Salzgitter. Seit Mittwoch muss sich ein 32-Jähriger in Braunschweig verantworten. Er ist fast schon Stammgast vor dem dortigen Landgericht.

Man hat es mit einem Clan-Verfahren zu tun, kein Zweifel. Der Rechtsstaat fährt einiges auf: doppelte Taschenkontrollen, eine ellenlange Anordnung zum Verhalten im Gerichtssaal (Wer es noch nicht wusste: Waffen sind verboten!), zahlreiche Polizeibeamte, die für zusätzliche Sicherheit sorgen sollen. Zwei bullige Justizmitarbeiter führen den Angeklagten dann in Handschellen in den Schwurgerichtssaal, den größten im Braunschweiger Landgericht.

Erst zurechtfinden muss sich der 32-Jährige, bekannt als „Pate von Salzgitter“, hier nicht. Er dürfte jede Kerbe im Holz der Anklagebank kennen. Zweimal wurde er hier schon zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, seit November läuft ein weiterer Prozess gegen ihn, in dem es um den Handel mit Rauschgift in der JVA Wolfenbüttel geht, und der mindestens noch bis in den Sommer dauert. Als wäre das nicht genug, hat die Staatsanwaltschaft eine weitere Anklage gegen ihn erhoben, die seit Mittwoch verhandelt wird.

Darum geht im Prozess gegen den „Paten“ aus Salzgitter

Auch diesmal geht es – wie schon in der Vergangenheit – um mutmaßliche Geschäfte mit Drogen. Kurz nachdem der einschlägig vorbestrafte Mann aus einer arabischstämmigen Großfamilie im Vorjahr nach zehn Jahren Knast überraschend auf Bewährung freigekommen war, sei er wieder in krumme Geschäfte verwickelt gewesen, sagen Ermittler. Konkret wirft man dem 32-Jährigen vor, im Juni 2023 mit einem Bekannten, der auf einer Menge Marihuana saß, das er loswerden wollte, über den Kauf von 10 bis 20 Kilogramm verhandelt zu haben. Er könne ihm beim Vertrieb helfen, soll der Angeklagte gesagt haben. Bei einem zweiten Gespräch wenige Wochen später soll es dann um den Kauf von 6 Kilogramm gegangen sein. Die Polizei hatte die Gespräche mitgehört.

Einsatzfahrzeuge der Polizei stehen vor dem Landgericht Braunschweig: Für das Verfahren gelten erhöhte Sicherheitsbedingungen. (Archivfoto)
Einsatzfahrzeuge der Polizei stehen vor dem Landgericht Braunschweig: Für das Verfahren gelten erhöhte Sicherheitsbedingungen. (Archivfoto) © picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg

Strafrechtlich wertet die Staatsanwaltschaft das bisher als Handel mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ sowie als Beihilfe dazu. Ob die Geschäfte tatsächlich zustande kamen, ist dabei nicht erheblich. Immerhin droht eine Maximalstrafe von bis zu 15 Jahren.

Drei Verteidiger, ein Kautionsangebot von 250.000 Euro – und ein Angeklagter, der schweigt

Drei Verteidiger führt der Angeklagte ins Feld, zwei von ihnen muss er aus eigener Tasche zahlen. Einer von ihnen, der Revisionsfachmann Ulrich Ziegert, reist eigens aus München an. Geld, so scheint es, ist kein Problem. Zwischenzeitlich soll die Familie des 32-Jährigen 250.000 Kaution für dessen Freilassung angeboten haben.

Doch der „Pate“ blieb in U-Haft. Auch eine Beschwerde dagegen vor dem Oberlandesgericht scheiterte. Dort ging man – nach Aktenlage – weiterhin von einem dringenden Tatverdacht aus.

Dass es eine friedliche Verhandlung werden würde, hat wohl niemand erwartet. Auch im Parallelverfahren um den Drogenhandel in der JVA geht es hoch her. Doch die Erwartungen wurden sogar noch übertroffen, der Ton zum Auftakt war mehr als rau. Zur Sache schweigt der Angeklagte. Dennoch wurde es laut. Neumal wurde die Verhandlung unterbrochen, mehr als einmal, um die Gemüter zu kühlen. Ein Zeuge verließ wutschnaubend und türschlagend den Saal, weil sein Handy beschlagnahmt wurde. Und um 16.45 Uhr – nach knapp siebenstündiger Verhandlung – fing sich die Vorsitzende Richterin Petra Bock-Hamel dann noch einen Befangenheitsantrag ein, über den noch zu entscheiden sein wird.

Es ging nicht um Gras – sondern um Spielautomaten, sagen die Verteidiger

Die Verteidigung argumentiert unter anderem so: Die Polizei habe womöglich missverstanden – oder missverstehen wollen, was in den Gesprächen zwischen dem (mutmaßlichen) Großdealer und dem „Paten“ gesagt wurde. Es sei darin nicht um die Lieferung von Marihuana gegangen, sondern um Spielautomaten.

Ein erster Zeuge, der seit Jahren mit dem Angeklagten bekannt ist, bestätigte vor Gericht, dass er seit der Freilassung wieder in Kontakt mit dem 32-Jährigen stand und man über die Lieferung solcher Geräte sprach. Seine Preisvorstellung pro Gerät deckt sich ungefähr mit dem, was die Ermittler als Kilo-Preis für Marihuana verstanden haben. Das Oberlandesgericht schenkte dem Zeugen in seinem Beschluss zur Haftbeschwerde offenbar wenig Vertrauen, wie in der Hauptverhandlung deutlich wurde.

Der erste Tag endet mit einem Befangenheitsantrag

Als die Richterin eben jenen Beschluss verlesen wollte, der zuungunsten des Angeklagten ausfiel, gingen die Verteidiger denn auch auf die Barrikaden. Das Resultat nach sieben Stunden: der Befangenheitsantrag. Die Vorsitzende Richterin habe das Verfahren „vorprägen“ und die Schöffen somit beeinflussen wollen.

Der zweite Zeuge – einer der Brüder des „Paten“ und Geschäftsführer von vier Firmen – konnte nur wenige Minuten befragt werden, dann beendete die Kammer den Sitzungstag. Er bejahte grundsätzlich, dass eines seiner Unternehmen auch mit Spielautomaten handele. Seine Vernehmung wird im April fortgesetzt, nach seiner Rückkehr von einem Kurztrip nach Dubai.

Dass die anberaumten neun Termine bis in den Mai nicht reichen werden, ist bereits nach dem ersten Tag absehbar, sagte die Richterin am Ende des langen ersten Tages. Fortgesetzt wird die Hauptverhandlung in der kommenden Woche. Kurz danach beginnt dann der Prozess gegen den mutmaßlichen Großdealer aus Wolfenbüttel (38), mit dem der „Pate“ so rege verhandelte.

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