Unterwegs auf einer Strecke in Sri Lanka, die einst von den Engländern gebaut wurde.

An Tag acht scheint erstmals etwas schiefzulaufen. Der Dauerregen der Nacht hat offenbar Konsequenzen für eine Etappe, auf die ich mich besonders gefreut hatte: die Zugfahrt von Nuwara Eliya (kurz: Nurelia) nach Ella. Schon beim Frühstück informiert mich Indika, mein einheimischer Fahrer während der gesamten Rundreise durch Sri Lanka, dass die schönste Bahnstrecke seines Landes durch einen Erdrutsch wohl unpassierbar ist. „Können wir trotzdem runter zum Bahnhof fahren? Vielleicht gibt es ja doch eine Chance“, schlage ich Indika vor. Seine Antwort, wie so oft: „Okay, Sir!“

Die Station heißt Nanu Oya und liegt rund 1600 Meter über dem Meeresspiegel. Im Hochland Sri Lankas ist die Luft eine ganz andere als jene stickige Schwüle, die an der Küste und im alten Königsland rund um Anuradhapura und Polonnaruwa vorherrscht. Deshalb haben einst schon die Engländer, die bis 1948 im damaligen Ceylon das Sagen hatten, hier ihre Sommerfrische eingerichtet.

Um landwirtschaftliche Produkte nach Colombo und sich selbst in die kühlen Berge zu befördern, hatten die Briten im 19. Jahrhundert die Ceylon Government Railway gegründet. Sir Henry Ward, Stellvertreter der Krone auf der Insel im Indischen Ozean, stach 1858 den ersten Spaten in den Boden. 1864, als in den Plantagen rund um Kandy noch hauptsächlich Kaffee angebaut wurde, fuhren die ersten Züge. Erst nachdem ein Pilz, der Kaffeerost, die Anbauflächen vernichtete, stellten deren Besitzer auf den bis heute berühmten Tee um, der viele Tausend Waggons gefüllt hat.

Wer den Bahnhof Nanu Oya betritt, begibt sich auf eine veritable Zeitreise. Viel scheint sich hier seit 1885, dem Jahr der Eröffnung, nicht geändert zu haben, auch die hölzerne Anzeigetafel wirkt wie aus der Zeit gefallen. „Ziemlich leer, die meisten haben wohl mitbekommen, dass der Zug aus Kandy heute nicht mehr weiterfährt“, sagt Indika. Doch kurz darauf steigt ein Mann auf einen Hocker und fingert an den Zeigern der alten Anzeigentafel herum. Tatsächlich: Eine der vier „Uhren“ steht nun auf 12.45. Man hat die Strecke doch noch freigeräumt.

Schnell kaufen wir ein Ticket für die zweite Klasse, das ab hier 110 Rupien, umgerechnet gut 60 Cent kostet. Um 12.39 Uhr ist erstmals das Pfeifen von „Podi Menike“ (kleines Mädchen) zu hören, wie der blaue Zug hier genannt wird. Er teilt sich die Strecke nach Ella mit dem „Udarata Menike“ (Bergmädchen).

Selten ist der Zug schneller als

25 km/h – die Türen sind offen

Ich habe meinen erhofften Fensterplatz ergattert und verabschiede mich von Indika. Er fährt mit Auto und Gepäck weiter, um mich in Ella wieder aufzusammeln. Da der Zug selten schneller als 25 km/h ist, muss er sich dafür nicht einmal besonders beeilen. Mit einem kräftigen Ruck setzt sich der Podi Menike in Bewegung. Von nun an bestimmt das metallische Klackklack der Schienen die Geräuschkulisse.

Nicht nur die Fenster stehen offen, sondern weiterhin auch die Türen. Längst hat sich unter Reisenden in aller Welt herumgesprochen, dass man auf diesem Streckenabschnitt waghalsige Posen machen kann, ohne zurückgepfiffen zu werden. Und so drängeln sich Backpacker und andere Urlauber alsbald um die beste Position für spektakuläre Selfies. In engen Kurven bekommen sie sich und den Zug zugleich besonders eindrucksvoll aufs Bild.

Unterwegs mangelt es nicht an Fotomotiven: grüne Tee-Terrassen, in denen bunt gewandete Tamilinnen emsig Blätter zupfen, fruchtbare Täler, auf die tosende Wasserfälle niedergehen, Wolkenfelder, die aussehen, als würde die Erde darunter dampfen.

Wer um 5.55 Uhr in Colombo eingestiegen ist, hat jetzt um die acht Stunden Fahrt hinter sich. Reisende ab Kandy sind seit fünf Stunden unterwegs. Trotzdem ist noch niemand eingenickt, denn der spektakulärste Teil mit zahlreichen Tunneln und Viadukten beginnt gerade erst. Es muss eine Wahnsinnsarbeit gewesen sein, die Strecke fertigzustellen.

Junge Globetrotter erzählen sich, wie es neulich in Nepal und Indien so war, während draußen, auf einem vorbeihuschenden Sandplatz, Jungs mit Holzbrettern auf kleine Bälle eindreschen. Kricket, auch mit einfachsten Mitteln, ist Nationalsport in Sri Lanka.

Um 15.36 Uhr rollen wir, kaum verspätet, in Ella ein. Allerdings nicht am Bahnsteig, sondern am Nebengleis. Deshalb müssen nun alle Passagiere mit ihrem Gepäck über kleine Metallleitern nach unten steigen und quer über die Gleise laufen. Riskant ist das nicht. Der nächste Zug kommt ja erst in ein paar Stunden – wenn das Wetter mitspielt.