison in die Aufstiegsrunde zur 2. Liga zu schaffen, hat den Gesprächen am Küchentisch in Bortfeld natürlich noch einmal eine neue Dimension gegeben. „Bei uns wird zu Hause nicht nur, aber schon viel über Handball gesprochen“, sagt Karla Mudrow lachend. Wobei der Vater etwas einschränkt. „Ich versuche gar nicht so sehr, dass Handball bei uns so ein großes Thema ist. Eher sind es meine Kinder, die damit anfangen“, berichtet Volker Mudrow. Die würden häufiger gerne Tipps und Ratschläge von ihrem Vater haben. Der ist selbstverständlich stolz auf seine Kinder, „aber auch unabhängig von ihrer Entwicklung im Handball“, sagt er.

Trotz seiner Vergangenheit als Nationalspieler und bekannter Bundesliga-Trainer habe er in den vergangenen Jahren versucht, ein ganz normaler Vater zu sein. Deshalb kehrte Mudrow nach der Trennung von seiner damaligen Lebensgefährtin in seine Heimat Bortfeld zurück, hängte seine großen Handball-Ambitionen an den Nagel und kümmerte sich in erster Linie um die Erziehung der drei gemeinsamen Kinder (Karla und Jan haben noch einen älteren Bruder). Aber Volker Mudrow wäre nicht Volker Mudrow, wenn er nicht doch etwas im Handball mitmischen würde.

Volker Mudrow führte den MTV nach oben

Wobei das etwas Definitionssache ist. Denn bei seinem Jugendklub MTV Braunschweig ist der Ex-Profi inzwischen seit einigen Jahren als Mister Handball bekannt. Als er die erste Mannschaft des Vereins als Trainer übernahm, befand sich diese in der fünfklassigen Verbandsliga in einer schwierigen Phase. Keine zwei Jahre später gelang 2015 der Aufstieg in die Oberliga und im Jahr darauf der Durchmarsch in die 3. Liga. Auch wenn es zwischendurch noch einmal wieder runter ging, ist die Verbindung Mudrow und der MTV eine sehr erfolgreiche. Was die Qualifikation für die Aufstiegsrunde zur 2. Liga im vergangenen Jahr belegt. Und auch in diesem Jahr sind die Braunschweiger auf einem ähnlichen Kurs unterwegs. „Wir sind auf dem zweiten Platz, bisher lief alles optimal“, sagt Jan Mudrow.

Daran hat er einen nicht unerheblichen Anteil. In 13 Liga-Spielen hat der 16-Jährige starke 54 Tore erzielt, sich unter seinem Vater von Anfang an einen Stammplatz beim MTV ergattert und trotz seiner Jugend nur wenige Probleme, sich im Herren-Bereich durchzusetzen. Dabei sagt Jan Mudrow: „Man merkt körperlich einen riesigen Unterschied zur Jugend.“ Dort wäre er seinen meisten Gegenspielern klar überlegen gewesen.

Vorfreude auf das Spiel in der VW-Halle

Und obwohl sein Vater als Trainer einen Ruf als harter Hund genießt, nimmt der Teenager für sich keine Sonderrolle beim MTV in Anspruch. „Meiner Meinung nach werde ich von ihm nicht geschont“, sagt Jan Mudrow. Er findet, dass er und sein Vater die Trennung zwischen den Rollen gut hinbekommen. „Auf dem Spielfeld sind wir Spieler und Trainer und nicht Vater und Sohn.“ Ob es denn am Abendbrot-Tisch nicht doch schon einmal eine eisige Stimmung nach dem einen oder andere Spiel gegeben habe? „Das gab es zum Glück noch nicht“, antwortet der Sohn und lächelt verschmitzt.

Das soll sich auch am späten Freitagabend nicht ändern, wenn der MTV eines seiner sogenannten Highlight-Spiele in der Braunschweiger Volkswagen-Halle absolviert hat. Einmal im Jahr verlassen die Handballer ihre eigentliche Heimstätte, die Sporthalle Alte Waage, um vor großer Kulisse zu spielen. Etwa 3800 Karten sind bereits für die Partie (Beginn 19.30 Uhr) gegen den TSV Anderten aus Hannover verkauft. Für Jan Mudrow wird es die Premiere bei diesem Format sein, Vater Volker erlebt bereits das fünfte Spiel dieser Art als MTV-Trainer und Tochter Karla wird als Einstimmung auf ihr persönliches Handball-Wochenende mit dem VfL Wolfsburg bestimmt die Braunschweiger Mannschaft von der Tribüne aus anfeuern. Auf der Rückfahrt nach Bortfeld kann die wahrscheinlich bekannteste Handball-Familie unserer Region dann ausgiebig diskutieren, wie das Spiel gelaufen ist und für den Familien-Frieden sich hoffentlich über einen positiven Ausgang freuen.