Braunschweig. Wir empfehlen Wirtschafts- und Strategiespiele, bei denen es keine Tränen gibt, die fordernd sind oder entspannend.

Die Corona-Zeit ist laaaaaaaaang. Kurzweilig wird sie, wenn ihr euch mit der Familie oder Freunden an einem Tisch setzt und eines der folgenden Brettspiele spielt.

Spieletipp 1: Concordia

Concordia wirkt auf den ersten Blick wie ein beliebiges Rohstoff-Handelsspiel, das sich in ähnlicher Form in fast jedem Brettspielschrank befindet. Warum sollte man also zu Concordia greifen, wenn der Markt so viele Alternativen bietet, wie zum Beispiel den schier unsterblichen Klassiker „Siedler von Catan“?

In seiner unscheinbaren Art ist Concordia ein friedliches und elegantes Meisterwerk. Es ist das erste Spiel, zu dem ich greife, wenn ich Leute an das Hobby heranführen möchte, sofern sie Interesse an etwas zum Grübeln haben. Es ist ein Brückenspiel zwischen Anfängern und Profis, das beide genießen können. Es bietet scheinbar endlos tiefe Strategiemöglichkeiten, ohne seine Spieler in einem Dutzend komplexer Systeme zu ertränken. Es ist das letzte Spiel, das meinen Brettspielschrank wieder verlassen wird.

Es geht um Rohstoffe und Deck-Building

Concordia kombiniert Rohstoff-Management, das Bewegen von Arbeiterfigürchen und Deck-Building. Ihr bewegt Händlerfiguren auf dem Spielbrett, das das antike Rom repräsentiert, von Stadt zu Stadt, um dort Handelsposten zu bauen, die euch die eine Ressource der Stadt produzieren lassen. Diese Ressource lässt sich verkaufen, um dann mit dem erworbenen Geld weitere Händler und weitere Posten kaufen zu können.

In einem Zug spielt ein Spieler eine Handkarte aus, auf der eine Aktion beschrieben steht. Diese Aktion, die dich zum Beispiel einen Händler bewegen und dann einen Posten bauen oder dich Rohstoffe verkaufen lässt, wird dann ausgeführt und die Karte wird abgelegt. Eine der Handkarten lässt euch abgelegte Karten wieder aufnehmen und sie belohnt euch auch dafür, wenn ihr zunächst möglichst viel von eurer Hand abgespielt habt.

Und was macht Punkte? Das hängt von euch ab! Eine weitere Handkarte lässt euch mehr Karten mit den überwiegend gleichen Aktionen wie eure bisherigen Handkarten kaufen und auf die Hand nehmen, so dass ihr mehr Optionen pro Zug bekommt. Auf allen Karten ist aber nicht nur eine Aktion abgebildet, sondern zusätzlich auch eine römische Gottheit, die als Punktemultiplikator fungiert. Habt ihr zum Beispiel zwei Jupiter-Karten in eurem Stapel, die euch am Ende des Spiels für jeden eurer drei gebauten Posten einen Siegpunkt geben wird, kriegt ihr 2 x 3 = 6 Siegpunkte. Sobald ein Spieler alle seine 15 Handelsposten gebaut hat oder die letzte kaufbare Karte erworben wurde, wird die aktuelle Runde zu Ende gespielt und das Spiel ist beendet.

Niemand fühlt sich zurückgelassen

Dadurch, dass ihr euch euer Deck der Aktionen selbst zusammenstellt, könnt ihr den Rhythmus der Runden immer selbst bestimmen. Da ihr die Figuren nie auf den selben Ort stellen dürft, entsteht Konflikt, aber da sie nie auf dem Ort selbst platziert werden, sondern auf einer der multiplen Routen zu dem Ort, gibt es immer einen Weg, um den Ort trotzdem noch zu erreichen, wenn auch durch Umwege. Konflikte entstehen, aber euch wird euer Ziel niemals verwehrt. Da die Punkterechnung erst zum Spielende stattfindet, fühlt sich niemand überholt und zurückgelassen.

Brettspiele haben das Stigma, dass sie öfter in heftigem Streit und Tränen enden. Das liegt daran, dass sie häufig Mechaniken beinhalten, bei denen sich die Spieler gemeine Dinge antun müssen. Gebiete wegnehmen, Plätze blockieren, Spieler zurücklassen, kämpfen, ausstechen, unterdrücken oder, falls es mal nicht an den anderen Spielern liegen sollte: am Würfelpech scheitern. Concordia dagegen umgeht alle diese Mechaniken, ohne strategischen und taktischen Wert zu unterbinden. Kein Spieler wird jemals in eine Ecke gedrängt oder ist Opfer von Systemen, die er nicht kontrollieren kann. Ihr werdet in diesem Spiel niemals eine Zug erleben, in dem euch nichts übrig bleibt als zu passen, vielleicht bestenfalls eine Trostmünze aufzunehmen.

Aber wenn jeder Zug großzügig und keiner weggeworfen ist, wie entscheidet sich dann ein Sieg? Dadurch, dass hier nicht der dominanteste und tödlichste Spieler gewinnt, sondern der effizienteste. In eurer Hand liegt immer ein „bester“ Zug, der euch mehr bringt als jeder andere. Und den müsst ihr finden!

Wenn euch nach einer klassischen, aber friedlichen Brettspielerfahrung mit Tiefe dürstet, die euch liebevoll herausfordert, haltet Ausschau nach Concordia.

2013, Mac Gerdts, PD-Verlag, zwei bis fünf Spieler, https://www.pd-verlag.de/Concordia

Spieletipp 2: Brass: Birmingham

Brass: Birmingham
Brass: Birmingham © Hendrik Heissenberg

In der anderen Ecke des Spektrums liegt Brass: Birmingham. Hier wird aggressiv gespielt, Rohstoffe werden weggenommen, die Lernkurve ist sehr viel steiler, und es besteht die reelle Chance, dass ihr in eurem Zug nichts machen könnt, außer euch die Trostmünze zu nehmen. Welche Art von Spielerfahrung ihr bevorzugt, ist natürlich euch überlassen, aber zumindest an Exzellenz büßt Brass: Birmingham nichts gegen Concordia ein.

Brass: Birmingham ist das Sequel zum dem 2007 erschienenen Brass, auch bekannt als „Kohle: Mit Volldampf zum Reichtum“. Das Original bekam eine Neuauflage unter dem Titel Brass: Lancashire und eben dem allgemein beliebteren Nachfolger Brass: Birmingham.

Wer baut das beste Wirtschaftsimperium auf?

In der industriellen Revolution versucht ihr, ein besseres Wirtschaftsimperium zu errichten als eure Mitspieler. Dafür errichtet ihr ein Netzwerk aus Kanälen und später Eisenbahnen, die Städte verbinden, in denen Gebäude zur Rohstoffproduktion gebaut werden können. Einen Kanal zu legen, ein Gebäude zu bauen oder Güter an Händler zu verkaufen, zu denen ihr auch erst Verbindungen legen müsst, kostet euch Rohstoffe.

Von denen gibt es drei Sorten: Kohle und Eisen, mit denen Gebäude oder Verbindungen gebaut werden können, und Bier, das an die Händler verteilt wird. In jedem Zug müsst ihr je eine eurer Handkarten opfern für jede der zwei Aktionen, die ihr ausführen dürft. Auf den Handkarten sind Orte abgebildet, an denen ihr bauen dürft, oder Gebäude, die ihr in jeden Ort bauen könnt, die Teil eures Netzwerkes sind. Sobald der Nachziehstapel verbraucht wurde, fängt eine zweite Ära an, in der niedere Gebäude und Kanalverbindungen vom Spielbrett entfernt werden und Zugverbindungen gebaut werden können. Wenn der Nachziehstapel ein zweites Mal geleert wird, endet das Spiel. Aber wer gewinnt – und wie?

Werde Kohleproduzent

Wenn ihr ein Gebäude baut, zum Beispiel zur Kohleproduktion, wird die Kohle, die es produziert, auf das Gebäudeplättchen gelegt. Sobald die Kohle für weitere Bauten verbraucht wurde, wird das Plättchen umgedreht und ist nun zwar nutzlos, aber für den Spieler, der es gebaut hat, Siegpunkte wert.

Gebäude bauen, die Rohstoffe produzieren, um mit diesen Rohstoffen neue Gebäude zu bauen, klingt zunächst nicht sehr originell und genau wie Concordia, nur in einem anderen Zeitalter und einschränkender, da ihr nur bauen könnt, was eure Handkarten euch vorschreiben. Der Kniff des Spiels liegt in der Frage, wessen Rohstoffe ihr verbrauchen wollt.

Anmutige Regeln

Denn so lange eine Verbindung von einer Kohleproduktion zu eurem Bauort besteht, ist es egal, wem sie gehört. Sofern sie den kürzesten Weg hat, wird diese Kohle für die Bauaktion verbraucht. Und hier liegt die Anmut von Brass: Birmingham. In dieser Situation habt ihr drei Möglichkeiten: Ihr verbraucht die Kohle für euer Gebäude und schenkt dem Mitspieler damit Siegpunkte, aber verbaut ihm die Möglichkeit, die Kohle in ein eigenes Projekt zu investieren. Oder aber ihr baut zunächst eine eigene Kohleproduktion, die näher an dem Ort liegt. Damit schenkt ihr dem Mitspieler zwar keine Punkte, aber es kostet euch Zeit, denn der Nachziehstapel ist nur begrenzt gefüllt und ist euch das ursprüngliche Gebäude diesen Umweg überhaupt wert? Oder aber ihr entscheidet euch für einen anderen Ort zum Bauen, an dem ihr vielleicht eine schlechtere Anbindung ans Geschehens habt, aber dafür eure Kohleproduktion oder die von einem Spieler, von dem ihr vermutet, dass er ungefährlicher ist, näher liegt.

Brass: Birmingham zeichnet sich durch seine organische Dynamik aus. Das Feld wird gesteuert durch Angebot und Nachfrage. Kohle-Hot-Spots entstehen in einen Moment, eine Kohle-Dürre im nächsten. Ein gut gebautes Netzwerk ist von Vorteil, doch es lädt die anderen Spieler dazu ein, sich dort einzuklinken wie Parasiten. Alles, was auf dem Feld platziert wird, ruft eine Reaktion der Mitspieler hervor. Mag das Spiel zunächst trocken wirken, kenne ich kaum ein Strategiespiel, dass sich so lebendig in seiner Ruhe anfühlt.

Regelwerk nur im ersten Moment überladen

Das Regelwerk wirkt anfänglich überladen, zum Beispiel haben alle drei Rohstoffe eigene Regeln, wie sie angewendet werden dürfen. Jedoch stellt sich schnell heraus, dass sich diese scheinbar komplizierten Systeme nur auf das Nötigste konzentrieren, um ein durchgehend spannendes und mitreißendes Erlebnis zu schaffen. Alle Systeme sind flüssig und sinnvoll verknüpft.

Brass: Birmingham ist eine kesse, kurzweilige Erfahrung, die nach ein, zwei Sitzungen sogar in unter zwei Stunden gespielt werden kann. Geht nur sicher, dass jeder Spieler mit einer ausreichend dicken Haut in die Welt von Brass: Birmingham eintaucht, bevor ihr ihm seine ganze Kohle klaut.

2018, Gavan Brown, Matt Tolman, Martin Wallace; Giant Roc, zwei bis vier Spieler. Eine deutsche Version lässt sich zur Zeit leider nur vorbestellen, doch im April soll geliefert werden: https://www.spiele-offensive.de/Spiel/Brass-Birmingham-dt-1024947.html

Spieletipp 3: Jaipur

Jaipur
Jaipur © Hendrik Heissenberg

Wieder in einer ganz anderen Ecke des Spektrums der Gesellschaftsspiele findet man Jaipur. Jaipur ist ein leichtes Kartenspiel mit Wirtschaftsaspekt, das schnell erklärt, schnell aufgebaut und schnell gespielt wird. Die Schachtel ist klein genug, um leicht transportiert zu werden. Obwohl sich das Auge an den bunten Komponenten in ausgebreiteter Form erfreut, kann Jaipur auch sehr minimiert und aus der Schachtel heraus gespielt werden, falls wenig Platz da ist.

In Jaipur kriegt jeder Spieler fünf Handkarten, auf denen verschiedene Güter oder ein Kamel abgebildet sind. In die Spielmitte werden weitere dieser fünf Karten aufgedeckt, die den Markt darstellen, und der restliche Stapel zum Nachziehen daneben gelegt.

Ihr könnt Güter kaufen

In eurem Zug könnt ihr nun eines von zwei Dingen tun: Karten aufnehmen oder Karten verkaufen. Ihr könnt ein Gut aus dem Markt auf die Hand nehmen, oder auch mehrere Güter von eurer Hand mit der gleichen Anzahl an Gütern aus dem Markt austauschen. Wenn ihr Güter verkaufen wollt, legt ihr dafür beliebig viele Güter der gleichen Sorte aus eurer Hand auf den Ablagestapel und nehmt euch dann so viele Punktechips der Gütersorte, wie ihr Karten abgelegt habt.

Sobald der Nachziehstapel für den Markt aufgebraucht wurde oder drei Sorten an Punktechips leer sind, ist das Spiel vorbei und ihr addiert die Werte der Punktechips. Der Spieler mit der höheren Summe an Punkten gewinnt diese Runde. Danach wird neu aufgebaut und noch mal gespielt, bis ein Spieler zwei Siege errungen hat.

Wahrscheinlich wird danach aber noch mal aufgebaut, zumindest nach meiner Erfahrung. Denn Jaipur ist eine pfiffige Versuchung, frisch und aktiv, die man mit jedem spielen kann und möchte.

Jaipur lässt dich nicht im Stich

Die Punktechips werden von ihrem Stapel in fester Reihenfolge abgenommen, wobei die wertvollsten ganz oben liegen. Dadurch wollt ihr natürlich so früh wie möglich eure Güter verkaufen. Jedoch gibt es noch Bonuschips, deren Wert nicht bekannt ist, aber höher als der wertvollste Güterchip sein kann, die ausgeteilt werden, wenn mindestens drei Güter gleichzeitig verkauft werden. Also suchst du dir ein Gut aus, dass du zunächst in Ruhe sammelst, bis dein Gegenspieler plötzlich drei Karten von dem Gut auf den Tisch haut, das du doch verkaufen wolltest! Glücklicherweise lässt dich Jaipur nicht ganz im Stich, da du auch mehre Karten deiner Hand mit dem Markt austauschen kannst.

Jaipur ist ein Spiel der Einschätzung. Du musst deinen Gegner einschätzen: Wann will er verkaufen, was hat er auf der Hand? Auch den Nachziehstapel musst du im Auge behalten, denn in ihm stecken weniger Karten mit wertvolleren Gütern. Welche Chips bringen dir mehr? Viele mit niedrigem Punktewert oder wenige mit hohem Punktewert? Schaffst du beides? Wahrscheinlich nicht.

Jaipur wirkt wie ein spannendes Glücksspiel, mit gerade so viel Abschätzbarkeit, dass es sich nicht willkürlich anfühlt, aber euch trotzdem zum Lachen bringen kann, wenn du auf den Rubinregen hoffst, aber der Nachziehstapel für den Markt nur Leder bereitstellt. Dieses mehrfach ausgezeichnete Design bringt Freude und Spannung an den Tisch und kann von so ziemlich jedem Alter genossen werden.

2009, Sébastien Pauchon, GameWorks, zwei Spieler, https://asmodee.de/jaipur

Spieletipp 4: Hive

Hive
Hive © Hendrik Heissenberg

Hive fällt in das Genre der abstrakten Strategie, wo sich auch Schach einordnet. Die zwei ähneln sich auf den ersten Blick sehr, nur ist der Einstieg in Hive für die meisten wahrscheinlich angenehmer. In Hive bekommen zwei Spieler ein identisches Team aus Insekten und anderen Krabbeltieren in Form von sechseckigen Steinen, schwarz oder weiß.

Im Spiel legt ihr diese Steine aneinander, mit dem Ziel, die gegnerische Bienenkönigin einzusperren. In eurem Zug legt ihr entweder einen weiteren Stein an, wobei dieser beim Anlegen keinen gegnerischen Stein berühren darf, oder ihr bewegt einen eurer bereits liegenden Steine, wobei der Schwarm, den ihr hier aufbaut, zu keinem Zeitpunkt geteilt werden darf.

Krabbler haben einzigartige Eigenschaften

All eure Krabbler haben einzigartige Eigenschaften in der Bewegung, ähnlich wie beim Schach. Der Grashüpfer zum Beispiel kann von seiner momentanen Position in einer geraden Linie über alle anderen Käfer ins nächste freie Feld springen. Der Maikäfer kann zwar immer nur einen Schritt gehen, dafür aber auch auf andere Steine klettern, um sie zu blockieren.

Eine wundervolle Eigenschaft an Hive ist, dass man schnell bei der Action landet. In den ersten vier Zügen müsst ihr eure Königin platziert haben und könnt vorher auch keine bereits gelegten Steine bewegen. So schafft ihr euch blitzschnell ein sehr lesbares Szenario, das es zu überwinden und zu meistern gilt.

Robust und wasserfest

Hive ist sehr fordernd, aber nie überfordernd. Stück für Stück lassen sich die kleinen Feinheiten und die Vor- und Nachteile der Figuren erlernen. Die Ziele und Möglichkeiten sind immer klar und deutlich, wodurch es von Beginn an sehr leicht fällt, auch komplexere und weitläufigere Pläne zu schmieden. Nach spätestens 20 Minuten ist der Spaß dann auch schon vorbei, sodass eine zweite Runde, in der man das gerade Gelernte anwenden kann, sehr verlockend klingt.

Zum Spielen braucht ihr nichts außer irgendeiner Unterlage. Ein Spielbrett gibt es nicht und die Spielsteine sind robust und wasserfest, also kann Hive sogar beim Wandern auf feuchtem Boden gespielt werden. Wenn ihr ein Spiel sucht, das ihr überall hin mitnehmen könnt, das den Geist herausfordert, behaltet Hive im Auge wie die Spinne an der Wand.

2000, John Yianni, Huch!, zwei Spieler, https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/ID39651502.html