Mein perfektes Wochenende. Christiane Wiebking entspannt sich als Hobby-Bäuerin auf einem gemieteten Stück Acker.

Zwei Hasen fressen sich genüsslich durchs Gemüse. Christiane Wiebking lacht nur – sobald sie auf dem Acker steht, ist sie entspannt, das Hamsterrad des Alltags vergessen. Die Ernte reicht trotzdem noch. Die 50-Jährige schneidet leuchtend gelbe und rote Mangoldstängel ab und legt sie in ihren Korb. Kurz andünsten – fertig ist das Abendessen.

Der Braunschweigerin sind ihre Gesundheit und die Natur immer wichtiger geworden. „Wir leben in einer Zeit, in der uns viele Giftstoffe belasten“, findet Wiebking. Da möchte sie diese wenigstens beim Essen weglassen. Bei der Recherche im Internet stieß sie schließlich auf die Ackerhelden. Bundesweit vermietet das Essener Unternehmen biozertifizierte Gemüsegärten. Seit dem Start vor vier Jahren in Braunschweig ist auch Wiebking unter die Hobby-Bauern gegangen.

Ein- bist zweimal pro Woche bestellt sie ihr 40 Quadratmeter großes Stück Feld in Dibbesdorf. Jeweils ein bis zwei Stunden lang, am Wochenende kommt sie meist länger als unter der Woche. Heute lockert sie den Boden der Zwiebeln, die schmecken ihr besonders gut: „Sie sind milder und fruchtiger als aus dem Supermarkt.“ Gießen ist diesmal nicht nötig, weil der Boden noch feucht ist, wie Wiebking feststellt.

Wie oft die Pflanzen welche Pflege brauchen, steht in einem Handbuch, das es zum Saisonstart dazugibt. Regelmäßig bekommen die Mieter außerdem Tipps per E-Mail, zum Beispiel welche Sorten sich gerade zum Säen eignen. Aber Wiebking macht sich mit Regeln nicht verrückt, verlässt sich auf ihr Gespür. Dabei bekam sie den Gemüse-Anbau nicht in die Wiege gelegt. Mit dem Blumen-Garten der Eltern hatte sie als Kind nichts am Hut. Und auch die Großeltern, denen sie später im Schrebergarten half, zogen nur Blumen groß.

Mit den Vorschriften einer Kleingartenkolonie wollte sie sich aber nicht belasten, erklärt die 50-Jährige. Außerdem sei der Acker in Braunschweig das einzige biozertifizierte Feld zur Selbsternte, das sie ausfindig machte. Die Parzelle gibt es für 299 Euro pro Jahr quasi als Rundum-sorglos-Paket. Der Boden wird mit mehr als 120 Bio-Jungpflanzen vorbepflanzt übergeben. Dass dann Anfang Mai schon kleine Pflänzchen zu sehen sind, motiviert Wiebking. Hinzu kommt per Post Bio-Saatgut zum Nachpflanzen und Ergänzen der 25 vorgepflanzten Sorten. Insgesamt stehen den Mietern nach Firmenan- gaben 40 Sorten zur Verfügung.

Wiebking gefällt die Vorauswahl, so kam sie schon auf Gemüsesorten, die sie vorher nicht kannte, zum Beispiel Mairüben: „Schmecken ganz gut.“

Auch finanziell rechne sich der Anbau, beim Bio-Bauern auf dem Markt habe sie mehr Geld ausgegeben. Doch darum geht es Wiebking gar nicht. Sie möchte draußen an der frischen Luft sein und mit den eigenen Händen etwas schaffen – ihr Ausgleich zum Alltag als Sekretärin in einem Architekturbüro. „Man hegt und pflegt, zupft Blätter – das ist einfach toll.“

Die Besuche auf dem Acker seien Momente der Auszeit. „Ich bin dann in meiner Mitte.“ Einen Balkon hat die Braunschweigerin nicht in ihrer Stadtwohnung: „Das war mir damals nicht wichtig“, erinnert sie sich an den Einzug. Der Erholungsfaktor ist auf dem Feld aber womöglich höher. Wiebking kann sich allein schon für den weiten Himmel begeistern, an dem heute Gewitterwolken aufziehen. Hinter ihrer Parzelle beginnen richtige Felder. Direkt nebenan steht gerade der mobile Hühnerstall des Biobauern, dem auch das Ackerhelden-Feld gehört. Gegenüber davon grasen zottelige Highland-Rinder. Nicht einmal die Landstraße stört Wiebking – als die Gärten im vergangenen Jahr ein Stück weiter weg angelegt waren, fraßen Tiere deutlich mehr von der Ernte weg.

Die Geräte stellt das Unternehmen ebenfalls, sie lagern in einem Schuppen des Bauern. Wo im Winter die Rinder untergebracht sind, reihen sich Schubkarren, Harken, Mistgabeln, Eimer und Gießkannen aneinander. Sind die mobilen Wasser-Container neben dem Feld leer, müssen die Hobby-Bauern selbst pumpen. Die dunkelgrüne Wasserpumpe neben dem Schuppen sieht aus wie im Bilderbuch.

Auf den Bänken davor trifft sich die gebürtige Wolfsburgerin gern mit ihrer Mutter, die regelmäßig vorbeischaut. „Wir sitzen manchmal stundenlang hier, trinken Kaffee und erzählen.“ Früher kam auch ihr Sohn noch mit aufs Feld, inzwischen bleibt der 14-Jährige aber lieber zu Hause. Wiebking nimmt es mit Humor. Ihre 23-jährige Tochter kann sich auch nicht für den Gemüsegarten begeistern.

Die Sorten variieren die Ackerhelden jedes Jahr etwas und fragen am Ende nach, welche bei den Mietern gut ankamen. Eigenes Saatgut muss auch biologisch sein. Wiebking vermisst in diesem Jahr die Kartoffeln: „Die sind phänomenal.“

Ihr Korb hat sich mittlerweile gefüllt. „Wenn man kontinuierlich nachsät, kann man kontinuierlich ernten“, berichtet sie, ab Juni waren schon Radieschen reif. Die Roten Beten haben die Hasen abgefressen, doch Zucchini konnte sie noch ernten, als letztes zieht sie Möhren aus dem Boden – oder besser gesagt Möhrchen. Leckerer als aus dem Bio-Laden? „Man bildet sich das zumindest ein“, sagt Wiebking und lacht.