Braunschweig. Der ehemalige Weltklassespieler feierte jüngst seinen 70. Geburtstag. Seine Karriere führte ihn auch nach Braunschweig, wo er aber nicht hingehörte.

Im September 1998 spürte Berti Vogts, dass er nicht mehr lange Bundestrainer sein würde, seinem Rauswurf kam er mit einem Rücktritt zuvor. Die Nachfolge regelte der damalige DFB-Präsident Egidius Braun im Alleingang: Er holte Uli Stielike, der sich bereits als Bundestrainer wähnte, bevor ihm Braun noch den Teamchef Erich Ribbeck vor die Nase setzte. Doch das war nicht das größte Missverständnis in jenem Prozess.

Am liebsten hätte Egidius Braun Jupp Heynckes nach dessen Champions-League-Sieg mit Real Madrid geholt, doch der sagte wegen einer Erkrankung seiner Frau ab. Um ihn später erneut fragen zu können, kam Braun der Gedanke, einen „unabhängigen Interims-Teammanager“ zu berufen. Im Fernsehen sah Egidius Braun Paul Breitner und dachte: Der könnte es sein. „Dass er oft den DFB kritisiert hat, hielt mich nicht davon ab, ihn anzurufen und ihn zu fragen.“

Breitner, der damals an seinem Wohnort Brunnthal in Oberbayern eine E-Jugend-Mannschaft trainierte, sagte zu, Braun nannte die Lösung „revolutionär“. Er ahnte, dass er damit in konservativen DFB-Kreisen „einen Schock hervorrufen“ würde. Nachdem seine Idee tags darauf wie erwartet im engeren Vorstandszirkel nicht auf große Gegenliebe gestoßen war, wurde ihm auch noch die Münchener Abendzeitung präsentiert.

Paul Breitner feierte jüngst seinen 70. Geburtstag

Und siehe da: Paul Breitner forderte den großen Schnitt – beim DFB müsste die gesamte Führung den Hut nehmen: „Diesen DFB-Herren geht es nur darum, mit ihren Hintern auf ihren Pöstchen zu bleiben.“ Das war’s für Braun: „Der, mit dem ich Revolution machen wollte, wollte mich gleich killen.“ 17 Stunden nach dem ersten Gespräch meldete sich Braun noch einmal bei Breitner, diesmal nur kurz: „Vergessen Sie alles!“

Eine verpasste Chance? Vermutlich wäre es auf Stress und Streitigkeiten hinausgelaufen. Denn Paul Breitner, der am Sonntag 70 Jahre alt wurde, ist bei aller Kompetenz und Klasse eines nie gewesen: pflegeleicht.

Wuschelmähne und Mao-Poster – Breitner ist mehr als nur ein Rebell

Er war immer mehr als nur ein Rebell. Vor allem in jungen Jahren aber hatte er für diesen Ruf einiges getan, die Diplomatenschule hatte der Bayer nie besucht. Er war mit erst 22 Jahren der Rädelsführer, als ein Teil der deutschen Nationalmannschaft während der WM 1974 mit der Abreise aus dem Trainingslager in Malente drohte, weil der DFB nur 30.000 Mark pro Mann für den Fall des Titelgewinns geboten hatte.

Ein Jahr zuvor, da war er schon Europameister, hatte der Mann mit der Wuschelmähne unter einem Bild des chinesischen Kommunistenführers Mao Tse-tung posiert – pure Provokation. Nachdem Deutschland auch durch sein Elfmetertor beim 2:1 im Finale gegen die Niederlande in München Weltmeister geworden war, trat er aus der Nationalmannschaft zurück, weil er sich mit Bundestrainer Helmut Schön überworfen hatte.

Das erzählt ein Braunschweiger über seine Zeit mit Breitner:Zobel- Wechsel zu Eintracht Braunschweig war „typisch Paul“

Als offensiver Linksverteidiger war der Mann mit den heruntergezogenen Stutzen damals ein Pionier. Günter Netzer lockte ihn zu Real Madrid, drei Jahre blieb Paul Breitner dort. Dann kehrte er spektakulär in die Bundesliga zurück: zu Eintracht Braunschweig. Doch da gehörte er nicht hin, 1978 war er wieder bei den Bayern, drei Jahre später kehrte er auch in die Nationalmannschaft zurück. Inzwischen als Mittelfeld-Motor, als Stratege, als Chef auf dem Platz.

Karriere nach der Karriere bleibt aus

Eine Karriere nach der Karriere aber gab es nicht, nachdem Paul Breitner 1983 aufgehört hatte. Warum er nicht wie andere ehemalige Bayern-Stars Verantwortung im Klub übernahm, erklärte er vor zwei Jahren in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung: „Ich wollte Abstand vom Fußball. Und: Ich bin eine Nummer eins. Der FC Bayern hatte in allen Positionen bereits eine Nummer eins.“

2019 gab Paul Breitner seine Ehrenkarte zurück. Die Freundschaft mit Uli Hoeneß war schon vor Jahren zerbrochen, jetzt knallte es auch noch mit Karl-Heinz Rummenigge, nachdem der Ehrenpräsident und der Vorstands-Chef Kritik an Spielern mit der Verletzung der Menschenrechte gleichgesetzt hatten.

Paul Breitner blieb stets Paul Breitner, das muss man ihm lassen. „Es war mir immer wurscht, was die anderen über mich sagen“, betont er. Sein schwieriger Charakter aber stand nie einer warmen, menschlichen, sozialen Seite im Weg.

Breitner besuchte Gerd Müller regelmäßig

Als er in die Gründungself der Hall of Fame des deutschen Fußballs gewählt wurde, bat er im April 2019 die Gäste der Gala im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund darum, sich zu Ehren des schwer an Alzheimer erkrankten Gerd Müller zu erheben. Mit einer ergreifenden Rede brachte Paul Breitner die Leute dazu, dass sie schlucken mussten. Gerd Müller besuchte er bis zu dessen Tod vor wenigen Wochen regelmäßig.

Ihm selbst geht es gesundheitlich gut, seine Leidenschaft Laufen hält ihn fit. Mit seiner Frau Hilde, mit der er seit 50 Jahren verheiratet ist und drei Kinder hat, organisiert er die Münchener Tafel, einmal pro Woche teilen sie Lebensmittel und Mahlzeiten an Bedürftige aus. „Das macht mich sehr zufrieden mit meinem Leben“, versichert Paul Breitner. Wie schön, das mit 70 Jahren über sich selbst sagen zu können.