Braunschweig. Der Adenstedter Thorsten Margis freut sich nach den Olympia-Triumphen über die große Ehre, Deutschlands Fahnenträger zu sein.

Mit einer farbenfrohen und symbolträchtigen Feier sind die Olympischen Winterspiele in Peking zu Ende gegangen. Im Vogelnest-Stadion sprach IOC-Präsident Thomas Bach am Sonntag von „wahrhaft außergewöhnlichen Spielen“ und erklärte die von strengen Corona-Beschränkungen und politischen Debatten geprägten 24. Winterspiele mit der offiziellen Schlussformel für beendet.

Um 21.37 Uhr Ortszeit erlosch vor den Augen von Chinas Präsident Xi Jinping als Tribünengast auch das olympische Feuer – mittendrin war Thorsten Margis, der aus Adenstedt im Landkreis Peine stammt. An der Spitze der verbliebenen rund 40-köpfigen deutschen Delegation lief der Bob-Anschieber zu den Klängen der „Ode an die Freude“ als Fahnenträger ein. Der 32-Jährige hatte im Zweier- und Viererbob von Pilot Francesco Friedrich Gold gewonnen. Im Kreis tanzend verabschiedete sich das deutsche Team, mit zwölfmal Gold und 27 Medaillen hinter Norwegen Zweiter der Nationenwertung, von diesen Spielen.

Margis: Tolle Geste des Deutschen Olympischen Sportbundes

Für Margis war die Hauptrolle beim Schlussakt der Spiele eine große Ehre. „Das ist einfach unglaublich. Das hätte ich niemals gedacht, dass ich das mal machen darf“, sagte er stolz und nannte es eine „tolle Geste des DOSB, dass ich stellvertretend für alle Athleten aber auch alle Anschieber die Fahne tragen darf.

Der in Bad Honnef im Rheinland geborene Bobsportler bekam aufgrund seiner sportlichen Erfolge ohnehin viele Glückwunsch-Nachrichten, nachdem er als Fahnenträger auserkoren wurde, kamen noch ein paar obendrauf. „Das war auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit und Trubel, als ich je erlebt habe. Es war auch mehr als nach dem ersten Olympiasieg, denn Olympia-Sieger gibt es ja ein paar mehr als Fahnenträger.“ Die nächsten Winterspiele werden 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo ausgetragen. Zwei Jahre zuvor wird die Flamme das nächste Mal entzündet, wenn Paris 2024 der Gastgeber der Sommerspiele sein wird.

In Italien will Margis gemeinsam mit Dominator Friedrich die Bob-Legenden André Lange und Kevin Kuske übertrumpfen, gleichgezogen ist er mit den langjährigen Spitzensportlern nun schon, was die Anzahl der Goldmedaillen angeht. „Ich bin selber gespannt, ob der Hunger wiederkommt“, sagte er, ist sich aber sicher. „Das Ziel wird wachsen in den nächsten Jahren, und wir wollen uns noch vier schöne und erfolgreiche Jahre machen.“

Kritik an den Olympischen Spielen – auch von Thorsten Margis

Zunächst darf er allerdings zurückdenken an all die besonderen Momente und den Abschluss. Der vom berühmten chinesischen Regisseur Zhang Yimou arrangierte finale Akt griff die Symbolik der Eröffnungsfeier wieder auf. Die Stimmung im Stadion wirkte unbeschwerter als bei der Eröffnung.

Mit dem Symbol der Weidenrute wurden die Olympioniken verabschiedet. Dies sollte nach Angaben der Organisatoren auch als Anspielung auf ein Aufblühen nach der Corona-Pandemie verstanden werden. Bei nicht wenigen Athleten im Stadion dürfte die Schlussfeier auch von einem Gefühl der Erleichterung begleitet worden sein, nach anstrengenden und entbehrungsreichen Wochen wieder nach Hause fliegen zu dürfen. Margis jedenfalls freute sich darauf, daheim abzuschalten und nicht mehr dauerhaft in der Olympia-Blase sein zu müssen, in der wegen der außerhalb explodierenden Corona-Fallzahlen dauerhafte Maskenpflicht herrschte.

IOC-Chef Bach forderte in seiner Rede die gerechte Verteilung von Impfstoffen. Vor dem Hintergrund internationaler Konflikte mahnte der 68-Jährige die politischen Spitzen in aller Welt, sich ein Beispiel an „Solidarität und Frieden“ unter den Athleten zu nehmen. Die Gastgeber hatten sich schon vor dem Schlussakt ein ausgezeichnetes Zeugnis ausgestellt. Ein „erfolgreiches Musterbeispiel“ seien diese Spiele gewesen, tönte Organisationschef Cai Qi am Sonntag und beschrieb die zwei Wochen von Peking als „fantastisch, außergewöhnlich und ganz hervorragend“.

IOC weht der Gegenwind ins Gesicht – Margis hätte sich sportlichen Fokus gewünscht

Die oft emotionalen Hochglanz-Bilder von den 109 Entscheidungen in perfekten Wettkampfstätten durften die Olympia-Macher als Beleg für ihre Lobeshymnen nehmen. Auch im Erfolg der knallharten Corona-Maßnahmen in der hermetisch abgeriegelten Olympia-Blase sahen sich die Organisatoren bestätigt. Bei 1,7 Millionen Coronatests waren in den vergangenen vier Wochen 437 Infektionen festgestellt worden.

Der Preis dafür waren die Dauer-Überwachung der Beteiligten, die Zäune um die olympische Parallelwelt und die bedrückenden Berichte von Sportlern aus den Quarantänehotels. „Alle sind müde, alle haben keinen Bock mehr“, sagte auch Margis.

Diese Seite der Winterspiele führte schnell zur grundsätzlichen Kritik an der Wahl Chinas als Ausrichter. So waren sie auch überschattet von einem diplomatischen Boykott – angeführt von den USA, Kanada, Großbritannien und Australien, die keine politischen Vertreter zur Eröffnung und Schlussfeier schickten. Auch Deutschland entsandte keine Vertreter, wollte aber nicht von einem Boykott sprechen.

Der Gastgeber habe die Winterspiele „als Plattform für seine Propagandazwecke nutzen“ können, urteilte der Verein Athleten Deutschland und prangerte das Schweigen des IOC zu den Verletzungen von Menschenrechten in China an. Während der Ringe-Zirkel um Bach stets die Trennung von Sport und Politik betonte, ließ China zur Eröffnung eine uigurische Ski-Langläuferin die Flamme entzünden. Die Sprecherin der Organisatoren bezeichnete Berichte über Umerziehungslager für die muslimische Minderheit als „Lüge“ und bestritt die Unabhängigkeit Taiwans, mit dessen Eroberung die kommunistische Führung schon länger droht.

Margis konnte die Spiele dennoch genießen. „Auf unsere Weise“, sagte der 1,91-Meter-Mann. „Wir haben das Beste daraus gemacht, hatten brutale Wettkämpfe. Die Berichterstattung konnten wir Sportler uns aber nicht mehr angucken.“ Was er damit meinte? „Der Sport stand nicht im Mittelpunkt. Ich will nicht sagen, dass das nicht gerechtfertigt war. Die Spiele gehörten hier nicht her, aber ich hätte mir gewünscht, dass mit dem Beginn der Spiele der Sport mehr im Mittelpunkt steht.“