Paris. Der Italiener, der in Paris überrascht, soll 2015 in Wettbetrug verstrickt gewesen sein.

Als Marco Cecchinato in der ersten Runde der French Open gegen den Rumänen Marius Copil antrat, da hatten sich auf Platz 16 fast nur die eisernen Fans aus den beiden Heimatländern der Profis eingefunden. Cecchinato bot eine verwegene Aufholjagd, ein staunenswertes Comeback, nach 0:2-Satzrückstand drehte er die Partie noch um, gewann im fünften Satz 10:8. Seine Grand-Slam-Reise ging aber immer weiter, langsam, aber sicher nahm auch die Tenniswelt beeindruckt Notiz von ihm, erst recht, als er in der dritten Runde den spanischen Top-Ten-Mann Pablo Carreno-Busta bezwang. Zwei Tage später kämpfte er den Weltranglisten-Achten David Goffin (Belgien) nieder, und noch einmal zwei Tage später fabrizierte er nicht weniger als ein kleines Tenniswunder gegen Novak Djokovic, den einstigen Machthaber auf der Pariser Tennisanlage Roland Garros. „Ich bin nicht ganz sicher, ob ich das alles nur träume“, sagte Cecchinato später. Sein Siegeslauf ist eigentlich eine dieser Wohlfühlgeschichten, wie sie immer mal wieder im Tennis vorkommen. Doch wie wird man einmal den Vormarsch Cecchinatos beurteilen, des feurigen Sizilianers, der am Freitag im Halbfinale gegen Österreichs Ass Dominic Thiem anzutreten hat? Die Frage ist deshalb eine Frage, weil auf Cecchinatos Vergangenheit ein dunkler Fleck liegt, eine Wettaffäre, die ihm schließlich vor allem wegen eines Verfahrensfehlers keine Sperre eintrug. Vor gut zwei Jahren wurde der 25-jährige zunächst zu einer 18-monatigen Zwangspause vom italienischen Tennisverband verurteilt, weil er 2015 im marokkanischen Mohammedia vermeintlich absichtlich ein Challenger-Spiel verloren haben sollte. Das Urteil wurde später vor einem unabhängigen Tribunal auf zwölf Monate Sperre reduziert, weil Cecchinato, so die Begründung, vor besagtem Match einem Freund nur mitgeteilt habe, er fühle sich unwohl. Später hob das Olympische Komitee Italiens das Verdikt und auch eine 40 000-Euro-Strafe ganz auf, weil die Beweissicherung des Tennisverbandes nicht ordnungsgemäß verlaufen sei.

Allein im dritten Quartal 2015 gab es nach einer Erhebung der Wettunternehmen 48 Zwischenfälle mit Tennisspielern, es waren 68 Prozent aller verdächtigen Vorkommnisse im Sport überhaupt. Auffällig sind Spiele in diesem Kontext, wenn ungewöhnlich hohe Beträge gewettet werden. Oder wenn ungewöhnlich hohe Beträge auf einen Außenseiter gesetzt werden. So war es angeblich isoliert auch bei Cecchinato im Oktober 2015, als er, damals die Nummer 143, gegen den Polen Kamil Majrchrzak antrat (seinerzeit ATP 338). Nach Ermittlungen des italienischen Verbandes hätten ein Freund Cecchinatos und dessen Vater über mehrere Wettkonten etwa 800 Euro auf einen Sieg des Polen Majchrzak gesetzt und zwar in zwei Sätzen. Sie waren nach einem Bericht der „New York Times“ die Einzigen in ganz Italien, die eine solche Wette platzierten. Und gewannen: Denn Cecchinato verlor tatsächlich in 66 Minuten mit 4:6 und 1:6 gegen den Außenseiter.